Dr. Peter Gathmann

Edith Stein


Erfüllte Zeit
Donnerstag 14. 6. 2001 
7.05 Uhr - 8.00 Uhr
,  Radio Österreich 1

 

"Die Rückkehr der Jünger und die Speisung der Fünftausend" (Lukas 9, 11 - 17) 
Das Feiertagsevangelium kommentiert 
Bischof Richard Weberberger

 

Edith Stein "Leer- und Stillwerden"

 

"Was glauben Sie?" - 
Univ. Prof. Dr. Peter Gathmann

Der Wiener Psychiater Peter Gathmann kam am 8.1.1943 als Sohn einer seit 1850 in Venezuela ansässigen Kaufmannsfamilie zur Welt. Er wuchs in einem mehrsprachigen (Spanisch, Deutsch, Englisch) Haushalt auf. Als Fünfzehnjähriger fasste Gathmann den Entschluss, Psychotherapeut zu werden. Nach Schulabschluss in Caracas veranlasste er seine Eltern, ihn zum Studium nach Wien reisen zu lassen. In Wien wurde ihm bewusst, dass es zum Erreichen des Zieles "Psychotherapeut" zweckmäßig ist, das Medizinstudium zu absolvieren. Dies fand bis Herbst 1971 statt. Seine Studienjahre waren bewegt: parallel zur Medizin Studien der Theologie und Philosophie; Sprachperfektionierung; Reisen durch Europa; Mitfinanzierung des Studiums durch Französisch-, Spanisch- und Gitarrenstunden. Ab der Promotion, 1972, gastärztliche Dauertätigkeit an der psychosomat. Abteilung. Seit 1979 ist er leitender Oberarzt der Psychosomatischen Station der Psychiatrischen Universitätsklinik (AKH). Zahlreiche wissenschaftliche Artikel, Bücher und Vorträge - Frucht seiner intensiven Forschungstätigkeit - kennzeichnen seinen Werdegang als Spezialist für Psychosomatische Medizin. Zuletzt erschien sein Buch mit dem Titel "Der verwundete Heiler" im Kösel-Verlag. Seit 1997 ist Peter Gathmann a.o. Universitätsprofessor für Psychosomatik an der Universität Wien.

In der Reihe "Was glauben sie?" erzählt Peter Gathmann, welche persönlichen Werte und Lebenserhaltung ihn auf seinem Berufsweg Orientierung geben.

Gestaltung: Johannes Kaup

Buchtipp:
Prof. Dr. Peter Gathmann "Der verwundete Arzt", Kösel-Verlag

 

Bischof Richard Weberberger

Der große Traum ist verwirklicht, das Wunder des Teilens. Alle aßen und wurden satt - nicht dick. Wichtig ist: alle. Niemand ist ausgeschlossen, niemand übersehen.

Satt, zufrieden. Sie hatten genug, hatten das, was sie brauchten.

Jesus verwirklicht einen großen Traum der Menschheit, den Traum vom Teilen und Austeilen an diejenigen, die das Brot nicht haben.

Das Brotvermehrungswunder findet sich in allen vier Evangelien. Also ist es sehr wichtig, auch wenn jeder Evangelist eigene Nuancen einbringt.

Die Zwölf sagen, schickt die Menschen weg, dass sie sich etwas holen, denn hier gibt es nichts. Eines der Argumente, wenn wir nicht geben wollen: Hier gibt es nicht genug. Wir haben ja auch nicht so viel. Aber Jesus sagt: Gebt ihr ihnen zu essen. Als wollte er sagen: Ihr habt ja genug, ihr müsst nur die Initiative ergreifen und etwas tun.

Wir haben ja "nur" 5 Brote und 2 Fische. Die Apostel denken ans Kaufen und Jesus denkt ans Geben und Teilen. Das ist der Unterschied. Wir glauben auch, alles kaufen zu können. Manchmal möchten wir alles (viel kaufen) und vergessen, dass alles Große Geschenke sind (die Liebe) und eben nicht kaufbar ist. Die Wirtscharts- und Sozialpolitik Jesu bringt eine andere Dimension ins Spiel: geben und teilen.

Dann sagt Jesus: Sie sollen sich in Gruppen setzen. Mit einer Masse lässt sich nichts tun. Die lässt sich höchstens manipulieren. Und die Individuen, die sich abschließen, lassen sich nicht beschenken, schauen nur auf sich, sind so auf sich gestellt. Es geht darum, Gemeinschaft zu schaffen. Wenn sich die Menschen organisieren, kann man ihnen helfen.

Durch die heutige liturgische Feier des Fronleichnamsrestes gewinnt dieses Evangelium noch eine neue, andere, größere Dimension, einen tieferen Sinn: Das Brot, das uns in der Messe gegeben wird, ist das Brot des Herrn, Brot vom Himmel. Der Traum des Teilens wird Wirklichkeit in der Eucharistie. Alle bekommen den Leib des Herrn, die gleiche Hostie. Alle lassen sich beschenken und das allen gegebene Brot schafft wahre Gemeinschaft. Hier verwirklicht sich der Traum der Gleichheit: Alle wurden satt. Jesus sättigt uns. Er selber ist die Speise, die wir brauchen, die uns stärkt auf den Wegen des Lebens.

Diesen Leib des Herrn tragen wir einmal im Jahr zum Anschauen und Anbeten in die Öffentlichkeit als Bekenntnis und als Einladung. Er macht alle satt. Er stillt die vielen Sehnsüchte der Menschen nach Liebe und Gemeinschaft.

Die Brotvermehrung des Evangeliums ist Auftrag an uns, dass wir dieses Wunder auch heute in ähnlicher Weise an unseren Mitmenschen vollziehen. Und sie ist ein Zeichen für jene Brotvermehrung, die uns jedes Mal in der Eucharistischen Feier geschenkt wird: das Brot vom Himmel, das Jesus selber ist und das uns in der Heiligen Kommunion gegeben wird als Zeichen der Liebe und der Gemeinschaft mit ihm und den Mitmenschen.

 

Edith Stein "Leer- und Stillwerden"
Wenn wir morgens erwachen, wollen sich schon die Pflichten und Sorgen
des Tages um uns drängen (falls sie nicht schon die Nachtruhe vertrieben haben). Da steigt die unruhige Frage auf: Wie soll das alles in einem Tag untergebracht werden? Wann werde ich dies, wann jenes tun? Und wie soll ich dies und das in Angriff nehmen? Man möchte wie gehetzt auffahren und losstürmen. Da heißt es die Zügel in die Hand nehmen und sagen:

Gemach! Von alledem darf jetzt gar nichts an mich heran. Meine erste Morgenstunde gehört dem Herrn. Das Tagewerk, das Er mir aufträgt, das will ich in Angriff nehmen, und Er wird mir die Kraft geben, es zu vollbringen.

So will ich hintreten zum Altar Gottes. Hier handelt es sich nicht um mich und meine winzig kleinen Angelegenheiten, sondern um das große Versöhnungsopfer. Ich darf daran teilnehmen, mich reinwaschen und froh machen lassen und mich mit allem meinem Tun und Leiden bei der Opferung mit auf den Altar legen. Und wenn der Herr dann zu mir kommt in der hl. Kommunion, dann darf ich Ihn fragen: "Was begehrst Du, Herr, von mir?" (hl. Teresia) Und was ich nach stiller Zwiesprache als nächste Aufgabe vor mir sehe, daran werde ich gehen.

Wenn ich nach dieser Morgenfeier in meinen Arbeitstag eintrete, wird es feierlich still in mir sein, und leer wird die Seele sein von dem, was sie bestürmen und belasten wollte, aber erfüllt von heiliger Freude, von Mut und Tatkraft. Groß und weit ist sie geworden, weil sie aus sich herausgegangen und in das göttliche Leben eingegangen ist. Als eine ruhige Flamme brennt in ihr die Liebe, die der Herr entzündet hat, und drängt sie, Liebe zu erweisen und in andern zu entzünden: flammescat igne caritas, accendat ardor proximos. Und klar sieht sie das nächste Stückchen Weg vor sich; sie sieht nicht mehr weit, aber sie weiß, wenn sie dorthin gelangt ist, wo jetzt der Horizont abschneidet, dann wird sich ein neuer Ausblick eröffnen.

Nun beginnt das Tagewerk. Vielleicht Schuldienst - 4 oder 5 Stunden hintereinander. Da heißt es bei der Sache sein, in jeder Stunde kann man nicht erreichen, was man wollte, vielleicht in keiner. Eigene Müdigkeit, unvorhergesehene Unterbrechungen, Unzulänglichkeit der Kinder, mancherlei Verdrießliches, Empörendes, Beängstigendes. Oder Bürodienst: Verkehr mit unangenehmen Vorgesetzten und Kollegen, unerfüllte Ansprüche, ungerechte Vorwürfe, menschliche Erbärmlichkeit, vielleicht auch Not der verschiedensten Art.

Es kommt die Mittagsstunde. Erschöpft, zerschlagen kommt man nach Hause. Da warten eventuell neue Anfechtungen. Wo ist nun die Morgenfrische der Seele? Wieder möchte es gären und stürmen: Empörung, Ärger, Reue. Und so viel noch zu tun bis zum Abend. Muss man nicht sofort weiter? Nein, nicht ehe wenigstens für einen Augenblick Stille eingetreten ist. Jede muss sich selbst kennen oder kennen lernen, um zu wissen, wo und wie sie Ruhe finden kann. Am besten, wenn es sein kann, wieder eine kurze Zeit vor dem Tabernakel alle Sorgen ausschütten. Wer das nicht kann, wer vielleicht auch notwendig etwas körperliche Ruhe braucht, eine Atempause im eigenen Zimmer. Und wenn keinerlei äußere Ruhe zu erreichen ist, wenn man keinen Raum hat, in den man sich zurückziehen kann, wenn unabweichliche Pflichten eine stille Stunde verbieten, dann wenigstens innerlich für einen Augenblick sich gegen alles andere abschließen und zum Herrn flüchten. Er ist ja da und kann uns in einem einzigen Augenblick geben, was wir brauchen.

So wird es den Rest des Tages weitergehen, vielleicht in großer Müdigkeit und Mühseligkeit, aber in Frieden. Und wenn die Nacht kommt und der Rückblick zeigt, dass alles Stückwerk war und vieles ungetan geblieben ist, was man vorhatte, wenn so manches tiefe Beschämung und Reue weckt: dann alles nehmen, wie es ist, es in Gottes Hände legen und ihm überlassen.
So wird man in Ihm ruhen können, wirklich ruhen und den neuen Tag wie ein neues Leben beginnen.

(Aus: Greshake/Weismayer (Hg.) "Quellen geistlichen Lebens. Die Gegenwart", Matthias-Grünewald-Verlag)

 

Letztes Update dieser Seite am  18.04.2003 um 11:39 

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