Das Evangelische Wort Das Evangelische Wort Das Evangelische Wort Das Evangelische Wort

Das Evangelische Wort
Sonntag 8. 7. 2001, 6.55 Uhr - 7.00 Uhr, Radio Österreich 1

von Pfarrer Dr. Christoph Weist

Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus 
Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott 
allen Trostes, der uns tröstet in aller unserer 
Trübsal, damit wir trösten können, die in allerlei 
Trübsal sind, mit dem Trost, mit dem wir selber 
getröstet werden von Gott. (2.Kor 1, 3-4)

Die sonst so abgebrühten Medienleute auf der 
Fachtagung, an der ich kürzlich teilgenommen 
habe, waren tief betroffen. Es wurden 
Fernsehsendungen für Kinder präsentiert. In 
einer dieser Sendungen berichteten Kinder für 
Kinder, wie sie mit dem Tod umgehen, mit dem 
Tod der Schwester, eines Elternteils, eines 
Freundes. Und sie erzählten von ihren Hoffnungen 
und ihrem Trost: "Ich werde meine Schwester 
wiedersehen." – "Mein Papa schläft nur..." – "Ich 
freue mich, dass ich mich von meinem Onkel 
verabschieden konnte."

Doch merkwürdig: Der "Gott allen Trostes, der 
uns tröstet in aller unserer Trübsal", wie es der 
Apostel Paulus so dankbar formuliert hat, spielte in 
den Worten der Kinder keine Rolle.

Offenbar hatten die Kinder niemals die tröstende 
Kraft der christlichen Botschaft erfahren, hatte 
niemand mit ihnen darüber gesprochen. Und wenn 
doch, dann war es völlig wirkungslos geblieben. 
Sollte das ein Signal sein? Sollte das Trostvermögen 
des christlichen Glaubens überhaupt wirkungslos 
geworden sein wie ein Medikament, gegen das der 
Körper, d.h. die Gesellschaft, resistent geworden ist?

Ich denke, die Sache ist zu ernst, als dass man sich 
damit begnügen dürfte, auf die böse gottlose Zeit zu 
schimpfen. Wenn die christliche Botschaft eine ihrer 
wichtigsten selbstgestellten Aufgaben, nicht mehr 
erfüllt, nämlich die Aufgabe des Trostes, wo kein 
Mensch mehr helfen kann, des Trostes angesichts des 
Todes, dann, so fürchte ich, läuft etwas entscheidendes 
falsch. Dann greifen sie zu wenig oder gar nicht, die 
ausgefeilten Methoden der Psychologie, der 
Soziologie, der christlichen Pädagogik, die Rituale der 
Begräbnisse voll vorformulierter Wendungen und steiler 
Sprüche, mit denen Trost jenen vermittelt werden soll, 
die ihn brauchen.

Den "Gott allen Trostes, der uns tröstet in aller unserer 
Trübsal, damit wir trösten können, die in allerlei 
Trübsal sind", konnte man unter den ersten Christen 
noch unmittelbar erfahren. Wie heute christlicher Trost 
angesichts des Todes, seiner Erbarmungslosigkeit und 
Endgültigkeit greifen kann, muss völlig neu bedacht 
werden. Theologie und Verkündigung stehen da vor 
großen Herausforderungen. Vielleicht weisen die 
schlichten Bilder und Erzählungen der Bibel einen Weg. 
Liebevoll und sorgfältig weitergegeben, entwickeln sie 
noch immer erstaunliche Kraft, Menschen, die das 
Liebste verloren haben, an Leib und Seele aufzurichten.

Es geht um einfache Worte, gefasst hineingesprochen 
in die Fassungslosigkeit. Es geht um Hinweise, sachlich 
gegeben in die Orientierungslosigkeit. Es geht um die 
Erinnerung daran, dass das Leben ein Geschenk ist, 
wenn auch ein vorläufiges. Aber der Gott allen Trostes 
vertröstet niemanden. Er will junge und alte Menschen den 
Sinn des Lebens schon jetzt finden lassen. Bis der 
erleichterte und dankbare Ausruf aus der Anfangszeit 
des christlichen Glaubens wieder neu zu verstehen sein 
wird: "Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus 
Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen 
Trostes, der uns tröstet in aller unserer Trübsal, damit wir 
trösten können, die in allerlei Trübsal sind, mit dem Trost, 
mit dem wir selber getröstet werden von Gott."

 

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Letztes Update dieser Seite am  09.07.2001 um 11:41