Das Evangelische Wort
Sonntag 13. 5. 2001, 6.55 Uhr - 7.00
Uhr, Radio Österreich 1
von Pfarrer Bernd Hof aus Zell am See
Gott ist der Herr über Leben und Tod - dieser
Gedanke begegnet in der
Bibel immer wieder.
So heißt es im Buch Jesus Sirach:
Es kommt alles von Gott: Glück und Unglück,
Leben und Tod, Armut und Reichtum.
Öffentlich wird jetzt darüber diskutiert, dass
jeder ein Recht darauf haben soll, seinen
eigenen Tod zu sterben. Ich finde es gut, dass
darüber gesprochen wird. Denn das Thema
Euthanasie oder Sterbehilfe ist bei uns tabu
gewesen seit der Nazizeit. Damals sind unter
dem zynischen Titel "Aktion Gnadentod"
zehntausende Menschen ermordet worden, weil
irgendwer behauptet hat, sie hätten nur ein
lebensunwertes Leben. Darum konnte man
seither die Frage nicht in der Öffentlichkeit
behandeln, ob es nicht auch Aufgabe des Arztes
sein könnte, einem Menschen zu einem guten
Tod zu verhelfen. In der Praxis sind ja
sterbenskranke Menschen, ihre Ärzte und
Angehörigen immer wieder mit dieser Frage
konfrontiert und finden auch Antworten - aber
eben im Geheimen. So bin ich froh, dass jetzt
öffentlich über dieses bedrängende Thema
gesprochen wird.
Bedrängend ist die Frage des Sterben lassens
auch, weil die Medizin so große Fortschritte
gemacht hat: Vor einer Generation war die
Diagnose "Krebs" noch ein Todesurteil, und
jetzt
leben Viele von uns Jahrzehnte damit. Eine H/V-
Infektion muss heute nicht zu Aids führen, und auch
das Leben mit Aids kann bei entsprechender
Behandlung lebenswert sein.
Immer wieder gewinnt die Medizin den Kampf
gegen den Tod. Ich finde das großartig. Aber
ich
erlebe auch die andere Seite: Da liegt ein alter
Mensch monatelang im Krankenhaus, wird ein um
das andere Mal operiert, hat immer wieder
Schmerzen, ist ganz verzweifelt, weil kein Ende
abzusehen ist: Für jede neue Krankheit gibt es
eine neue Behandlung. Darum bin ich froh, dass
verschiedene Institutionen eine sogenannte
Patientenverfügung anbieten, in der ich festlegen
kann: Wenn ich todkrank bin, unerträgliche
Schmerzen habe oder dauernd bewusstlos bin, wenn
nach menschlichem und medizinischem Ermessen
keine wirkliche Besserung mehr möglich ist,
dann
soll das vorrangige Ziel der Behandlung nicht
mehr
die Lebensverlängerung sein, sondern die Linderung
von Angst, Unruhe und Schmerzen: Ich möchte in
Würde und Frieden sterben können.
Eine solche Patientenverfügung entbindet den Arzt
vom Zwang, immer alle Mittel einsetzen zu
müssen
die er einsetzen kann. Und sie erleichtert den
Angehörigen, die nötigen Entscheidungen zu treffen.
"Ich möchte in Würde und Frieden sterben
können" -
bei der Erfüllung dieses Wunsches hilft auch
die
Palliativmedizin und die Hospizbewegung.
Palliativmedizin hat das Ziel, Menschen von
Schmerzen und Angst zu befreien. Und die
Mitarbeiterinnen der Hospizbewegung begleiten
sterbenskranke Menschen und ihre Angehörigen
auf
dieser schweren Strecke ihres Lebens.
In der Diskussion um die Sterbehilfe wird allerdings
auch gefordert, dass jeder Mensch unter bestimmten
Umständen verlangen kann, getötet zu werden.
Ich
weiß, welche Schicksale zu dieser Forderung führen -
aber ich habe doch Angst, dass eine gesetzliche
Regelung, wie sie jetzt in Holland beschlossen
worden
ist, nicht nur Freiheit bringt: Wenn ich merke, wie
meine
Pflege die Schwestern belastet und wie meine
Angehörigen mit-leiden, wenn ich weiß; wie viel
jeder
Tag meines Lebens kostet - wie frei kann ich
dann
entscheiden, ob ich weiterleben soll oder nicht?
Ich habe da eine Frau im Krankenbett vor Augen, deren
Körper ganz vom Krebs zerfressen war. Sie hat
mich
angefleht: "Herr Pfarrer, so helfen Sie mir doch,
reden
Sie mit den Ärzten, sie sollen mich von meinen Qualen
erlösen!" Ich konnte die Frau nicht beruhigen. Aber als
ich ein paar Tage später wieder bei ihr bin, erzählt
sie
begeistert: Ihre Enkelkinder haben sie besucht, sie
hat
sich so gefreut. Und dann zeigt sie zum Fenster hinaus
und sagt: "Sehen Sie den blühenden Apfelbaum? Ich bin
so froh, dass ich das noch erleben kann."
Letztes Update dieser Seite am 08.06.2001 um 11:27