Rabbinerin Eveline Goodman-Thau


Erfüllte Zeit
Sonntag 27. 5. 2001 
7.05 Uhr - 8.00 Uhr
,  Radio Österreich 1

 

"Jesu Fürbitte für alle Glaubenden" 
(Johannes 17, 20 – 26)
Das Sonntagsevangelium kommentiert 
Veronika Prüller-Jagenteufel

Augustinus

"Neues Licht" – Ein Porträt der jüdischen Reformbewegung Or Chadasch
Die erste in Österreich tätige Rabbinerin hat vor kurzem in Wien ihre Tätigkeit aufgenommen - möglich gemacht hat das die Bewegung "Or Chadasch". Der Name bedeutet so viel wie "Neues Licht".

Hinter dieser Bezeichnung steht eine kleine aber engagierte Gruppe, die sich der Pflege des liberalen Judentums widmet, sie besteht seit dem Jahr 1990. Im Mittelpunkt der Aktivitäten stehen Gottesdienstfeier, Lernen und soziales Handeln, wichtig sind aktive Beteiligung der Mitglieder, Kreativität und eine nicht-hierarchische Atmosphäre. Ziel der Bewegung ist es laut Selbstdefinition, ein "aufgeklärtes, tolerantes, zeitgemäßes und dennoch in weiten Bereichen traditionelles Judentum" zu leben. Beheimatet ist Or Chadasch in Wien-Leopoldstadt.

Anlässlich des jüdischen Wochenfestes Schawuot zeichnet die Reihe "Erfüllte Zeit" ein Porträt dieser liberalen jüdischen Gruppe, die laut Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg nicht voll in die traditionelle jüdische Gemeinde Wiens integriert ist, die aber trotzdem zu einem fixen Bestandteil der religiösen Landschaft in Wien geworden ist.

Gestaltung: Brigitte Krautgartner

Kontaktadresse:
Or Chadasch, 1020 Wien, Haidgasse 1
Tel: 9671329, e-mail: orchadasch@hotmail.com

Buchtipps:
Eveline Goodman-Thau/christoph Schulte (Hg.) "Die Lichter der Tora", Akademie Verlag
Eveline Goodman-Thau/Michael Daxner (Hg.) "Bruch und Kontinuität. Jüdisches Denken in der europäischen Geistesgeschichte", Akademie Verlag
Eveline Goodman-Thau/Richard Faber/Thomas Macho (Hg.) "Abendländische Eschatologie", Königshausen und Neumann

Veronika Prüller-Jagenteufel kommentiert das Sonntagsevangelium

Das Einssein und die Liebe von Jesus Christus und dem, den er seinen Vater nennt, diese besondere Form von Gemeinschaft, in die Jesu Jüngerinnen und Jünger und nach ihnen alle Menschen eingeladen und mit hineingenommen sind und deren Wiederschein in ihrem Miteinander in der Welt zum Erkennungszeichen für Gottes Liebe werden soll – diese Themen der letzten Sonntage werden heute noch einmal hervorgehoben.

Die so genannten Abschiedsreden Jesu, die als eine Art Zusammenfassung der Botschaft Jesu im Johannesevangelium stehen, sie enden mit der Stelle, die wir eben gehört haben; das, was Jesus wichtig ist, erreicht hier einen Gipfelpunkt, ist ganz konzentriert.

Und: Die Stelle ist ein Gebet. Hier redet Jesus hier nicht mehr zu seinen Jüngerinnen und Jüngern als ihr Lehrer, sondern er ist ein Betender, einer, der seine Beziehung zu Gott öffnet für die, für die er bittet. Vielleicht ist das ein erstes, was wir uns heute mitnehmen können: Wenn wir versuchen, einander so zu lieben, wie Jesus seinen Vater und wie Gott ihn, dann sollten wir einander nicht nur lehren, sondern füreinander beten, also unsere Gottesbeziehung öffnen für andere, sie ihnen quasi zur Verfügung stellen.

Indem Jesus für die Seinen betet, realisiert er gewissermaßen, wovon er zu ihnen gesprochen hat: dass sie mithineingenommen sind in die innige Verbundenheit und Liebe zwischen ihm und seinem Vater. Und Jesus bittet nicht nur darum, dass sie das spüren können, jede und jeder für sich, sondern dass das auch unter ihnen, in ihrem Miteinander in dieser Welt spürbare Wirklichkeit sei, die auf die Welt wirkt.

Der brasilianische Befreiungstheologe Leonardo Boff hat den Satz geprägt: Die Trinität ist unser Sozialprogramm. Diese großartige Erkenntnis des Christentums, dass Gott kein Monolith ist, sondern in sich bereits eine mehrgestaltige, dynamische, lebendige Gemeinschaft, eine Einheit aus Verschiedenem – was die Theologie in der Lehre von der Dreifaltigkeit oder Trinität zu beschreiben versucht – die großartige Erkenntnis vom Gott, der Beziehung ist, die beinhaltet auch die Vision, das wir Menschen so miteinander umgehen, dass dieser beziehungsreiche Gott als unser Grund und Ursprung sichtbar wird. Eine solche Vision eignet sich als Sozialprogramm, denn es ist die Vision von einem Zusammenleben, in dem Gemeinschaft und Einheit die Einzigartigkeit und Verschiedenheit der Teile nicht einebnen, sondern schützen, pflegen, zum Tragen und zur Entfaltung bringen. Nicht Anpassung, sondern Rücksichtnahme und Wertschätzung sind dabei gefragt, nicht Selbstbehauptung, sondern Einsicht in die Verbundenheit. Wie schnell sind wir dabei, uns und andere Menschen in oben und unten, überlegen und unterlegen, besser und schlechter einzuteilen – wie viel lebendiger wäre es, als Verschiedene ohne Hierarchie, dafür in Gegenseitigkeit zu leben, einander gleichwertig.

Diese große Vision ist uralt und immer wieder neu. Dass wir Menschen aus unseren Kräften dabei auch immer wieder scheitern, zeigt nicht zuletzt die Geschichte einer zersplitterten Christenheit. Die Bitte Jesu, dass die Seinen eins seien, ist eine Bibelstelle, die im Zusammenhang mit Ökumene oft zitiert wird als Hinweis darauf, dass wir von Jesus her verpflichtet sind, zur Einheit der Kirchen zu gelangen, uns wenigstens darum zu bemühen. Aber auch hier kann es nun nicht darum gehen, eine uniforme Einheitskirche zu bilden, die auf der ganzen Welt dieselben Formen hat und dieselben Formeln verwendet. Ich sehe eher die Verpflichtung zu einer Ökumene, die die Vielfalt und den Reichtum der unterschiedlichen christlichen Traditionen aufnimmt, bewahrt, schützt, fördert und zur Entfaltung bringt. Wie es ja auch innerhalb einer christlichen Kirche nicht darum gehen kann, Uniformität zu erzeugen, sondern die verschiedenen Zugänge zum Glauben und die verschiedenen Formen, Glauben zu leben, zur gegenseitigen Bereicherung werden zu lassen.

Und vielleicht ist es dabei in der Ökumene wie in der Gesellschaft und in zwischenmenschlichen Beziehungen wichtig, einander nicht nur zu lehren, nicht nur zueinander zu sprechen, sondern füreinander zu beten – unsere eigene Beziehung zu Gott zu öffnen, so dass Gottes eigener Beziehungsreichtum uns gemeinschaftsfähig machen kann.

Erkennungszeichen für die Welt ist nicht Gleichförmigkeit, sondern die Liebe zueinander, die sich am anderen freut, gerade auch dort, wo er oder sie anders ist als ich oder wir. Ein visionäres Sozialprogramm – Auftrag und Verheißung.

 

Augustinus
MARIAS GABE

Die Freude des menschlichen Herzens über das Licht der Wahrheit, über den Reichtum der Weisheit, diese Freude eines edlen menschlichen, reinen Herzens - o es gibt keine Lust der Sinne, die mit dieser irgend zu vergleichen wäre. Sie ist von ganz anderer Gattung, etwas ganz Andersartiges. Was war die Freude der Maria, was aß und trank sie mit der heißen Inbrunst ihres Herzens? Heilige Wahrheit. An der Wahrheit freute sie sich, der Wahrheit lauschte sie, der Wahrheit öffnete sie den Mund, nach der Wahrheit seufzte sie, an der Wahrheit sättigte sich ihr Hunger und Durst. Und sie wurde erquickt, ohne dass, was sie genoss, vermindert wurde.

Einst, da (Monika und ich) zusammen redeten und Verlangen trugen (nach der Schau der ewigen Wahrheit), siehe da berührten wir sie leise in einem Augenblick der höchsten inneren Erhebung. Und wir seufzten auf und ließen die Erstlinge des Geistes gefesselt, um wieder niederzukehren zur Erde, die Anfang und Ende haben.

Zuweilen nur, o Gott, versetzest du mich in meinem Innern in solchen Zustand außergewöhnlicher Art bis zu unfassbarer Seligkeit, die, wenn sie zur Vollendung käme, etwas ganz Unbeschreibliches wäre, alles Leben hinter sich lassend. Zeitweilen nur - dann falle ich unter dem Gewicht der Mühen dieses Lebens wieder zurück in dieses irdische Dasein. Der gewohnte Tag verschlingt mich wieder. Ich bin gebunden. Meine Tränen stürzen. Aber die Bande ziehen sich fester. So furchtbar drückt uns nieder die Last des Gewohnten. Hier muss ich sein und will es nicht. Dort möchte ich sein und kann es nicht. Elend dort und hier. - Und doch bist du, mein Gott, das Leben meiner Seele, das Leben des Lebens - dich selbst lebend, ohne Wandel, Leben meiner Seele!

Hielte jener Zustand an und würden alle irdischen Bilder schwinden und nur das eine den Verzückten hinreißen und in sich hineinziehen und in des Herzens Wonne sich ihm einigen im Gleichnis ewigen Lebens -wäre dies nicht der Augenblick, von dem geschrieben steht: "Geh ein in die Freude deines Herrn" ? Ein wenig Gott berühren mit dem Herzen, ist schon große Seligkeit. Ihn fassen aber - ganz unmöglich. Wie sollte das innere Auge Gott fassen? Genug, dass es ihn berührt, wenn es rein ist. ...Selig wird der Mensch, indem er im Herzen das berührt, was immer selig ist, weil es selber die ewige Seligkeit ist - wovon der Mensch lebt, weil es selber das ewige Leben ist - wovon der Mensch weise wird, weil es ist vollkommene Weisheit – wovon er erleuchtet wird, weil es ist ewiges Licht.

Aus: Otto Karrer "Der mystische Strom – Von Paulus bis Pascal", Otto Müller Verlag

 

Letztes Update dieser Seite am  29.11.2002 um 15:37 

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