Erfüllte Zeit
Sonntag 13. 5. 2001 
7.05 Uhr - 8.00 Uhr
,  Radio Österreich 1

 

"Das neue Gebot" (Johannes 13, 31 – 33a. 34 – 35)
kommentiert Veronika Prüller-Jagenteufel

Franz von Assisi "Von der Zurechtweisung der Brüder, die gefehlt haben"

"Zwischen Kinderzimmer und Altar" – Pastoralassistentinnen berichten
Für manche Kinder ist es ganz normal, dass ihre Mutter einen Wortgottesdienst leitet, Ministranten schult oder einen Vortrag in der feministischen Frauengruppe hält. Ihre Mütter stehen im kirchlichen Dienst, sie sind ausgebildete Theologinnen und arbeiten in einer Pfarre als Pastoralassistentin.

Da sich das pfarrliche Leben oft gerade am Abend oder an Wochenenden abspielt, sind sie - wie andere Frauen - oft hin und her gerissen zwischen Beruf und Familie. Doch die täglichen Freuden und Sorgen mit den eigenen Kindern können sich auch sehr befruchtend auf die pastorale Arbeit auswirken.

Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

Veronika Prüller-Jagenteufel kommentiert das Evangelium zum Sonntag

"Gott ist in ihm verherrlicht" - "Wohin ich gehe, könnt ihr nicht kommen" - "Liebt einander" - Das heutige Evangelium ist voll von schwierigen Worten.

Der Evangelist Johannes verweist uns damit auf einen wesentlichen und engen Zusammenhang: Jesu inniges Verhältnis zu Gott und das Geschehen von Tod und Auferstehung Jesu, sind eng verbunden mit dem, was Jesus seinen Jüngerinnen und Jüngern aufträgt. Der gemeinsame Nenner sozusagen ist die Liebe.

Liebe - so ein abgedroschenes Wort. Tausendmal verkitscht, tausendmal entlarvt als hoffnungslose Romantik, die dann ja doch nicht trägt und hält. Rührende Utopie in der Welt des Fortkommens und der Gewinnmaximierung.

Und Johannes nennt das noch "neu", ein neues Gebot: liebt einander! Das griechische Wort für "neu" heißt in diesem Zusammenhang auch "neu in seiner Art" "ungewöhnlich", "unerhört" - Etwas Unerhörtes trägt Jesus da auf.

Und dann auch noch: liebt einander, so wie ich euch geliebt habe. - Wenn das aber stimmt, was das Christentum sagt, dann liebt uns doch Gott durch Jesus Christus auf eine Weise, die wir gar nicht nachmachen können. Was, wenn die kitschanfälligen Träume und ihre vielleicht unbeholfenen Realisierungsversuche in unseren kleinen Lebenswelten alles sind, was wir da zusammenbringen?

"Wohin ich gehe, dahin könnt ihr nicht kommen" - Auch der heutige Evangelientext verweist uns ja darauf, dass wir in die tiefste Tiefe der erlösenden Liebe und rettenden Hingabe Jesu nicht hinreichen, dass wir dorthin nicht gehen können und auch nicht gehen müssen. In Jesus hat Gott selbst die Welt erlöst; das können und das müssen wir auch nicht - das ist für uns mindestens eine Nummer zu groß.

Und Jesus selbst scheint von der Größe dieses Geschehens, das er da im Moment des Abschieds von den Seinen vor Augen hat, beeindruckt zu sein: Hier und nur hier spricht er seine Freunde mit "Kinder" an - ein Wort, in dem die Rührung mitschwingt, mit der es gesagt wird. "Kinder, ich bin nur noch kurze Zeit bei euch". Dass es jetzt darum geht, seinen großen Auftrag zu vollenden, seinen Weg bis zum Ende zu gehen, mag Jesus wohl ebenso tief berührt und bewegt haben wie das Wissen, dass er das alleine tun muss, dass ihm auf diesem Weg seine Freunde nicht mehr helfen können - sie nicht ihm und er nicht sie mehr beschützen und stärken kann.

In diesem Moment des Abschieds - die Stelle eröffnet im Johannesevangelium die so genannten Abschiedsreden: Judas, der Jesus verraten wird, ist gerade gegangen, und später werden Jesus und die Jüngerinnen und Jünger zum Ölberg hinausgehen, der Gefangennahme Jesu entgegen - bei diesem letzten Beisammensein nun gibt Jesus sozusagen sein Erbe weiter. Johannes stellt hier die wesentlichen Aussagen, um die es geht, noch einmal zusammen. Gleich zu Beginn steht hier der Kern: das Gebot, zu lieben. Und dabei geht es eben nicht um ein romantisches Geplänkel, sondern um etwas Unerhörtes, Ungewöhnliches. Das soll das Erkennungszeichen sein.

Nicht irgendwelche Schmetterlinge im Bauch sind da gemeint, keine allgemeine Freundlichkeit oder Nettigkeit. Es geht vielmehr darum, anzuerkennen, dass ich nicht aus mir selber bin, sondern immer auf andere angewiesen. Wir werden unserem Menschsein, unserer Herkunft aus Gott, eigentlich nur dort gerecht, wo das In-Beziehung-Sein für uns das Primäre ist und nicht die Selbstbehauptung - und das ist in den realen Verhältnissen unserer Welt - vor 2000 Jahren ebenso wie heute - etwas Unerhörtes und Ungewöhnliches.

Für Jesus ist das aber der Ursprung, die Quelle, aus der er lebt. Die ersten Verse des heutigen Evangeliums zeigen uns das: "Der Menschensohn ist verherrlicht und Gott ist in ihm verherrlicht und wenn Gott in ihm verherrlicht ist, wird auch Gott ihn in sich verherrlichen."

Zunächst wirken diese Sätze verschlüsselt und verschlossen. Was soll das heißen?

Von Aufeinander-bezogen-Sein ist da die Rede, von gegenseitigem Ineinander wird da gesprochen: Gott und der Menschensohn, also Jesus - Jesus und Gott. Wieder ist hier von der innigen Einheit die Rede, in der sich Jesus unverlierbar geborgen weiß und die er den Seinen eröffnet.

"Verherrlichen" - so abgedroschen es für mich klingt, von Liebe zu reden, so schwierig ist für mich dieses für Johannes so zentrale Wort "verherrlicht". Im Lateinischen heißt es "clarificatus" - klar, klar gemacht, höre ich da. Und bei einem Exegeten, Klemens Stock, bin ich auf den Satz gestoßen: "In biblischer Sprache heißt verherrlichen: jemand in seiner wahren Wirklichkeit strahlend und aufleuchtend sichtbar machen." Das hebräische Wort, das Jesus vielleicht selbst verwendet hat, spricht von der Herrlichkeit Gottes - kabod - eigentlich das Wunderbare, das um Gott ist.

In dem Geschehen, in das Jesus nach dem Abschied hineingeht, und dadurch, dass er seinen Weg bis zum Ende geht, wird Jesus in seiner wahren Wirklichkeit sichtbar und darin Gott und Gottes Wahrheit klar gemacht, und beides ist wunderbares, ganzes Leben. Aus diesem Ineinander und Aufeinander-bezogen-Sein entsteht Heil für uns alle; das Heil, dem als Auftrag die unerhörte Herausforderung der Liebe entspricht: Erkennungszeichen, in aller Vorläufigkeit und Bruchstückhaftigkeit.

 

Franz von Assisi "Von der Zurechtweisung der Brüder, die gefehlt haben"

Darum behütet eure Seelen und die Seelen eurer Brüder; denn "furchtbar ist es, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen" (Hebr 10,31). Wenn aber ein Minister einem Bruder etwas befiehlt, was gegen unser Leben oder gegen dessen Seele wäre, dann ist der Bruder nicht verpflichtet, ihm Gehorsam zu leisten. Denn da ist nicht Gehorsam, wo ein Fehler oder eine Sünde begangen wird. Ja, es sollen alle Brüder, die den Ministern und Dienern untergeben sind, mit verständiger Sorgfalt auf das achten, was die Minister und Diener tun. Und wenn sie bemerken, dass einer von ihnen fleischlich wandelt und nicht geistlich, wie es der Rechtheit unseres Lebens entspricht, dann soll dieser dreimal gemahnt werden. Wenn er sich daraufhin nicht bessert, dann sollen sie, ohne sich durch Widerspruch davon abbringen zu lassen, ihn auf dem Pfingstkapitel dem Minister und Diener der gesamten Brüderschaft melden. Und wenn irgendwo unter den Brüdern sich ein Bruder fände, der fleischlich und nicht geistlich wandeln will, dann sollen die Brüder, mit denen er zusammen ist, ihn in Demut und Sorgfalt ermahnen, ihn aufmerksam machen und zurechtweisen. Wenn dieser sich aber nach dreimaliger Ermahnung nicht bessern will, dann sollen sie ihn so bald wie möglich zu ihrem Minister und Diener schicken oder ihn demselben melden. Der Minister und Diener soll mit ihm verfahren, wie es ihm vor Gott besser scheint.

Und hüten sollen sich alle Brüder, sowohl die Minister und Diener als auch die anderen, dass sie wegen der Sünde oder des bösen Beispiels eines anderen nicht in Aufregung oder Zorn geraten; denn der Teufel will durch die Sünde eines einzelnen viele verderben. Vielmehr sollen sie, so gut sie es können, dem, der gesündigt hat, geistliche Hilfe gewähren; denn "nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken" (Mt 9,12). Ebenso soll kein Bruder eine Machtstellung oder ein Herrscheramt innehaben, vor allem nicht unter den Brüdern selbst. Denn, wie der Herr im Evangelium sagt: "Die Fürsten der Völker herrschen über diese, und die Großen lassen sie ihre Macht fühlen" (Mt 20,25), so soll es unter den Brüdern nicht sein, sondern "wer der Größte unter ihnen sein will, der sei ihr Diener" (Mt 20,26-27) und Knecht, und wer der Größere unter ihnen ist, soll werden wie der Geringere (vgl. Lk 22,26).

Und kein Bruder soll einem anderen etwas Böses tun oder etwas Schlechtes sagen. Vielmehr sollen sie in der Liebe des Geistes einander willig dienen und gehorchen. Und das ist der wahre und heilige Gehorsam unseres Herrn Jesus Christus - Und alle Brüder, die von den Geboten des Herrn abweichen und sich außerhalb des Gehorsams in der Welt herumtreiben, wie der Prophet sagt (Ps 119[118],21), die sollen wissen, dass sie verflucht sind außerhalb des Gehorsams, bis sie sich von dieser Sünde freigemacht haben. Und wenn sie ausharren in den Geboten des Herrn, die sie dem heiligen Evangelium und ihrem Leben gemäß versprochen haben, sollen sie wissen, dass sie im wahren Gehorsam stehen und vom Herrn gesegnet sind.

(Aus: Gisbert Greshake/Josef Weismayer (Hg.) "Quellen geistlichen Lebens. Das Mittelalter", Topos Taschenbücher

 

Letztes Update dieser Seite am  16.09.2002 um 14:39 

Pfeil zum Seitenanfang  Startseite "Erfüllte Zeit"   Pfeil zum Seitenanfang Seitenanfang  Pfeil zum Seitenanfang Startseite ORF Religion