Das Evangelische Wort
Sonntag 20. 5. 2001, 6.55 Uhr - 7.00 Uhr, Radio Österreich 1

von Superintendent Werner Horn

Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. 
Alles ist mir erlaubt, aber es soll mich nichts 
gefangennehmen.

"33.000 Österreicher sind Internet-süchtig".
Diese Überschrift las ich kürzlich in einer 
Tageszeitung. Und als Beispiel wurde eine 
58jährige Sekretärin angeführt, die immer eine 
pflichtbewusste Frau war. Plötzlich vergisst sie 
zu essen und einzukaufen, schläft unregelmäßig, 
ruft ihre Freunde nicht mehr an, macht bei der 
Arbeit zahlreiche Fehler – die 58jährige ist 
abhängig geworden, süchtig nach dem Internet.

Die Tendenz ist steigend. Immer mehr Frauen 
und Männer und vor allem auch junge Menschen 
werden Internet-süchtig. Eine erste 
deutschsprachige Studie der Universität Innsbruck 
zur Sucht im Netz spricht davon, dass bereits über 
12 Prozent der Chatroom-User abhängig sind, 
bezogen auf den gesamten Internet-Bereich kommt 
die Studie auf fast 5 Prozent.

Hier tut sich neben der Alkohol-, der Spiel- und der 
Drogensucht offenbar eine weitere Sucht auf: der 
Zwang, so oft wie möglich online zu sein und die 
Unfähigkeit, die Online-Zeiten zu kontrollieren. Der 
ständige Aufenthalt in einer virtuellen Welt lässt leicht 
den Bezug zur realen Welt vergessen. Nicht nur der 
Ehepartner, auch die Freunde beklagen sich, dass der 
Abhängige kaum mehr ins Freie oder spazieren geht, 
Geselligkeit pflegt. Mit anderen Worten: er kapselt sich 
immer mehr ab.

So kann der Mensch, der einerseits gleichsam mit der 
ganzen Welt kommunizert, ohne dass er es gleich merkt,
vereinsamen. Damit ich nicht falsch verstanden werde: 
ich will keineswegs, was man der Kirche ja immer wieder 
auch vorgeworfen hat, die Entwicklungen und 
Kommunikationsmöglichkeiten der modernen Technik 
verteufeln. Es ist schon faszinierend, welche Informationen 
heute über Internet, homepages und websides möglich sind. 
Aber ich möchte auch nicht einer Idealisierung das Wort 
reden. Auch hier lauern Gefahren, die physiche und vor 
allem psychische Erkrankungen hervorrufen können. Auch 
der Internationale Suchtkongress, der in diesem Monat in 
Baden bei Wien stattfand, musste sich daher intensiv mit 
diesem neuen Suchtphänomen befassen.

Der Apostel Paulus kannte noch kein Internet und er 
wusste deshalb auch noch nichts von seinen Möglichkeiten 
und Gefahren. Aber seine Auffassung vom richtigen 
Umgang mit den Dingen des Lebens könnte auch hier 
hilfreich sein. Alles ist mir erlaubt, sagt er. Der Christ ist frei, 
seine Persönlichkeit zu entfalten, seinen Interessen 
nachzugehen, die Angebote des Lebens zu gebrauchen. 
Er soll freilich wissen, dass ihm nicht alles zum Guten 
gereicht, dass er nicht alles wirklich braucht, dass ihm nicht 
alles gut tut. Ja manches – und vor allem ein Übergenuss – 
bekommt ihm sogar schlecht, kann ihn krank machen an Leib 
und Seele und er kann dadurch seine Freiheit verspielen und 
zu einem Gefangenen werden. Das kann oft schneller gehen, 
als man es ahnt. Die rechte Sicht der Dinge und die rechte 
Einstellung zu ihnen ist deshalb eine ständige Aufgabe, die 
uns in unserem Leben gestellt ist. So ist es gut, sich zu 
sagen: ich muss nicht immer Handy und Radio und 
Fernsehen und den Bildschirm eingeschaltet haben. Ich 
muss auch abschalten können im Leben und das 
Abschaltenkönnen von Geräten hängt sehr wohl mit dem 
inneren Abschaltenkönnen zusammen. Mein Leben ist ein 
ständiges Ins-Netz-Gehen. Das aber kann ich nur, wenn ich 
mich auch regelmäßig aus dem Netz nehme und den 
Abschalteknopf des Computers nicht vergesse.

Für mich ist der Apostel Paulus mit seiner Mahnung, die er 
einst an die Christen in Korinth gerichtet hat, noch immer 
sehr aktuell, wenn er sagt:

Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. 
Alles ist mir erlaubt, aber es soll mich nichts 
gefangennehmen.

1. Korinther 6,12

 

 

 

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Letztes Update dieser Seite am  23.05.2001 um 13:38