Das Evangelische Wort
Sonntag 10. 6. 2001, 6.55 Uhr - 7.00
Uhr, Radio Österreich 1
von Pfarrer Manfred Sauer
"Mein Wort wird nicht wieder leer zu mir
zurückkommen, sondern wird tun, was mir
gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es
sende". (Jes. 55, 11)
Wann waren Sie das letzte mal im
Gottesdienst? Hat es Ihnen gefallen?
1997 kam die Schweizer "Sonntags-Zeitung" auf
die Idee einige ihrer Journalisten loszuschicken um
eine kritische Beurteilung von 20 Gottesdiensten zu
schreiben. Beurteilt wurde etwa. die Predigt mit den
Unterscheidungsmerkmalen: "Kurz", rhetorisch sehr
gut aktualitätsbezogen, oder "kaum verständliches
Gebräu von Worthülsen und Satzkaskaden". Auch
der Unterhaltungswert wurde bewertet. Es war die
Rede von "entspannter Atmosphäre oder
"Begräbnisstimmung".
Diese Idee der Sonntags Zeitung haben andere
Schweizer Tageszeitungen aufgegriffen, und
weitergeführt. Auch die Münchner Abendzeitung hat
sich der Kirche angenommen. Jeden Montag
erschien ein Beitrag unter dem Titel: "Kirche in der
Kritik". Initiator dieser Serie war Harald Martenstein,
der zu dem Konzept anmerkt: Wir wollten die
Gottesdienste wie ein Kulturereignis betrachten. Das
heißt, wenn wir den Eindruck hatten, dass sich der
Pfarrer wenig Mühe gegeben hat und eine ideenlose
Predigt herunterleiert, wird schlechter bewertet. Die
beste Note sind zwei Gebetbücher, was soviel
bedeutet wie "überzeugend", ein Gebetbuch heißt
"es bleiben Fragen" und ein Teufelchensymbol
bedeutet "nicht sehr überzeugend". Proteste gab es
zwar von einzelnen Pfarrern. die sich ungerecht
behandelt fühlten, aber grundsätzlich wurde diese
Initiative sehr positiv aufgenommen.
Journalisten, die in den Gottesdienst gehen, und
über diesen berichten, wie über die letzte Premiere
im Burgtheater, das klingt doch aufregend. Das
bedeutet: wichtige kritische Rückmeldung und
ungeahnte Öffentlichkeit. Das bedeutet, dass
Gottesdienst ins Gespräch kommt, Leute neugierig
werden, vielleicht sogar wieder in den Gottesdienst
gehen, um sich selber ein Urteil zu bilden.
Ich glaube, dass die genannten Kriterien der
urteilenden Journalisten wichtig sind: die Predigt -
besonders im evang. Gottesdienst, aber auch die
gesamte liturgische Gestaltung, die Musik, die
Gestaltung des Raumes, die Haltung und Gestik
der Beteiligten.
Doch kann man Gottesdienst so einfach beurteilen
wie ein Theaterstück, oder wie ein anderes
Kulturereignis? Anders gefragt: Ist ein schöner,
wirkungsvoller Gottesdienst machbar? Kann eine
Pfarrerin oder ein Pfarrer den optimalen Gottesdienst
inszenieren?
Das Wort Gottesdienst meint doch zuallererst: Gott
dient uns. Gott tut etwas für uns. Nicht wir sind die
Macher, sondern Gott handelt an uns. Er will uns
ansprechen, uns berühren, uns in Bewegung setzen
und verändern. So wie es bei Jesaja heißt: "Mein
Wort wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen,
sondern wird tun, was mir gefällt und ihm wird
gelingen, wozu ich es sende".
Wo dieses Wort auf dein offenes Ohr und ein offenes
Herz fällt wird es wie ein Samenkorn aufgehen,
wachen und Frucht bringen.
Wir können für gute Wachstumsbedingungen sorgen
durch die Art und Weise wie wir Gottesdienst feiern.
Jede Kleinigkeit ist dabei von Bedeutung: Alles was
wir bewusst oder unbewusst tun, kann ablenken,
abschrecken ermüden, oder eben auch umgekehrt
aufmerksam machen, herausfordern, ermutigen.
Beides greift ineinander. Unser verantwortungsvolles
Tun und Gottes Wirken.
Ich wünsche mir, dass Sie nach dem Gehörten Lust
bekommen haben, heute wieder einmal einen
Gottesdienst zu besuchen. Ich wünsche mir, dass
Gottes Wort nicht leer zurückkommt. Ich wünsche
mir, dass sie den Mut haben, am Schluss des
Gottesdienstes ihre persönliche Note zu vergeben:
Zwei Gebetbücher, oder nur eines, im schlimmsten
Fall vielleicht sogar ein Teufelchen.
Letztes Update dieser Seite am 12.06.2001 um 16:11