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Das Evangelische Wort
Sonntag 27. 5. 2001, 6.55 Uhr - 7.00
Uhr, Radio Österreich 1
von Senior Dr. Klaus Heine
Wer sich des Armen erbarmt der leiht dem Herrn,
und der wird ihm vergelten, was er Gutes getan hat.
Sprüche 19,17
Als der deutsche Bundeskanzler jüngst den Faulen
im Land härtere Zeiten in Aussicht stellte, hatte er
vor allem den Missbrauch der
Arbeitslosenversicherung im Auge. Nun gibt es
offenbar diesen Missbrauch, dass Menschen lieber
weiter das Arbeitslosengeld beziehen als eine Arbeit
anzunehmen. Er ist aber laut Aussage der damit
näher Vertrauten, vergleichsweise gering. Wenn der
Kanzler medienwirksam darauf hinweist, kann er damit
nicht von der Tatsache ablenken, dass es in den
vergangenen Jahren nicht gelungen ist durch politische
Maßnahmen das Millionenheer der Arbeitslosen
wesentlich zu verringern. Interessanterweise fand sich
in seinem Angriff auf die Faulheit kein Hinweis auf das
arbeitslose Einkommen aus Aktien oder
Vermögensbesitz; obwohl es dort wohl um noch größere
Summen geht.
"Bedürftigen helfen heißt Gott etwas leihen, der wird es
voll zurückerstatten" so lautet die Losung, das biblische
Leitwort der Herrnhuter Brüdergemeinde für den 27. Mai
2001 in einer modernen Übersetzung. Damit wird ein
wesentliches Moment der jüdisch-christlichen
Überlieferung angesprochen: Die soziale Verantwortung
aus dem Gottesglauben heraus. Es geht nicht nur um
Almosen als Brosamen von den Tischen der Reichen,
sondern um die stete Bemühung, soziale Gerechtigkeit zu
erreichen. Deshalb entsprach der Weg Europas nach
dem Zweiten Weltkrieg einer sozialen Marktwirtschaft
auch den Interessen der christlichen Kirchen: Arbeit für alle,
Fürsorge für die Schwachen. Geregelte Altersversorgung,
gleiche Chancen für die Jugend in der Ausbildung.
Inzwischen ist der Wind rauer, das Klima kälter geworden.
Plötzlich scheint, obwohl der gesellschaftliche Reichtum
wächst, nicht genügend Geld für soziale Gerechtigkeit
vorhanden zu sein. Das mag zu einem Teil mit dem zu
begrüßenden aber mühevollen Geschäft der Sanierung der
öffentlichen Haushalte zusammenhängen. Der Hauptgrund
aber liegt in der schwindenden sozialen Gesinnung als
gesellschaftliche Aufgabe. Wenn als erster sogenannter
"Erfolg" eines Managers, der eine
Firmenzusammenlegung in die Wege geleitet hat, die
Entlassung tausender Arbeitskräfte gilt, obwohl die
Firmen auch vorher erfolgreich gewirtschaftet haben,
dann ist das volkswirtschaftlich eine Katastrophe, auch
wenn die Aktienkurse steigen sollten (was sie übrigens
manchmal gar nicht tun!).
Aus Glaubensgründen müssen Christinnen und Christen,
müssen die Kirchen das soziale Gewissen schärfen.
Nicht nur privat, sondern auch gesellschaftlich - öffentlich
muss für soziale Gerechtigkeit eingetreten werden.
Barmherzigkeit ist nicht nur eine individuell-persönliche
Tugend, sondern ein öffentliches Anliegen. Das ist keine
religiöse Gefühlsduselei; sondern hat reale, höchst
wünschenswerte Auswirkungen auf das soziale Klima und
den gesellschaftlichen Frieden im Land. Wie " verrückt"
dagegen im Moment die Situation ist zeigt sich in der
Bemerkung eines Politikers über einen Kollegen, er habe
wohl seine Ausbildung bei der Caritas gemacht. Das war
aber nicht mit Hochachtung gesagt, sondern abschätzig
gemeint.
Es mag sein, dass wir mit der Erinnerung an die soziale
Verantwortung auf Widerstände treffen und uns der
Wind ins Gesicht bläst. Das biblische Wort spricht von
dem letztlichen Erfolg dieser Lebensbewegung. Gott
selbst identifiziert sich mit der Barmherzigkeit. Aus ihr
empfangen auch wir die Fülle des Lebens.
Letztes Update dieser Seite am 29.05.2001 um 13:48