Das Evangelische Wort
Sonntag 29. 4. 2001, 6.55 Uhr - 7.00 Uhr, Radio Österreich 1

 

Landessuperintendent Peter Karner

4. Mose 6 / 22 - 27
Und Gott redete mit Mose und sprach: Rede mit 
deinem Bruder Aaron und sag: So sollt ihr zum 
Volk sprechen, wenn ihr sie segnet:
"Der Herr segne dich und behüte dich.
Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über 
dir und sei dir gnädig.
Der Herr erhebe dein Angesicht auf dich und 
gebe dir Frieden."
Wenn sie so meinen Namen auf das Volk 
legen, dann segne ich sie auch.

Der Segen und seine Erteilung - das "Segnen" - ist 
längst eine Art Monopol der Amtskirche geworden: 
und damit ein Monopol der Pfarrer und Pfarrerinnen. 
Wer das Wort "Segnen" hört, denkt daher zwangsläufig 
sofort an die Kirche und den Gottesdienst. Denn der 
Segen ist ein Stück Gottesdienst, meistens das letzte. 
Wenn der Pfarrer segnet, ist die Kirche gleich aus.
Im Alltagsleben kommt der Segen fast nur mehr in 
Redensarten vor: "Du hast an Segen g’habt"; oder 
"Der Haussegen hängt schief." usw.
Der Segen ist nicht nur ein großes, altes, heiliges 
Wort - was er bedeutet, ist für viele Menschen 
unvorstellbar geworden. Aber in biblischen Zeiten ist 
der Segen ein Erlebnis, ja ein Stück Lebensqualität: 
"ohne Segen kein Leben." Der Segen - das ist ein 
Zusprechen und Schenken heilvoller Kraft: von 
Fruchtbarkeit, Glück, Heil und Sicherheit. Der Segen 
gibt dem Leben erst seinen Sinn und wird so zur 
Voraussetzung eines erfüllten Lebens. Und der 
Segen kann nicht zurückgenommen werden - so 
wie die Weihe des römisch-katholischen Priesters. 
Wer gesegnet worden ist, hat dadurch einen 
"Character indelebilis", d.h. eine "unverlierbare 
Qualität" bekommen.

Wenn also alles am Segen Gottes liegt, dann 
versteht auch der heutige Mensch, warum die 
Menschen zur Zeit der Bibel fast vor nichts 
zurückgeschreckt sind, um so einen Segen zu 
bekommen. Esau ist deshalb von seinem Bruder 
ganz gemein betrogen worden Stichwort 
"Linsengericht". Und Jakob hat sogar mit Gott 
gerauft, um den Segen zu bekommen. Riskiert 
Unsereins deshalb nichts für den Segen, weil er 
ihn ohnehin gratis in der Kirche bekommt ?

Ich glaube, die heutigen Menschen müssen 
zurückgehen, um den Segen wiederzufinden: 
einen Segen ohne "klerikalen Käfig" und ohne 
das Monopol der Priester. Denn der ursprüngliche 
Platz des Segens ist die Familie - daran läßt die 
Bibel keinen Zweifel. Segnen ist etwas für jeden 
Menschen. Jeder kann segnen. Das ist die hohe 
geistliche Qualität, die in jedem Menschen steckt - 
aber eben leider eine Qualität, die meistens brach 
liegt, ja vergessen, wenn nicht überhaupt geleugnet 
wird.

Die Konsequenz daraus ist: Wieder segnen zu 
lernen und damit das "allgemeine Priestertum aller 
gläubigen Männer und Frauen" zu praktizieren. Im 
Gottesdienst das Segnen zu lernen und dann das 
Gelernte im Leben zu tun. Also für die anderen 
Gutes von Gott zu erbitten: "Gott segne meine 
Kinder, meinen Partner, meine Familie, meine 
Arbeit, mein Land, den Frieden." Wenn ich so 
segne, da tun natürlich alle mit. Viele auch noch, 
wenn es um Tiere geht und ein neues Haus, ein 
neues Flugzeug, Autos und andere 
Gebrauchsgegenstände. Auch wenn ich Gott 
um den Segen für meinen zuständigen 
Intendanten und meinen Religionschef bitte, regt 
sich niemand auf. Aber wenn ich sage: Gott segne 
den Herrn Bundeskanzler oder den siegreichen 
Wiener Bürgermeister oder gar "das einfache 
Parteimitglied", das klingt für viele Ohren 
ungewohnt, ja anstößig. Das ist nur mehr durch 
einen Segen für die angeblichen Randgruppen 
unserer Gesellschaft zu übertreffen.

Aber der Segen läßt sich eben nicht begrenzen. 
Jesus hat sogar gesagt: "Segnet eure Feinde!" 
Man kann, scheints, die Feinde zer-segnen. 
Nach der Bibel werden die Menschen strahlen 
durch den Segen. Und in den Menschen 
schlummern unendlich viele unausgesprochene 
Segensworte.

So sollt ihr zu den Leuten sprechen:
Der Herr segne dich und behüte dich!

 

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Letztes Update dieser Seite am  07.07.2003 um 15:35