Peter Strahammer


Erfüllte Zeit
Sonntag 20. 5. 2001 
7.05 Uhr - 8.00 Uhr
,  Radio Österreich 1

 

"Trostworte an die Jünger" 
(Johannes 14, 23 – 29)
kommentiert von Veronika Prüller-Jagenteufel

Anselm von Canterbury
Heimweh nach dem verborgenen Gut

"Was glauben Sie?" – 
Voest-Direktor Peter Strahammer

Der VOEST-Alpine Stahl-Boss Peter Strahammer hat im Laufe seiner Laufbahn Höhen und Tiefen mitgemacht. Der erfolgreiche Manager musste sich in den Achtziger Jahren unter vielen anderen beim Noricum-Prozess über illegale Waffenlieferungen (GHN 45 Kanonen) in den Irak wegen Neutralitätsverletzung vor Gericht verantworten.

Strahammer hat diesen Fehler eingesehen. Heute gilt er dennoch als einer der erfolgreichsten Manager, der die VOEST-Alpine-Stahl aus der Rezession auf Erfolgskurs gebracht hat.

Der gelernte Jurist ist verheiratet und hat drei Kinder. Seit 1994 leitet er Österreichs größtes Stahlunternehmen. Privat engagiert sich Strahammer caritativ unter anderem im Freundeskreis der Caritas und bei der Initiative "Land der Menschen", die sich um ein besseres Miteinander zwischen Ausländern und Inländern bemüht.

Johannes Kaup fragt ihn, wie er persönliche Werte und Glaubenshaltungen mit dem harten Wirtschaftsbusiness in Einklang bringen kann.

 

Veronika Prüller-Jagenteufel kommentiert das Sonntagsevangelium

Wo es um Liebe geht, versiegen dem einen die Worte und eine andere muss wieder und wieder davon reden. Das Wunderbare, das erlebt und gespürt wird, wird dann in immer neuen Wendungen umkreist und beschrieben. So ähnlich erscheinen mir die Anschnitte aus dem Johannesevangelium, die dieses innige Liebesverhältnis Jesu mit seinem Vater beschreiben, in das wir Menschen eingeladen und mithineingenommen sind. Auch in dem heutigen Textabschnitt begegnet uns das wieder.

Von "lieben" und von "festhalten" hören wir da, von geliebt werden, und: "Wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen." Wer sich an Jesus hält, gerät in den Einzugsbereich dieser innigen und aufregenden Liebe zwischen Jesus und dem, den er seinen Vater nennt – wer sich darauf einlässt und sich daran hält, der und die wird spüren, dass sie von Gott geliebt ist und Gott selbst wird zu ihr kommen und bei ihr wohnen.

Ich habe wieder diesen Worten im Griechischlexikon nachgeblättert: "kommen" – da kann man auch "ankommen" hören und vor allem: "heimkommen". Wenn wir uns an Gott festhalten, dann kehrt Gott zu uns heim. Längst schon sind wir Heimat Gottes und Gottes Eigentum: Wo uns das neu bewusst wird, wo wir dessen inne werden, ist es wie eine Heimkehr – wir zu Gott und Gott zu uns. Und: das wird andauern, denn Gott wird Wohnung nehmen. Im ersten Testament ist das eine wiederholte Zusage und Verheißung an das Volk Israel: Gott wird bei ihnen sein und in ihrer Mitte wohnen. Hier heißt griechische Wort auch "Bleiben" und "Ausharren" – in uns wird Gottes Ausharren sein; wer sich an Jesus hält, bei und in dem und der wird Gott ausharren.

Es ist wirklich eine Sprache der Liebe, die hier spricht – innige Verbundenheit und Vereinigung, mitsamt ihrem Stammeln, denn das tänzerische Ineinander der Liebenden ist mit Worten kaum noch auszudrücken.

Dabei sind die Hymnen der Liebe im Johannesevangelium kein weltentrückter Rausch und nichts Niedlich-Romantisches. Johannes schreibt in einer Zeit, in der die christliche Gemeinde mehrfach bedrängt und bedroht ist. Sie steht in Konflikt mit der Mehrheit der anderen Juden in der Synagoge, wird ausgegrenzt und hinausgedrängt. Und gemeinsam stehen alle Juden und Jüdinnen, auch die der ersten christlichen Gemeinden, in der Unterdrückung durch das römische Weltreich, das diese aufständische Provinz ihre Macht hart spüren lässt.

Bleiben und Ausharren sind in diesem Zusammenhang nicht nur Liebessprache, sondern Begriffe aus dem politischen Widerstand – und das vielleicht genau deshalb, weil sie Worte aus dem Ringen um eine besondere Form der Liebe sind, die zu einem besonderen, offenen, gegenseitigen und achtsamen Miteinander unter den Menschen befähigt.

In der Bedrängnis der Welt brauchen wir dazu einen Beistand – Liebe ebenso wie der Widerstand gegen die Unterdrückungsmechanismen, die auch heute Menschen ausgrenzen und klein halten, Liebe und Widerstand können wir letztlich nicht allein, wir würden dabei wohl ganz schön schnell mutlos werden in der Welt, wie sie ist – in dieser Welt, deren Frieden oft nur Etikettenschwindel ist, wie damals die Pax Romana in Wahrheit "Stillstand aus Angst" hätte heißen müssen oder "klein beigegeben aus Erschöpfung"; "Mund gehalten aus Hunger" – Namen, die vielleicht auch heute der vielgerühmte Friede verdienen würde, den angeblich der freie Markt bringt.

Jesus verheißt einen anderen Frieden, den Frieden, der aus dem kreativen Spiel der Liebe kommt, der aus Verbundenheit entsteht, und den wir dort finden, wo wir uns wirklich einlassen. Dieser Friede ist nicht der, den die Welt gibt, dieser Friede und diese Liebe und dieses Miteinander sind immer wieder bedroht – Jesu eigenes Schicksal bezeugt das. Er hat dennoch Vertrauen , "denn der Vater ist größer als ich". Und er hofft darauf, dass auch die Seinen dieses Vertrauen finden – "damit ihr glaubt, wenn diese geschieht" – und auch dieses Glauben kann Ausharren heißen, Ausharren in der Liebe wie im Widerstand.

 

Anselm von Canterbury
"Heimweh nach dem verborgenen Gut"

Nun sei es, Menschlein, fliehe ein wenig die Beschäftigung mit dem Irdischen, verbirg dich ein wenig vor deinen lärmenden Gedanken, wirf deine lästigen Sorgen weg und setze deine mühseligen Zerstreuungen beiseite! Sei 'ein wenig für Gott da, ruhe dich ein wenig in ihm aus! Gehe in das Gemach deines Geistes hinein, schließe alles aus außer Gott und dem, was dir ihn suchen hilft! Suche ihn bei verschlossener Türe und sag' ihm aus ganzem Herzen, sage zu Gott: "Ich suche dein Angesicht; dein Angesicht, Herr, suche ich auf!"

Wohlan denn Herr, mein Gott, lehre mein Herz, wo und wie es dich suchen, wo und wie es dich finden mag! Herr, wenn du nicht hier bist - wo soll ich dich in deiner Abwesenheit suchen? Wenn du aber überall bist - warum sehe ich dich nicht gegenwärtig? Freilich, du wohnest in einem unzugänglichen Lichte! ...Ich habe dich, Herr mein Gott, noch nie gesehen, dein Angesicht kenne ich nicht. Was soll, erhabener Gott, dieser dein weit Verbannter? Was soll dein von Liebe zu dir bekümmerter, weit von deinem Antlitz verworfener Knecht? Atemvoll rennt er, dich zu sehen - aber dein Angesicht ist für ihn allzu ferne. Er sehnt sich, zu dir hinzutreten -und deine Wohnung ist unzugänglich. Er wünscht dich zu finden - und kennt deinen Ort nicht. Er strebt dich zu suchen -und kennt nicht dein Angesicht. Herr, mein Gott und mein Herr bist du, und noch nie habe ich dich gesehen! Du schufst mich und du schufst mich neu, und alles was ich Gutes habe, hast du mir verliehen -und noch kenne ich dich nicht! Ich bin erschaffen, dass ich dich sehen soll, und noch nie erreichte ich das, weswegen ich doch geschaffen bin.

Herr, ich bekenne und danke dir, dass du mich nach deinem Ebenbilde erschaffen, damit ich deiner eingedenk sei und dich liebe. Aber es ist so von Sünden zerstört und aufgerieben, so dunkel vom Rauch der Sünden, dass es nicht tun kann, wozu es gemacht ist, es sei denn, du erneuerst und schaffest es um. Ich versuche nicht, Herr, zu deiner Höhe zu dringen, weil mein Verstand mit ihr in keinen Vergleich zu bringen ist; ich wünsche nur einigermaßen deine Wahrheit zu begreifen, die mein Herz glaubt und liebt. Denn ich suche nicht zu begreifen um zu glauben, sondern ich glaube, um zu begreifen.

Das Licht, in dem du wohnst - ich sehe es in Wahrheit nicht: es ist zu groß. Und doch sehe ich alles, was ich sehe, durch dasselbe, wie das schwache Auge alles, was es sieht, mittels des Sonnenlichtes sieht, das es in der Sonne selbst nicht anschauen kann. Mein Begreifen kann sich ihm nicht nahen, denn sein Glanz ist zu groß ... es prallt zurück.

O höchstes, unnahbares Licht, o heilige, selige Wahrheit, die du weit von mir bist, während ich dir so nahe bin! Wie entfernt bist du meinem Blicke, während ich so gegenwärtig deinem Blicke bin! Überall bist du ganz gegenwärtig -und ich sehe dich nicht. In dir bewege ich mich, in dir bin ich - und zu dir kann ich nicht treten. In mir und um mich bist du - und ich empfinde dich nicht.

So ermuntere dich denn, meine Seele, und richte dein ganzes Verständnis empor und denke, wie groß, wie beschaffen und welches dies Gut sei! Denn wenn jedes einzelne Gut ergötzlich ist, so bedenke, wie ergötzlich jenes Gut sein muss, in dem enthalten sind alle Güter und aller Güter Lieblichkeit. Nicht wie wir es in den Geschöpfen erfahren, sondern ganz anders, nach einem Unterschied, der so groß ist wie der Unterschied zwischen Geschöpf und Schöpfer. Denn wenn das erschaffene Leben gut ist, wie gut ist dann das schöpferische Leben! Und wenn das bereitete Heil lieblich ist, wie lieblich ist dann das Heil, das alles Heil bereitet hat!... Warum also, Menschlein, schweifst du weit umher, indem du Güter suchst für deine Seele und deinen Leib? Liebe das eine Gut, in dem alles Gut ist, so ist es genug! Sehne dich nach dem einfachen Gute, das alles Gute ist, und es ist genug.

Otto Karrer, "Der mystische Strom", Otto Müller Verlag

 

Letztes Update dieser Seite am  19.11.2002 um 11:05 

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