Erfüllte Zeit
Sonntag 3. 6. 2001 
7.05 Uhr - 8.00 Uhr
,  Radio Österreich 1

 

"Die Beauftragung der Jünger" 
(Johannes 20, 19 - 23)
Das Feiertagsevangelium kommentiert 
Pater Leo Wallner SJ

 

Franz von Sales
"Überlasst euch der Fürsorge Gottes"

Treffpunkt Ökumene: 
"Der Geist braucht viele Sprachen"

"Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden". So beschreibt die Bibel das Pfingstereignis, jenen bedeutsamen Wendepunkt, an dem die Jünger nach dem Tod Jesu ihre Angst ablegten und hinausgingen, um die frohe Botschaft allen zu verkündigen.

Dass der Geist viele Sprachen spricht, ist also biblisch belegt. Dass der Geist viele Sprachen braucht ist die zentrale These des Treffpunkt Ökumene am Pfingstsonntag. Vertreter der verschiedensten christlichen Traditionen gehen dabei einerseits der Frage nach, was "Geist Gottes" heute bedeuten kann. Dabei sollen auch persönliche Erfahrungen zur Sprache kommen.

Ein weiteres Thema: die Vielzahl der christlichen Kirchen stellt nicht nur einen Stachel im Fleisch sondern auch einen Reichtum dar. "Vielfalt und Verschiedenartigkeit gehören zur Einheit, ja sie machen Einheit überhaupt erst möglich", erklärt der Methodistenpastor Wilfried Nausner, einer der Podiumsdiskutanten.

Gestaltung: Brigitte Krautgartner

 

EMPFANGT HEILIGEN GEIST!

Ich finde es schön und mutig von den Liturgikern, dass sie uns am Pfingstsonntag - am fünfzigsten Tag nach Ostern also! - mit dem Johannesevangelium einfach an den Abend des Ostersonntags zurückversetzen und so unser gewohntes Kirchenjahrschema aufbrechen! Sie führen uns damit auf das Wesentliche hin, das jeder Evangelist auf seine ganz besondere Weise sichtbar machen will: Lukas in der uns geläufigen Chronologie mit einer Art Priesterseminar oder Noviziat der Jünger und Jüngerinnen Jesu hinter verschlossenen Türen, an einem Ort versammelt, wo Jesus selbst ihnen vierzig Tage lang bis zu seiner Himmelfahrt sozusagen Exerzitien gibt; und danach, um die sieben Wochen voll zu machen, die Pfingstnovene des betenden Wartens auf die Entbindung des Geistes am fünfzigsten Tag, am heutigen Pfingsttag, der sie dann hinaustreiben wird in die Verkündigung und Pastoral...

Aber auch dann bedarf es ja noch einmal eines Anstoßes - mit der Verfolgung nach dem Tod des Stephanus -, dass sie Jerusalem verlassen und das Evangelium wirklich in alle Welt tragen! Die Apostelgeschichte des Lukas will gerade das darstellen.

Dem steht nun das Johannesevangelium mit einer ganz anderen Konzeption gegenüber: da braucht es keine Himmelfahrt und kein Pfingstfest, ja strenggenommen geschieht alles schon am Karfreitag und wird dann am Ostertag offenbar: für Johannes ist in der Erhöhung Jesu am Kreuz schon seine siegreiche Erhöhung zur Rechten des Vaters gegeben, ist der Tod durch das Leben ein für allemal überwunden! So haben es auch die Kirchenväter oft gesehen: Die Kirche wird nicht erst zu Pfingsten geboren, sie entspringt bereits am Karfreitag aus dem Herzen des sterbenden Herrn.

Warum aber nun heute am Pfingstsonntag das Evangelium vom Ostersonntag? Weil die johanneische Osterbotschaft vom Heiligen Geist eine ganz wichtige Ergänzung der Pfingstbotschaft des Lukas bedeutet: So wie der Sterbende am Kreuz nach dem Wort "Es ist vollbracht!" "seinen Geist aufgab" - genauer: "übergab" -, so wird diese Übergabe des Geistes erst vom Auferstandenen offenbar gemacht: "Er hauchte sie an und sprach zu ihnen: Empfangt heiligen Geist!..."

Mit diesem "Geist-Hauch" schlägt das Johannesevangelium einen kühnen Bogen zurück, über die ganze Offenbarungsgeschichte hinweg, an den Anfang der Bibel und dieser Geschichte, zum Schöpfergott selbst - in einer den Glauben an den einen Gott ungeheuer herausfordernden Parallele. Dort hat es ja geheißen: "Dann bildete Jahwe Gott den Menschen aus Staub von dem Erdboden und blies in seine Nase einen Lebenshauch. So wurde der Mensch ein lebend(ig)es Wesen" (Gen 2,7). Und nicht weniger will nun Johannes sagen: Der Auferstandene als der in Ewigkeit fleischgewordene Logos Gottes schafft die Seinen neu mit dem Atem seines neuen und endgültigen Lebens, gibt und übergibt ihnen seinen schöpferischen Geist, damit er sie belebe und bewege durch die Jahrhunderte und Jahrtausende hin bis zum Ende der Tage...

"Labete pneuma agion - Empfangt, nehmt hin und nehmt an heiligen Geist, heiligen Lebensatem!" Wozu aber? Das ist nun das eigentlich Aufregende: Eben nicht etwa für die großen Kriegstaten, zu denen der Geist Gottes im Ersten Testament einen Josua, einen Gideon, einen Simson antreibt - zum Kampf, zum Kampf gegen die Feinde, zur "Erlösung" aus der Not für einen durch die Vernichtung der anderen! Das war die Weise, auf die Gott - so menschlich muss man das wohl sehen! - immer wieder das Vertrauen, den Glauben seines Volkes zu gewinnen suchte!

Jetzt aber, bei Jesus und seinen Jüngern, ist das neu und anders: auch hier ist die Geistgabe mit einem Auftrag verbunden: mit dem - wirklich schöpferischen - Auftrag zur Versöhnung, zur Verzeihung, zur Sündenvergebung! Und das gerade von dem, der den Seinen eben noch die Wundmale seiner Kreuzigung und seines Todes gezeigt hat, und der doch allen Grund hätte, jetzt Rache zu üben, Gottes Rache zu vollziehen an denen, die Gottes Sohn getötet haben: an Pilatus und seinen korrupten Kollaborateuren! Nichts davon! Im Gegenteil: "Wem ihr die Sünden erlaßt, denen sind sie erlassen!" Das ist der Auftrag, derselbe, den schon einmal Petrus gehört hat: "Wie oft muß ich meinem Bruder vergeben? vielleicht siebenmal?" "Nein! Siebenmalsiebzigmal!" Auftrag und, auch Vollmacht zur Sündenvergebung! "Wie auch wir vergeben unseren Schuldigern!" "Wem ihr die Sünden vergebt, denen sind sie vergeben" - dh.: "denen vergibt auch Gott!" Vollmacht nicht nur für die Apostel und ihre Amtsnachfolger, die Bischöfe und Priester, im Bußsakrament, sondern zugleich Vollmacht und Auftrag an alle Christen und Christinnen zu Vergebung und Versöhnung, zum Friedensdienst, zum schöpferischen Angebot eines neuen Anfangs! Darum gleich die Warnung hinterdrein: "Wem ihr diese Vergebung verweigert" (so jetzt die Einheitsübersetzung!), "dem ist sie verweigert", das heißt: bei dem tragt ihr dann unter Umständen die Verantwortung dafür, dass er sich verschließt gegen Gott und seinen Frieden, dass er der Kirche den Rücken kehrt und dem Gott, den die Kirche verkündet, nicht mehr glauben kann...!

Darum also: Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch mit dem Auftrag, der Botschaft und der Vollmacht zum Friedenstiften, wo immer es Unfrieden, Unversöhnlichkeit gibt! Alle Gnadengaben, die in der Kirche Jesu Christi so gegensätzliche Gruppen zusammenführen wie Juden und Griechen, Sklaven und Freie, alle diese Gnadengaben - die Lehre und die Prophetie, die Caritas und die Unterscheidung der Geister -, alle fließen sie zusammen in dieser einen Gabe und Ermächtigung zur Versöhnung und zum Frieden!

 

Franz von Sales
ÜBERLASST EUCH DER FÜRSORGE GOTTES!

Das erste, das ich vorhabe, euch zu geben, heißt: Ich will mich Gott hingeben, wie er sich mir ganz hingibt.

1. Betrachtet die Taube: Sie hat nur das eine Verlangen, alles für den Tauber zu tun: Sie denkt nicht an sich; sie weiß nur das eine: "Mein Geliebter ist ganz mein und ich bin ganz sein" (Hld 2,16; 6,2; 7,10), er denkt stets an mich und ich verlasse mich auf ihn. Ich bin seiner sicher. Mag er fliegen, wohin er will, ich glaube an seine Liebe und Treue, ich überlasse mich ganz seiner sorgenden Liebe. Vielleicht habt ihr gesehen, wenn auch nicht beachtet, dass die Taube, wenn sie brütet, nie die Eier verlässt, bevor die Jungen ausgeschlüpft sind. Auch dann fliegt sie noch nicht vom Nest fort, sondern betreut die Jungen, solange sie es nötig haben. Sie holt nicht einmal für sich selber Futter, sondern überlässt diese Aufgabe dem Männchen, das sie treulich umsorgt, ihr nicht nur Körner, sondern auch Wasser im Schnabel bringt, damit sie nicht verdurstet; es nimmt sich rührend um sie an, damit ihr ja nichts abgehe. Es ist auch noch nie vorgekommen, dass eine Taube während der Brutzeit verhungert ist. Die Taube tut also alles dem Tauber zuliebe: Sie brütet die Eier aus und zieht die Jungen auf, während der Tauber seinerseits die Taube versorgt, die ihm alle Sorge um sie überlässt. Sie will nichts weiter, als ihm gefallen; er will nichts weiter, als sie versorgen.

Dieses erste Gesetz, alles nur für Gott zu tun und ihm alle Sorge für uns zu überlassen, ist ebenso schön wie wertvoll für uns. Es gilt nicht nur für das zeitliche Leben - hier ist es für uns ja eine Selbstverständlichkeit -, sondern auch für das geistliche Leben, für den Fortschritt der Seele in der Vollkommenheit.

Seht, die Taube entfernt sich nicht von den Eiern, sie tut nur das, was der Tauber von ihr will, und der Tauber lohnt es ihr, indem er für sie sorgt, so dass ihr nichts abgeht. - Wollten wir es doch auch so machen und alles für den Heiligen Geist, den Geliebten unserer Seele tun, wie glücklich könnten wir dann sein! Er würde so gut für uns sorgen; ja, je vertrauensvoller wir uns seiner Fürsorge überließen, desto aufmerksamer würde er uns mit allem versorgen, wessen wir bedürfen. Wir bräuchten keine Angst zu haben, dass uns je etwas abginge, er liebt ja mit unendlicher Liebe die Seele, die sich ihm ganz überlässt. -Die Taube, die ihren Tauber für sich sorgen lässt, lebt so glücklich, friedlich und ruhig dahin. Aber tausendmal glücklicher ist die Seele, die den Heiligen Geist für sie und für alles, was sie braucht, sorgen lässt, sie ist nur von dem einen Gedanken beseelt, dem Geliebten ihrer Seele zu gefallen, indem sie seine Gaben hütet und mit ihnen wirkt. Schon hier auf Erden wird ihr eine so köstliche Ruhe und Stille zuteil, wie sie die Welt nie geben könnte, ein Friede, der ein Vorgeschmack jenes Friedens im Himmel ist, wo sie in bräutlicher Umarmung die ganze Wonne der Vereinigung mit ihrem Gott genießen wird.

2. Die Taube brütet auf den Eiern, bis die Jungen ausgeschlüpft sind. So müssen auch wir unsere Vorsätze hüten und warm halten, bis sie ihre Wirkungen zeitigen ...Dabei wollen wir aber den Tauben gleich auf unsern Eiern bleiben, d. h. uns mit den Mitteln begnügen, die uns für unsere Vervollkommnung vorgeschrieben sind, und alles Sorgen um uns dem Heiligen Geiste, dem einzig Geliebten unserer Seele überlassen, der nicht zulassen wird, dass uns etwas von dem abgehe, was notwendig ist, um ihm wohlzugefallen. Wie traurig ist es, Seelen zu sehen, -und leider gibt es deren viele, - die nach Vollkommenheit streben wollen, es aber für das Wichtigste halten, recht viele und vielerlei Wünsche zu hegen. So fahnden sie nach allen möglichen Mitteln, versuchen bald dies, bald das, sind immer unzufrieden und kommen nie zur Ruhe. Kaum haben sie einen Wunsch, so lassen sie ihn auch schon wieder fallen und greifen einen anderen auf. - Die Hennen legen ein Ei nach dem andern, brüten keines aus und so bekommen sie keine Küchlein. Die Tauben hingegen brüten ihre Eier aus und versorgen die Jungen, bis sie flügge sind und sich ihr Futter selber holen können. Und haben die Hennen einmal Küchlein, dann tun sie ganz aufgeregt und glucksen und lärmen einem fort, während die Tauben sich ruhig und still verhalten, nicht gurren und nicht herumflattern. - So gibt es auch Menschen, die bei jedem ihrer Vorsätze ein großes Getue machen, ihn jedermann sagen müssen und jeden Nächstbesten fragen, ob er nicht neue Mittel wisse, um heilig zu werden. Kurz, vor lauter Reden über die Mittel zur Vollkommenheit vergessen sie ganz auf das wichtigste aller Mittel: Still sein und auf ihn sein ganzes Vertrauen werfen,. der allein dem, was sie angebaut und gepflanzt haben, das Gedeihen geben kann (1 Kor 3, 6f).

3. Alles Gute in uns hängt von Gottes Gnade ab, auf sie müssen wir daher auch unser ganzes Vertrauen setzen. Menschen aber, die immer in fiebriger Hast sind, um soviel als möglich zu leisten, scheinen mehr auf ihre eigene Arbeit und auf diese vielen Übungen zu bauen. Sie glauben nie genug getan zu haben - und damit haben sie eigentlich recht, nur dürfen sie dabei nicht die Ruhe verlieren, müssen alles mit recht liebevoller und gewissenhafter Sorgfalt tun und dabei immer von der Gnade und nicht von den Übungen und deren Erfolg abhängig bleiben, d.h. nicht den Erfolg von ihrer Arbeit allein, ohne Gottes Gnade, erhoffen.

Seelen, die auf der Suche nach Vollkommenheit so geschäftig tun, scheinen nicht zu wissen oder vergessen zu haben, was ihnen der Prophet Jeremia zuruft: "Du armer Mensch, du rühmst dich deiner Arbeit und deines Fleißes. Weißt du nicht, dass du wohl den Acker bestellen, pflügen und die Saat ausstreuen sollst, dass aber Gott den Pflanzen das Wachstum gibt, dass ihm der befruchtende Regen und die reiche Ernte zu verdanken ist? Du magst wohl die Pflanzen begießen, es wird dir aber nichts nützen, wenn Gott nicht deiner Arbeit seinen Segen gibt. So verdankst du die Ernte nicht deinem Schweiße, sondern seiner Güte; von ihr musst du dich also ganz abhängig fühlen" (Jer 5,24; 9,23; 12, 13).

Aus: Gisbert Greshake und Josef Weismayer; "Quellen geistlichen Lebens" – Band III: Die Neuzeit; Matthias-Grünewald-Verlag Mainz

 

Letztes Update dieser Seite am  19.08.2002 um 15:52 

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