Erfüllte Zeit
Sonntag 1. 7. 2001 
7.05 Uhr - 8.00 Uhr
,  Radio Österreich 1

 

"Die ungastlichen Samariter" 
(Lukas 9, 51 – 62)

Kommentar: Prof. Gerhard Bodendorfer

 

Aus der frühchristlichen Schrift "Didache"

 

Treffpunkt Ökumene: "Schaffe, schaffe, den Sonntag verkaufe"

Hat der Sonntag ausgedient? Ist es ein nicht mehr zeitgemäßes religiöses Gebot an diesem Tag die Arbeit ruhen zu lassen? Oder ist der Auftrag, den Sonntag nicht in den Dienst des Erwerbslebens zu stellen, aktueller denn je?

Die Allianz für den Sonntag, der unter anderem Gewerkschaften und verschiedene christliche Kirchen angehören, will darauf hinweisen, dass dieser gemeinsame, arbeitsfreie Tag für die Gesellschaft und für den Einzelnen von unschätzbaren Wert ist. Und zwar nicht nur für Menschen, die den Gottesdienst besuchen wollen, sondern auch für all jene, die den Sonntag zur Erholung oder zu Unternehmungen mit der Familie nutzen.

Über Erfahrungen im gemeinsamen Engagement für den arbeitsfreien Sonntag in Österreich und in der Schweiz berichten im Treffpunkt Ökumene vom 1. Juli: Mag. Peter Mayerhofer, Pfarrer Wolfgang Olschbaur und Pfarrer Walter Wilhelm.

Gestaltung: Brigitte Krautgartner

 

Prof. Gerhard Bodendorfer

Der Beginn der Erzählung von Jesus auf dem Weg nach Samaria markiert auch den Beginn des zweiten Teils des Lukasevangeliums. Jesu Weg führt nach Jerusalem, der Passion zu. Die geschilderte Ablehnung Jesu und der Jünger durch die Samaritaner nimmt die Erfahrung des Scheiterns Jesu in Jerusalem vorweg.

Die Samaritaner wollen Jesus und seinen Jüngern keine Aufnahme geben. Wahrscheinlich spiegeln sich hier konkrete Erfahrungen der Gemeinden bei ihren Missionsversuchen in Samaria. Die Samaritaner sind eine bis heute existierende jüdische Gruppe, die noch etwa 500 Personen umfasst, wovon die meisten in der Nähe von Nablus in der sog. Westbank und in Holon bei Tel Aviv leben. Ihr Hauptheiligtum haben sie auf dem Berg Garizim, wo einst Josua die Stämme vereinigte. Jerusalem wird von ihnen nicht als Zentrum der göttlichen Anwesenheit anerkannt und in ihren nur aus den fünf Büchern Mose bestehenden Bibelausgaben wird der Hinweis auf Jerusalems Heiligtum regelmäßig durch den Garizim ersetzt. Sie verstehen sich selbst als die wahren Juden, die Mose Offenbarung treu bewahren. Zwischen Juden und Samaritanern kommt aber vor allem in den letzten beiden Jahrhunderten vor Christus zum großen Bruch, dem über lange Zeit intensive Auseinandersetzungen folgen. Zur Zeit Jesu wird auch immer wieder von Überfällen und Raubzügen militanter Gruppen auf beiden Seiten berichtet. Nach dem Matthäusevangelium 10,5 verbietet Jesus auch seinen Jüngern, eine samaritanische Stadt zu betreten. Lukas mildert an unserer Stelle und in der Apg dieses Verbot deutlich ab. Aber auch hier schimmert die Ablehnung Jerusalems durch die Samaritaner durch.

Jesus zeigt an unserer Stelle vor allem, dass sein Weg über das Leiden führt. Die Jünger fragen ihn, ob sie die samaritanische Stadt zerstören sollen, die Jesus ablehnt. Immerhin ist hier die Macht der Jünger unhinterfragt, eine Stadt zu vernichten, wie einst Sodom vernichtet wurde. Jesus aber weist dieses Anliegen zurück und zeigt mit seiner Zurückweisung von Gewalt, dass sein Weg über die Ablehnung und letztlich über das Leid führt. Scheitern, Leiden und Begrenztheit werden von Jesus und letztlich von Gott nicht durch das gewaltige Dreinschlagen verhindert.

Einem solchen vom Leiden gekennzeichneten Jesus nachzufolgen ist nicht leicht. Lukas zeigt, dass es nicht um zögerliche Anwärterschaft auf die Nachfolge geht. Bloßes Interesse an Jesus, an seiner Botschaft, ist zuwenig. Wer sich auf Jesus einlässt, muss dies total und aktiv tun. Die genannten Beispiele sind drastisch. Sie verweisen aber darauf, dass Jesus Nachfolge gerade an dieser Schlüsselstelle der Offenbarung von Leid und Ablehnung keine einfache und bequeme Angelegenheit ist, sondern den ganzen Menschen und all sein Engagement verlangt. Die Sehnsucht nach mütterlichem Schutz muss überwunden werden, ebenso verlangt Jesus einen Bruch mit der Vergangenheit und letztlich einen Aufbruch aus der vertrauten Umgebung hinein in die Ungewissheit des Gottesreichs. Unserem Denken ist diese Radikalität fremd und sie mutet uns fanatisch an. Umso mehr sollten wir uns an diesen Teil der Botschaft Jesu erinnern, um ihn wieder als den zu erkennen, der uns zum Aufbruch und zum Umdenken mahnt.

 

"Didache"

Zwei Wege gibt es. Der eine ist der Weg des Lebens, der andere der des Todes. Zwischen beiden Wegen aber besteht ein großer Unterschied. Dies ist der Weg des Lebens: "Erstens du sollst Gott lieben, der dich erschaffen hat, zweitens deinen Nächsten wie dich selbst" (vgl. Mt 22, 37). Und alles, was du nicht willst, dass man es dir zufügt, das füge auch einem anderen nicht zu (vgl. Mt 7, 12). Diese beiden Worte wollen uns folgende Lehre erteilen: "Segnet die, die euch verfluchen und betet für eure Feinde." Fastet "für eure Verfolger". Denn welche Gnade erwartet ihr, wenn ihr nur die "liebt, die euch auch lieben? Tun das nicht auch die Heiden?" Ihr aber sollt "die lieben, die euch hassen" (Mt 5, 44f), und dann habt ihr keinen Feind mehr.

Enthalte dich der irdischen und leiblichen Begierden. "Wenn dir jemand einen Schlag auf die rechte Wange gibt, so halte, ihm auch die andere hin" (Mt 5, 39), und du wirst vollkommen sein. "Wenn dich jemand nötigt, eine Meile mit ihm zu gehen, so geh mit ihm zwei" (Mt 5, 40). "Wenn dir jemand deinen Mantel wegnimmt, so gib ihm auch noch den Rock" (Lk6, 29). "Wenn dir jemand etwas von deinem Eigentum nimmt, dann fordere es nicht zurück" (Lk 6,30). Denn das kannst du ja auch nicht.

"Jedem, der etwas von dir erbittet, gib und fordere nicht zurück" (Lk 6, 30). Denn es ist der Wille des Vaters, dass man jedem von den eigenen Gaben gibt. Selig, der nach dieser Weisung gibt! Denn er ist ohne Fehl. Weh dem, der nimmt! Wenn freilich jemand, weil er in Not ist, nimmt, dann bleibt er ohne Strafe. Wer aber keinen Mangel leidet, der soll zur Rechenschaft darüber gezogen werden, was und wozu er nimmt. Er soll ins Gefängnis geworfen werden und darüber verhört werden, was er getan hat. Und er "wird von dort nicht herauskommen bis er den letzten Heller bezahlt hat" (Mt 5,26). Freilich gilt auch: "Dein Almosen soll in deiner Hand schwitzen, bis du weißt, wem du es geben solllst."

Der Weg des Todes aber ist dieser:

Vor allem ist er schlecht und fluchbeladen. Mord, Ehebruch, Begierden, Hurerei, Diebstahl, Abgötterei, Zauberei, Giftmischerei, Räuberei, falsches Zeugnis, Heuchelei, Hinterhältigkeit, List, Hochmut, Bosheit, Überheblichkeit, Habsucht, schandhaftes Reden, Eifersucht, Dreistigkeit, Stolz, Prahlerei, Protzerei und endlich das Fehlen jeglicher Gottesfurcht.

Auf diesem Weg gehen die, die die Guten verfolgen, die die Wahrheit hassen, die Freunde der Lüge, die den Lohn der Gerechtigkeit nicht kennen, die sich vom Guten und vom gerechten Urteil abgewandt haben, die aufmerksam spähen nicht nach dem Guten, sondern nach dem Bösen. Ihnen fehlt Milde und Geduld, "sie lieben Nichtiges und jagen nach Lohn" (Ps 4, 3). Sie haben kein Erbarmen mit den Armen und bringen noch Leid über den schon Niedergedrückten, erkennen ihren Schöpfer nicht an. Es sind Kindsmörder. Sie töten das Gebilde Gottes, weisen den Bedürftigen ab, plagen den Bedrückten, sie sind Fürsprecher der Reichen, unbarmherzige Richter der Armen, mit allen denkbaren Sünden beladen. Möget ihr, meine Kinder, von all dem bewahrt bleiben.

Aus: "Quellen geistlichen Lebens", Band 1; TOPOS-TB

 

Letztes Update dieser Seite am  18.04.2003 um 11:39 

Pfeil zum Seitenanfang  Startseite "Erfüllte Zeit"   Pfeil zum Seitenanfang Seitenanfang  Pfeil zum Seitenanfang Startseite ORF Religion