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"Die Auferweckung des Lazarus" Treffpunkt Ökumene: Nicht selten wünscht sich ein Ausgetretener ein kirchliches Begräbnis. Oft genug sind es aber auch die Angehörigen, die sich gerade in dieser Situation geistlichen Beistand wünschen - auch wenn der Verstorbene dieses Bedürfnis nicht geteilt hätte. In derart komplizierten Situationen verhalten sich Vertreter der einzelnen Kirchen unterschiedlich: je nach kirchlicher Zugehörigkeit wird ein christliches Begräbnis verweigert oder nicht. Wie gehen christliche Konfessionen damit um, wenn aus der Kirche Ausgetretene begraben werden sollen? Geht es mehr um Seelsorge für Angehörige oder um das "Hinüberhelfen" für den Verstorbenen? Volksfrömmigkeit und Theologie stehen dabei im Spannungsfeld. Zum Thema diskutieren Pfarrer Johann Bräuer (römisch-katholisch), Pfarrer Thomas Pitters (evangelische Kirche A. B.) und Pfarrer Martin Eisenbraun (altkatholische Kirche) Gestaltung: Brigitte Krautgartner
Jesus wird seiner Kleider beraubt Millionen von Menschen werden Tag für Tag ihrer Würde beraubt, ihrer Nahrung, ihrer Kleidung, ihrer Wohnung, ihrer Gesundheit und ihrer Ausbildung. Sich zum Evangelium bekehren heißt, aus dieser unmenschlichen Situation wieder eine menschliche zu machen. Als er am Kalvarienberg ankommt, wird Jesus gewaltsam seiner Kleider beraubt. Die Kleider waren an den Wunden festgeklebt, die sich nun wieder öffnen. Jesus wird nackt der rücksichtslos starrenden Zuschauermenge mit ihrer Verachtung preisgegeben. Jesus wird bis zur letzten Stufe menschlicher Erniedrigung geführt. Die Gewalt kennt keine Grenzen. Sie will den Menschen ganz zerstören, indem sie auch sein Schamgefühl aufs Tiefste verletzt.Jesus suchte die Gemeinschaft mit all jenen, die in den Folterkammern dem Sadismus ihrer Peiniger ausgeliefert sind, deren Körper und deren tiefsten Gefühlen Gewalt angetan wird.Dieser allerletzte Schritt Jesu geschieht in Übereinstimmung mit dem gesamten großen Weg des Gottessohnes. Er hat die kennzeichnenden Merkmale seiner Göttlichkeit, wie die Allwissenheit und die Allmacht, abgelegt. Er ist Mensch geworden, um in die Trägheit unseres Denkens und die Gebrechlichkeit unseres Menschseins einzutreten und sie zu durchdringen. Aus Gott wird ein Armer, der in einer Region lebt, in der die Bewohner keinen guten Ruf haben. Er hat sogar noch mehr aufgegeben, indem er gehorsam war bis zum Tod am Kreuz. Von einer Entblößung zur anderen ist er bis zur völligen Selbstentäußerung, zur Hinrichtung, geschritten. Es gab schließlich nichts mehr, was er für sich zurückgehalten hätte, was er nicht schon in seiner Liebe und Opferbereitschaft verschenkt hätte. Dieser Verzicht auf alles schafft erst die Möglichkeit einer umfassenden Fülle.Es gibt eine Entblößung im Prozess des Menschwerdens, die unschuldig ist und zugleich die Voraussetzung für jeden wahren Aufstieg darstellt. Die Krisen, in die wir geraten, zwingen uns zu einer befreienden Entäußerung: zum Verzicht auf unser allzu großes Sicherheitsbedürfnis, auf unsere Vorurteile gegenüber Menschen und Situationen, auf Illusionen und kurzlebige Werte. Wir müssen unsere Nacktheit und das Negative annehmen, das ebenfalls ein Teil unseres persönlichen Universums ist. Wenn wir unsere Schattenseiten integrieren, werden wir zu größerer Reife gelangen, werden verständnisvoll und tolerant den anderen gegenüber.Es gibt aber eine Entblößung, die ein himmelschreiendes Unrecht darstellt: Millionen von Menschen werden Tag für Tag ihrer Würde, ihrer Nahrung, ihrer Kleidung, ihrer Wohnung, ihrer Gesundheit und ihrer Ausbildung beraubt.Die Entblößung Jesu bedeutet Gemeinschaft mit diesen Ausgeplünderten. Sie ist zugleich ein heiliger Protest. Wie die Blöße bedeckt werden muss, so muss auch der Hunger gestillt werden. Wenn wir uns zu dieser befreienden Tat bekehren, heißt das, dass wir uns zum Evangelium Jesu Christi bekehren.(Aus: Leonardo Boff "Kreuzweg der Auferstehung", Patmos-Verlag)
Das Schlüsselloch hat eine magische Anziehung. Schriftgelehrte bringen eine Frau, die in flagranti ertappt worden war
und zwingen sie zur öffentlichen Beichte: Drei Dinge sind in dieser Erzählung symptomatisch:
Das inszenierte Gericht wird so zu einem Ort der entwürdigenden
Demütigung. Wer schuldig wird, erlebt sich als Außenseiter im doppelten Sinn:
Die in der Osternacht besungene "felix culpa", die "glückliche Schuld", aus der man lernen kann, ist zum Fremdwort und zu einem Stiefkind der Seelsorge geworden. Alexander Mitscherlich hat sinngemäß gesagt: Schon der ägyptische Antiexodus-Mythos erzählt davon, dass eine ansteckende Seuche im Land nur deswegen bewältigt werden konnte, weil die Götter die "Schuldigen" an dieser Seuche geoffenbart und einen Rettungsweg gezeigt haben: Die vielen Fremden, die im Land wohnten, aber auch die Aussätzigen und Kranken wurden vertrieben; Hunderttausende von Krüppeln und Kranken, von Aussätzigen sind des Landes verwiesen worden. Auf diese Weise ist nicht nur das Problem der Seuche bewältigt; es wird auch die Schuld abgeschoben – auf die Vertriebenen. Eine solche Vertreibungslogik finden wir nicht nur in Ägypten; wir finden sie in den unzähligen Geschichten der Bibel: wo der "Sündenbock" in die Wüste gejagt wird und dort mit der Schuld des Volkes stirbt. Wir finden diese Abschiebung in den christlichen Erzählungen, wenn die Schuld auf den Teufel abgeschoben wird, oder aber auf seine Gehilfinnen, die dann vertrieben und verbannt werden. Diese Schuldbewältigungsstrategien als Ausweg aus der Sackgasse haben die Geschichte der Vertreibung fortgeschrieben nicht mehr im Namen der Götter oder auch Gottes, sondern im Namen von Nationen, Rassen und Klassen bis herauf in unsere Tage. Die Jagd nach Sündenböcken, die Suche nach Schuldigen, "Aufklärung" über die angeblich wahren Hintergründe: all das prägt inzwischen den Alltag des durchschnittlichen Zeitgenossen und nimmt ihm die ganze Last der Verantwortung von den Schultern: Wir brauchen solange von der Schuld nicht zu reden, solange wir unsere Sündenböcke haben! Jesus zeigt einer solchen Strategie die kalte Schulter: Charles Peguy hat vor 100 Jahren über diese Partei der Frommen gesagt: Aber Christus selbst ist des Menschen gewesen."
Letztes Update dieser Seite am 28.02.2003 um 10:56
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