"Das Gleichnis vom unnützen Sklaven"

Lk 17, 5 - 10
kommentiert von Univ.-Prof. Dr. Franz Gruber

Glauben und Dienen sind die Themen des eben gehörten Evangeliums. Aber in welch eigenartiger Verfremdung werden sie uns vorgestellt: nämlich als eine Einheit von Macht und Ohnmacht, Stärke und Demut. Da spricht Jesus dem Glauben eine schier übermenschliche Kraft zu. Er könne Bäume entwurzeln, wenn er auch nur so klein wäre wie ein Senfkorn, er könne sogar Berge versetzen, wie es im Markusevangelium heißt. Aber dieses eigenartig übertriebene Bild von der Allmacht des Glaubens, die uns zu glauben schwer fällt, wird dann im darauf folgenden Gleichnis einer uns empörenden Demut gegenübergestellt: der Sklave soll nicht auf Dank und Anerkennung durch seinen Herrn warten. Wie geht das zusammen?

Das Bild vom Glauben, der Bäume verpflanzt, löst Anziehung und Skepsis aus. Gerne hätten wir eine solche Kraft, dass die Welt uns gehorcht. Schon ein winzig kleiner Glaube könne ungeheuer feststehende Wirklichkeiten verändern, meint Jesus. Was für eine Arbeit ist es doch, einen Baum samt seinen Wurzeln zu entfernen! Von welchem Glauben spricht hier Jesus? Kann man zu dem Berg "Hass" in der Welt einfach sagen: Verschwinde! Oder zu den Wurzeln der Gewalt: Löst euch auf! Nun dürfen wir nicht in ein Missverständnis verfallen: der Glaube, von dem Jesus spricht, ist keine mirakulöse Kraft der Herrschaft über die Natur und menschlichen Beziehungen. Wer glaubt, wird nicht ein Superman, der kraftprotzend die Welt aus den Angeln hebt. Vielmehr ist es ein Glaube, der seine Kraft aus dem festen Vertrauen in das Kommen des Reiches Gottes bezieht. Es ist ein Glaube an das Leben, das stärker ist als der Tod. Wer nur ein bisschen lebendigen Glauben hat, verändert die Welt. Es gibt unzählige Erfahrungen, die im Nachhinein bestätigen, dass dies stimmt.

Und trotzdem bleibt die Ohnmacht ein Teil der Welt. Das Gute lässt sich nicht erzwingen, ja vordergründig scheitert es vor der Macht des Bösen. Jesus selbst kostete es das Leben, aber er ist dem Berg von Gewalt und Hass, der ihn umbrachte, nicht aus dem Weg gegangen. Auch hier sagen die Christen nachher, er habe sogar dem Tod den Stachel genommen, denn im Kreuz ist uns auch die Auferstehung zum Leben zugesagt.

Diese Verschränkung von Macht und Ohnmacht kommt auch im Gleichnis vom unnützen Sklaven zur Sprache, das mit dem Satz endet: "So soll es auch bei euch sein: Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Sklaven; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan." Auch dieses Wort kann einem aufstoßen: Schon das Herr-Sklave-Verhältnis ist uns fremd. Unsere Beziehungen wollen von Mündigkeit und Autonomie geprägt sein, nicht von Hierarchie und unterwürfiger Unterordnung. Und sich als unnütz zu bezeichnen, klingt erst recht nach Selbstverachtung. Wir kennen ja die unangenehmen Situationen, wo sich Menschen, denen gedankt wird, auch noch heruntermachen, anstatt sich über die Anerkennung zu freuen. Aber worauf das Gleichnis eigentlich hinauswill, ist gerade die Frage, wo die Quelle nach Anerkennung für unseren Dienst liegt.

Wir alle brauchen Anerkennung und Wertschätzung. Das Bild vom Sklaven will jedoch nicht die Wertlosigkeit seiner Arbeit und Person, sondern seine innere Stärke hervorheben: In Demut seine Sache tun. Demut ist nicht Selbstverachtung, sondern der Mut zum Dienen. Wer darauf vertrauen kann, dass Gott uns mit einer unendlichen Liebe und Anerkennung zugewandt ist, braucht nicht ständig auf Lob aus sein. Er bezieht seinen Selbstwert aus einer inneren Kraft, auch wenn es nach außen wie Ohnmacht aussieht. Sein Leben kreist nicht um seine eigene Anerkennung, sondern um die Anerkennung jener, deren Leben entwürdigt und gebrochen worden ist. Es gibt diese Menschen, unbekannte und bekannte: ein Erzbischof Oskar Romero, ein Martin Luther King, eine Mutter Teresa. Menschen, die die Welt veränderten mit buchstäblich nichts anderem als ihrem Vertrauen in Gott und seine Verheißung einer jetzt schon möglichen menschlichen Welt.

Glauben und Dienen: Diese Haltungen haben in unserer Welt wenig Stellenwert. Doch in Wahrheit sind sie eine Kraft und Stärke, die von innen kommt. Wer sein Selbst Gott anvertraut, wird für beides ermächtigt: riesige Hindernisse zum wahren Leben abzutragen und zugleich unbedankte Dienste schlicht verrichten zu können.

 

 

 

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Letztes Update dieser Seite am  05.10.2001 um 14:58