Heilige Notburga

Geburtshaus Notburgas mit Pfarrkirche

Rattenberg

Stadtbrunnen Rattenberg


Erfüllte Zeit
Sonntag 22. 7. 2001 
7.05 Uhr - 8.00 Uhr
,  Radio Österreich 1

 

"Maria und Marta" (Lukas 10, 38 - 42)
Prof. Gerhard Bodendorfer 
kommentiert das Sonntagsevangelium

 

Meister Eckhart "Maria und Marta"

 

"Mythos einer modernen Frau" - Notburga-Ausstellung im 
Augustinermuseum Rattenberg

Sie war keine Äbtissin und keine Märtyrerin; sie war weder eine Fürstin, die sich durch Klostergründungen Verdienste gemacht hat, noch ist sie als Mystikerin in Erscheinung getreten. Die heilige Notburga ist zeitlebens eine Dienstbotin geblieben. Dass sie einstmals heiliggesprochen werden würde, das hätte sich die ungewöhnliche Tirolerin selbst wohl am allerwenigsten träumen lassen.

Zu ihren Lebzeiten zeichnete sie sich durch besondere Mildtätigkeit (heute würde man sagen "soziales Engagement") und durch Zivilcourage aus. Abfälle vom Tisch ihrer reichen Dienstgeber verteilte sie an Arme, Alte und Behinderte, obwohl das ihrer Herrschaft gar nicht recht war. Da sie sich von ihrem ungehorsamen Verhalten nicht abbringen ließ, verlor sie ihre Stelle auf Schloss Rottenburg bei Jenbach. Die Folge war ein sozialer Abstieg - ihre nächste Anstellung war bei einem Bauern. Auch als Bauernmagd vertrat sie ihre Position: sie trat dafür ein, dass Dienstboten zu bestimmten Zeiten frei bekommen sollten - um sich dem Gebet widmen zu können.

Viele, die sich heute für den arbeitsfreien Sonntag engagieren betrachten Notburga als tatkräftige Vorkämpferin dieses Anliegens. Obwohl Notburga im Mittelalter gelebt hat, wirkt sie in vielem erstaunlich modern. Derzeit ist in ihrem Geburtsort Rattenberg eine Ausstellung gewidmet - die "Erfüllte Zeit" hat die Schau besucht.

Gestaltung: Brigitte Krautgartner

Links:

 

Prof. Gerhard Bodendorfer kommentiert das Sonntagsevangelium

Die Erzählung von Maria und Marta zählt zu denen, die häufig allegorisch ausgelegt wurden. In Maria sah man die Kontemplation, die Versenkung in die christliche Botschaft verkörpert, in Marta das aktive Handeln. Manche mönchische Gruppierungen haben darin sogar einen Auftrag zum Verzicht auf körperliche Arbeit gesehen. Andere wie Augustinus wiederum wollten im Text einen Hinweis auf die Gegenwart der in Marta verkörperten unfertigen Kirche im Gegensatz zur vollendeten zukünftigen Kirche sehen. Die Vielzahl der Werke Martas zerstreue, während der von Maria gewählte Teil ewig bleiben werde.

Nun ist freilich berechtigt, die kleine Episode als Sinnbild für die christliche Gemeinde und ihre Aufgaben zu sehen. Unabhängig davon aber lässt sich auch aber eine darüber hinausgehende allgemeine Aussage treffen. Jesu Botschaft lässt keinen Zweifel daran, dass das konkrete Tun wie das Bewirten und die Gastfreundschaft wichtige Funktionen für ein gottgewolltes Leben darstellen. Insofern ist Martas Handeln richtig und gewollt. Andererseits aber lässt Jesus ebenfalls keinen Zweifel daran, dass die Sorge um die Verrichtungen des Alltags, um Haushalt und Versorgung, den Menschen nicht in ihren Bann ziehen dürfen. Die berühmte Geschichte von den prächtigen selbstwachsenden Lilien oder den Vögeln im Himmel in der Bergpredigt illustriert, dass der Mensch auf Gott vertrauen müsste, in ihn all seine Hoffnung legen müsste, bevor er sich mit den täglichen Sorgen abmüht. Hinter diesem Anspruch steht der tiefe Glaube an den Vater, der seine Kinder beschützt, sie beschenkt und sie nie im Stich lässt. Genau davon werden die folgenden Texte des Lukasevangeliums handeln. Maria repräsentiert diese Haltung. Im Hören auf Jesu Wort vernimmt sie die Kunde von Gott und seiner allseits gegenwärtigen Hilfe. Dem würde nicht widersprechen, dass auch Maria Hand an den Haushalt legt. Es geht eben nicht um die Frage, ob intellektuelle Arbeit der körperlichen Arbeit überlegen ist. Vielmehr sagt Jesus, dass die körperlich anstrengenden Verrichtungen des Alltags immer unter der Voraussetzung getan werden, dass vorher und über allem die Liebe zu dem sich zuwendenden Gott steht. Einer modernen Zeit, in der nur mehr Workoholics etwas gelten, in der die umtriebige Wochenendgestaltung als sog. Aktivfreizeit fröhliche Urständ feiert, wäre eine Rückbesinnung auf die Geschichte von Maria und Marta sinnvoll. Wer sich nicht Zeit nimmt für das Wesentliche wird sich in der Geschäftigkeit verlieren, vielleicht auch, weil die Geschäftigkeit uns nur zu gut ablenkt vom Nachdenken über die Frage, wer wir eigentlich sind und was wir wollen.

 

Meister Eckhart "Maria und Marta"

Gründe ließen Maria zu den Füßen Christi sitzen: Der erste, weil die Güte Gottes ihre Seele ergriffen hatte, der zweite, weil eine unaussprechliche Sehnsucht in ihr war - sie sehnte sich, aber sie wusste nicht wonach, sie begehrte, aber sie wusste nicht was; der dritte, weil sie von süßer Tröstung und Lust erfüllt war; diese schöpfte sie aus den ewigen Worten, die durch den Mund Christi rannen.

Marta bewegten auch drei Gründe, die sie umhergehen und dem lieben Christus dienen ließen. Der erste war ihr reiferes Alter und ihr wohlgeübter Seelengrund, der auf das Höchste, nämlich Gott, ausgerichtet war. Deshalb dachte sie, dass niemandem diese Arbeit so gut anstünde wie ihr. Der zweite war ihre weise Einsicht, die das äußere Werk gar wohl auf das Allerhöchste, was die Liebe gebietet, ausrichten konnte. Der dritte war die große Würde des lieben Gastes.

Die Meister sagen, dass Gott bereit ist, einem jeden Menschen Genüge zu tun und ihm aufs höchste die Erfüllung seines geistigen und sinnlichen Begehrens zu gewähren. Dass Gott uns in bezug auf unsere geistige Natur genug ist und dass er auch unserer sinnlichen Natur Genüge tut, das kann man an den lieben Freunden Gottes unterscheiden. Der Sinnennatur Genüge tun heißt, dass Gott uns Trost, Wonne und Befriedigung gibt. Und das zu verkosten, lenkt die lieben Freunde Gottes vom Bereich der niederen Sinne ab. Doch geistiges Genügen ist Genügen im Geist. Ich meine mit geistigem Genügen, dass bei aller Wonne der oberste Wipfel der Seele nicht herabgebeugt wird, so dass er nicht in der Wonne ertrinkt, sondern machtvoll darübersteht. Dann nur findet der Mensch sein geistiges Genügen, wenn Lieb und Leid der Kreatur und damit meine ich alles, was man unterhalb Gottes wahrnimmt und sieht - den obersten Wipfel der Seele nicht herabbeugen kann.

Nun sagt Marta: "Herr, befiehl ihr, mir zu helfen." Dies sagte Marta nicht aus Missgunst, sondern aus einer Art "Liebesgunst", von der sie ergriffen war. Wir können es Liebesglut oder auch einen Liebestadel nennen. Wieso? Gebt acht! Sie sah, dass Maria mit jeder Faser ihrer Seele ganz von Wonne erfüllt war. Marta kannte Maria besser als Maria sie kannte, denn sie hatte lange und recht gelebt. Und Leben schenkt die edelste Erkenntnis. Leben erkennt besser, als Lust oder Licht es vermögen.

So stand Marta da. Deshalb sprach sie: "Herr, befiehl, dass sie mir hilft!", als ob sie sagen wollte: Meine Schwester meint, sie vermöchte, was sie nur will, derweil sie bei dir verweilt und Trost empfängt. Nun lass sie sehen, ob es so ist, und befiel ihr, aufzustehen und von dir zu gehen. Und dann war es auch zärtliche Liebe (dass sie so sprach), auch wenn sie es nicht so auszudrücken verstand. Maria war so voll Sehnsucht, sie sehnte sich, aber sie wusste nicht wonach, sie begehrte, aber sie wusste nicht was. Wir haben sie in Verdacht, die liebe Maria, dass sie mehr um der Lust als um des geistigen Nutzens willen dort gesessen ist. Deshalb sagte Marta: "Herr, befiehl ihr, aufzustehen!", denn sie fürchtete, dass Maria in der Lust verharrte und nicht weiterkäme (zum Handeln).

Da antwortete ihr Christus und sprach: "Marta, Marta, du bist besorgt und bekümmert um viele Dinge. Davon ist eines notwendig. Maria hat den besten Teil erwählt, der ihr niemals mehr genommen werden kann." Dies Wort sprach Christus zu Marta nicht, um sie zu tadeln, sondern er röstete sie mit dieser Antwort und sagte ihr zu, dass Maria werden sollte, wie sie es begehre.

Warum sprach Christus: "Marta, Marta" und nannte ihren Namen zweimal? Isidor sagt: Ohne Zweifel rief Gott vor und nach der Zeit seiner Menschwerdung nie Menschen bei ihrem Namen, von denen auch nur einer verlorengegangen wäre. Die er nicht bei ihrem Namen nannte: über die mag man im Zweifel sein. Das "Von-Christus-beim-Namen-Gerufensein" ist - so verstehe ich es - sein ewiges Wissen, untrüglich seit Erschaffung der Welt in dem lebendigen Buch, das Vater, Sohn und Geist heißt, verzeichnet zu sein. Wer darin steht und dessen Namen Christus wörtlich aussprach, von denen ging keiner je verloren. Das bezeugt Mose, zu dem Gott selber sprach: "Ich habe dich bei deinem Namen erkannt", und Natanael, zu dem der liebe Christus sprach: "Ich erkannte dich, da du unter den Blättern des Feigenbaumes lagst (Joh 1,48). Der Feigenbaum bedeutet hier Gott, in dem dessen Name ewiglich eingeschrieben war. Und so ist erwiesen, dass kein Mensch je verlorenging oder verlorengehen wird, den der liebe Christus je mit seinem menschlichen Mund aus dem ewigen Wort heraus beim Namen rief.

Warum nannte er Marta zweimal bei ihrem Namen? Er wollte damit zum Ausdruck bringen, dass Marta alles zeitliche und ewige Gut, das ein Geschöpf besitzen sollte, vollends besaß. Durch das erste "Marta" bezeugt er ihre Vollendung in zeitlichen Dingen. Durch das zweite "Marta" bezeugte er, dass ihr nichts von dem fehlte, was zur ewigen Seligkeit gehört. Darum sprach er auch "Du bist besorgt" und meinte damit: Du stehst bei den Dingen, aber du lässt dich nicht durch die Dinge in Beschlag nehmen. Denn die sind auf rechte Weise besorgt, die in all ihrem Tun sich nicht beeinträchtigen lassen. Diejenigen aber lassen sich nicht beeinträchtigen, die ihr Tun genau nach dem Vorbild des ewigen Lichtes ausrichten. Solche Leute stehen bei den Dingen und lassen sich doch von den Dingen nicht in Beschlag nehmen. Sie stehen ganz nah bei den Dingen und haben doch deswegen nicht weniger Seligkeit, als wenn sie dort oben im Umkreis der Ewigkeit stünden. "Ganz nah" sage ich, denn alles Geschöpfliche ist ein Mittel.

Aus: Greshake/Weismayer (Hg.), "Quellen geistlichen Lebens", Band 2: Das Mittelalter

 

Letztes Update dieser Seite am  14.10.2002 um 11:33 

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