Erfüllte Zeit
Sonntag 29. 7. 2001 
7.05 Uhr - 8.00 Uhr
,  Radio Österreich 1

 

"Das Gebet des Herrn" (Lukas 11, 1 - 13)
kommentiert von Prof. Gerhard Bodendorfer

 

Madeleine Delbrêl "Liebe"

 

"Maurer im Namen des Herrn" - 
Ein Porträt des Bauordens

1953 kamen auf Anregung des flämischen Ordensmannes P. Werenfried van Straaten 100 junge Flamen, Studenten und Schüler nach Deutschland - und in den Folgejahren auch nach Österreich, um Flüchtlingsfamilien beim Bau ihres neuen Heimes zu unterstützen. Diese Einsätze waren der Start für die nun 46 Jahre bestehende Freiwilligenbewegung "Bauorden". 

Seine internationale Nachbarschaftshilfe hat heute in zehn europäischen Ländern eigenständige Sekretariate, die sich im "Internationalen Bauorden" zusammengeschlossen haben.

Heute hilft der Bauorden bei Bau- und Renovierungsarbeiten von Waisen-, Behinderten- und Kinderheimen, von kirchlichen und privaten Sozialeinrichtungen, seine Hilfe gilt aber auch kinderreichen Familien oder Klein- und Nebenerwerbslandwirten. Über 300.000 freiwillige Helferinnen und Helfer hat der Bauorden in dieser Zeit auf über 7000 Projekten eingesetzt.

Viele junge Menschen aus zahlreichen europäischen Ländern suchen und erleben im Bauorden Gemeinschaft mit Gleichgesinnten. Sie sehen im Bauorden eine Möglichkeit, sich nützlich zu erweisen und zugleich andere Länder hautnah zu erleben.

Gestaltung: Martin Gross

 

Prof. Gerhard Bodendorfer kommentiert das Sonntagsevangelium

Im Kapitel 11 stellt Lukas eine Reihe von drei Perikopen mit dem Thema Gebet zusammen: das Vaterunser, die Parabel vom hartnäckigen Freund und die Aufforderung zum Bitten. Wie schon Matthäus in seiner Bergpredigt hebt auch Lukas dabei hervor, dass Gott auf die Bitte reagiert, dass er uns nicht im Stich lässt, dass er immer für das Gebet empfänglich bleibt, wenn es nur mit dem nötigen Nachdruck gesprochen wird. Die Eindringlichkeit, mit der Jesus diese Botschaft lehrt, ist auffällig. Anders als bei Matthäus ist das Vaterunser hier nicht direkt eingebettet in die Erläuterung des Gesetzes, an dessen Tun sich in der Bergpredigt der Wille Gottes ausdrückt. Dies mag daran liegen, dass Lukas eine heidnische Gemeinde im Visier hat, der die jüdische Tora fremd ist. Das Vaterunser hat Parallelen im Gebet des Kaddisch oder auch im 18-Bitten-Gebet, zentrale Gebete des Judentums bis heute. In der jüdischen Tradition finden sich zahlreiche Texte, die den Wert der Gebete ausdrücken und dazu ermahnen. In dem rabbinischen Text GenR 56.2 etwa ist das Gebet ein Schlüssel zum Überleben Abrahams und Isaaks. Beide kehren vom Berg Morija in Gen 22 heil zurück, weil sie Gott angebetet haben. Israel wurde wegen des Gebets erlöst (Ex 4,31), die Tora wurde nur wegen des Gebets gegeben (Ex 24,1); Hanna deswegen in ihrem Kinderwunsch erhört (1 Sam 1,28). Die im Exil lebenden Israeliten werden deshalb eingesammelt (Jes 27,13) und das Heiligtum deshalb erbaut (Ps 99,5.9). Selbst die Toten werden nur aufgrund der Anbetung Gottes leben (Ps 95,6). Jesus argumentiert ganz in diesem Sinne der tiefen Bedeutung des Gebetes als intensiven Dialog mit Gott. Der Mensch soll nicht aufhören, Gott eindringlich zu bitten, und Gott wird sich als guter Vater erweisen. Das hier suggerierte Vaterbild drückt Nähe und Verlässlichkeit aus. Das Gleichnis zeigt, dass zum Selbstverständnis des Vaters gehört, dass er seine Kinder nicht im Stich lässt, dass er ihnen das von ihnen Erbetene gibt.

Der Text macht uns auch Mut, auf einem Wunsch und einer Bitte zu insistieren, hartnäckig und sogar unverschämt lästig zu sein. Im Umgang mit Behörden, im Sponsoring, im Organisieren von Handwerkern und vieles mehr habe ich die Erfahrung gemacht, dass man nur dann etwas erreicht, wenn man hartnäckig ist und nicht locker lässt. Die hartnäckige Bitte an Gott ist keine Gotteslästerung, vielmehr sagt Jesus, dass der Mensch nicht einfach alles von Gott annehmen darf, wie es kommt, sondern seine Wünsche äußern soll. Im Jakobusbrief heißt es dazu: Wenn aber einer von euch nicht weiß, was er in einem bestimmten Fall tun muss, soll er Gott um Weisheit bitten. Gott wird sie ihm geben, denn er gibt gern und teilt allen großzügig aus. Er muss Gott aber in festem Vertrauen bitten und darf nicht im geringsten zweifeln.

 

Madeleine Delbrêl
Liebe

Wir andern, wir Leute von der Straße sind ganz überzeugt, dass wir Gott so sehr lieben können, als er Lust hat, von uns geliebt zu werden.

Wir halten die Liebe für eine nicht glanzvolle, aber aufzehrende Angelegenheit; wir denken, dass, wenn wir für Gott ganz kleine Dinge tun, wir ihn ebenso lieben wie mit großen Aktionen. Übrigens halten wir uns, was das Format unserer Taten angeht, für schlecht informiert. Wir wissen bloß zweierlei: einmal, dass alles, was wir tun, nur klein sein kann; sodann, dass alles, was Gott tut, groß ist.

All das beruhigt uns angesichts unseres Pensums.

Unsere Arbeit - das wissen wir - besteht darin, nicht unter der Gnade zu gestikulieren, das zu Leistende nicht selbst auszuwählen, denn Gott wird für uns handeln.

Für Gott gibt es nichts Schweres, und wer das Schwierige fürchtet, hält sich großer Taten für fähig.

Weil wir die Liebe für eine hinreichende Beschäftigung halten, haben wir uns die Mühe erspart, unsere Taten nach Gebet und Aktion zu klassifizieren.

Wir finden, Gebet sei Aktion und Aktion sei Gebet, uns will scheinen, ein wahrhaft liebendes Tun sei ganz von Licht erfüllt.

Wir denken, dass, bevor es zur Tat kommt, die Seele wie eine Nacht ist, die aufmerksam dem kommenden Licht entgegenharrt. Und ist es da, ist der Wille Gottes klar verstanden, so lebt sie ihn sanft, gemächlich zusehend, wie ihr Gott sich in ihr regt und zu wirken anfängt. Uns scheint, Handeln sei ebenfalls ein Flehgebet. Wir haben nicht das Gefühl, die Tat nagle uns fest auf unserem Feld der Arbeit, des Apostolats oder Alltags.

Ganz im Gegenteil scheint die richtig vollbrachte Tat dort, wo sie von uns verlangt ist, uns der ganzen Kirche einzupfropfen, in ihren ganzen Organismus auszugießen, uns in ihr verfügbar zu machen.

Unsere Füße schreiten auf einer Straße, aber unser Herz schlägt in der ganzen Welt.

Darum einen auch unsere kleinen Taten, in denen wir nicht zwischen Gebet und Aktion unterscheiden können, die Liebe zu Gott und die zu den Brüdern vollkommen.

Dass wir uns seinem Willen anheim stellen, übergibt uns gleichzeitig der Kirche, die dieser selbe Wille immerfort zur Heilbringerin und zur Mutter der Gnade macht.

Jeder gefügige Akt lässt uns Gott in Fülle empfangen und ihn in Fülle verteilen in einer großen Freiheit des Geistes.

Dann wird das Leben ein Fest.

Jede kleine Unternehmung ist ein gewaltiges Ereignis, worin uns das Paradies geschenkt wird, das wir weiterverschenken können.

Egal, was wir zu tun haben: ob wir einen Besen oder eine Füllfeder halten.

Reden oder stumm sein, etwas flicken oder einen Vortrag halten, einen Kranken pflegen oder auf einer Schreibmaschine hämmern.

All das ist nur die Rinde einer herrlichen Realität, der Begegnung der Seele mit Gott in jeder erneuten Minute, die an Gnade zunimmt, immer schöner wird für ihren Gott.

Man läutet? Schnell, aufgetan! Gott ist es, der uns lieben kommt. Eine Ankunft?... Bitte... Es ist Gott, der uns lieben kommt. Zeit, sich zu Tisch zu setzen? Gehn wir: es ist Gott, der uns lieben kommt. Lassen wir ihn gewähren.

Aus: Quellen geistlichen Lebens, Band 4, Matthias Grünewald Verlag

 

Letztes Update dieser Seite am  14.10.2002 um 11:33 

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