Das Evangelische Wort
Sonntag 02. 09. 2001, 6.55 Uhr - 7.00
Uhr, Radio Österreich 1
von Dr. Klaus Heine aus Mödling, NÖ
Erkenntnis allein macht überheblich. Nur die
Liebe
baut die Gemeinde auf.
(1. Kor. 8, 1)
"Nie mehr Schule, keine Schule mehr!! So hat
uns vor
einigen Jahren Falco mit seinem Hit eingehämmert.
Morgen beginnt im Osten Österreichs wieder die
Schule
nach der großen Sommerpause. Nach wenigen Tagen
folgen die westlichen Bundesländer. Da könnte das
Schlagerzitat als unpassendes Signal verstanden werden,
das jede frohe Aufbruchsstimmung dämpft oder gar
zerstört. Denn die neugierigen erwartungsvollen
Schulanfängerinnen und Schulanfänger gibt es ja
wirklich noch. Und auch größere Kinder und Jugendliche
freuen sich auf das Wiedersehen mit den Kameradinnen
und Kameraden und auf neue Aktivitäten.
Trotzdem ist nicht nur am Ende eines Schuljahrs
Frust
weit verbreitet. Da gibt es viele, die mit gemischten
Gefühlen in ihre Nachprüfungen gehen, da sind
Lehrerinnen und Lehrer, die mit kaum verhüllter
Angst dem neuen Schuljahr entgegenblicken, weil
sie fürchten, dass es über ihre Kräfte geht. Eltern
denken seufzend an die Last des Mittragens und
Mitleidens und fragen sich manchmal, ob sie denn
dieser Institution das ganze Leben nicht mehr
entfliehen werden: Zunächst selbst Schüler und
Student, dann als Vater oder Mutter verhaftet, und
schließlich womöglich als Opa oder Oma die Enkel
hilfreich begleitend. Unser privates und gesellschaftliches
Leben wird durch den Rhythmus des Schuljahres
nachhaltig bestimmt. Das hat gute Gründe. Die
Ausbildungszeit verlängerte sich und nahm zu an
Intensität, je schwieriger es wurde, sich in der
modernen komplizierten Gesellschaft zu orientieren,
je umfänglicher die erforderliche berufliche Qualifizierung
wurde.
Last und Mühe werden wohl mit der Schule und dem
Studium verbunden bleiben. Trotzdem sollte die
ursprüngliche Freude am gemeinsamen Lernen
und über das erworbene Wissen und Können immer
stärker sein. Und ein Ort der Qual dürfte die Schule
schon gar nicht werden.
Das zitierte Bibelwort aus dem Ersten
Korintherbrief
des Apostels Paulus macht auf eine wichtige
Verhältnisbestimmung aufmerksam. Es gibt eine
dunkle Quelle des Strebens nach Wissen. In der
Geschichte vom Sündenfall verführt die Schlange
zum Essen von den Früchten des Baums der
Erkenntnis mit den Worten: Ihr werdet sein wie
Gott und wissen, was Gut und Böse ist! Wissen
als Macht, über sich, andere und die Welt zu verfügen:
Wir erleben in der aktuellen Gentechnikdebatte, zu
welch gefährlichem Glanz solche Erkenntnis verhilft.
Paulus setzt dagegen die Liebe, in deren Fluidum
Erkenntnis glücklich macht und Freude verbreitet. Wo
Wissen der eigenen Machterhöhung und – ausübung
dient, wird Gemeinschaft zerstört. Wo Liebe Wissen
und Erkenntnis teilt, wächst das Vertrauen untereinander
und schwinden die Ängste.
Der Spruch des Apostels Paulus als Leitwort für
das
Schulleben wäre heilsam. Lehrerinnen und Lehrer würden
auch bei den schwierigsten Schülerinnen und Schülern
nicht vergessen, dass sie von Gott geliebte Geschöpfe
sind, deren Lebensrecht vor allen Lernerfolgen liegt.
Eltern würden die Arbeit der Lehrer anerkennen, und
allfällige Kritik nicht ins Verächtliche wenden; Schüler
würden die Lehrer respektieren und ihnen nicht das
Leben unnötig schwer machen. Das fiele ihnen umso
leichter, weil sich ihre Lehrer nicht auf die Macht der
Zensuren stützen würden.
Unter dieser Vision verschwinden nicht alle
Schulprobleme.
Aber die nachhaltige Veränderung des Klimas zum
Besseren löst Ängste auf und lässt uns wieder die Freude
am Lernen und Gewinn an Einsicht entdecken. Keine Schule
mehr? Diese veränderte Schule wäre ja nicht mehr die, deren
Ende sich Falco gewünscht hat.
Letztes Update dieser Seite am 05.10.2001 um 15:57