"Mein Bekenntnis zum Frieden Christi" - Reinhold Schneider

Wer heute über Krieg und Frieden sprechen will, muss zuerst seinen Standort bezeichnen. Ich kann nur aus christlicher Überzeugung sprechen. Der Christ soll danach streben, Welt und Leben, alle Fragen, die seine Zeit bewegen, aufzufassen mit "Christi Sinn" ; er soll nicht mit den eigenen Augen sehen wollen, sondern mit den von der Offenbarung erleuchteten Augen; er soll nicht, die ihm selbst erwünschten Gedanken denken, sondern er soll zu denken suchen aus der Wahrheit Jesu Christi zur dritten Person im Drama gegenwärtiger Geschichte. Der Anspruch des Christen auf Freiheit ist der radikalste, der sich denken lässt, er soll den Protest leben gegen jede Gewalt, die der Freiheit der religiösen, sittlichen Entscheidung entgegen ist; er soll ein lebendiger Protest gegen solche Gewalt sein. Ist er das, so hat er Frieden in sich selbst -aber freilich nicht Frieden in der Welt. Und diesen Frieden soll er in die Welt tragen –also nicht den Frieden einer Partei, sondern den in Christus gegründeten Frieden, der von irdischen und unterirdischen Mächten rastlos angegriffen wird, aber gesichert ist in der nicht von der Welt stammenden Wahrheit.

Wer heute Krieg sagt, kann nur totalen Krieg meinen: das Bestreben einer Gesamtheit, eine andere zu vernichten mit allen ihr erreichbaren Mitteln der Wissenschaft, Technik und Wirtschaft. "Der totale Krieg", sagte Georges Bernanos, "ist ganz einfach die moderne Gesellschaft auf dem Höhepunkt ihrer Leistung." Diese Erscheinung soll der Christ vor Jesus Christus verantworten.

Was hat uns der Erlöser als Lehrer gebracht? Es ist das "Ich aber sage Euch", das neue Gebot, das das Gesetz des Alten Bundes bis in das Innerste des Menschen vollzieht und dadurch erfüllt. Ja - das gehört zu den heiligen Widersprüchen des Christentums - das neue Gebot hebt das Gesetz, das es erfüllt, auf; denn es ruft den Menschen in ein allumfassendes geheiligtes Leben: in das Leben Jesu Christi, der sein Weg ist durch die Welt und den Tod. Die im Alten Bunde gebotenen oder verbotenen Taten sind nicht mehr das Entscheidende. Was aus dem Herzen kommt, das verunreinigt den Menschen.

Übertragen wir diese Stiftung Jesu Christi, deren Ernst sich nicht abschwächen lässt, in das Verhältnis zum Kriege, zur Waffe, so müssen wir erschrecken bis ins Herz. Entscheidend ist ja nun nicht mehr, was ich im Kriege tue, ob ich der Unglückliche bin, der den Befehl bekommen hat, eine moderne Bombe auf eine Stadt zu werfen; entscheidend ist auch nicht der Befehl; entscheidend ist schon der Gedanke des Forschers, der bewusst an der Waffe gearbeitet hat; ja der flüchtigste Wunsch eines Unbekannten, der die Waffe bejahte, weil er von ihr Schutz oder Vorteil erwartete, wird sein Urteil finden.

An dieser Stelle erst meldet sich die eigentliche Gewissensnot unserer Zeit an, für welche Not viel zu wenig Verständnis aufgebracht wird. Es geht nicht um politische Argumente; nicht um die mutmaßlichen Folgen des Krieges; es geht um die geistige, sittliche Mitschuld; um den Anteil des Herzens am Mord -und zwar an einem Mord von nicht zu schildernder Gestalt.

Dem Christen ist keineswegs gesagt, dass er sich dem Bösen preisgeben soll. Er soll es überwinden durch das Gute. Der Herr hat dem Knechte, der ihn schlug, nicht die andere Wange dargeboten. Er hat ihn gefragt, warum schlägst Du mich? In der Haltung, die wir dem Bösen gegenüber finden - immer in der Absicht, es zu überwinden, was ja ohne Gnade nicht geschehen kann -, zeigt sich das wesentlich Christliche.

Aus: "Quellen geistlichen Lebens", Band IV: Die Gegenwart, Hg. Gisbert Greshake und Josef Weismayer, Matthias Grünewald Verlag, Mainz

 

 

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Letztes Update dieser Seite am  26.09.2001 um 09:54