Prof. Johannes Huber Gedanken für den Tag

Gedanken für den Tag
Montag bis Samstag, 6.57 Uhr - 7.00 Uhr, Radio Österreich 1

Prof. Johannes Huber über Gentechnik

Montag, 12.3.2001
Mitunter betrachten aufgeklärte Menschen den Glauben an 
einen Gott als intellektuellen Kunstfehler, der vor allem 
Naturwissenschaftlern nicht passieren darf.

Denn wo sei noch Platz für einen Schöpfer, dessen Werk die 
Molekularbiologie zu durchschauen vermeint: die Entstehung 
des Lebens, Zufall und Notwendigkeit der Evolution, die 
Entwicklung der Arten und schließlich die Menschwerdung 
der Primaten - das alles zeichnet die Naturwissenschaft 
nach und verfällt dabei der Versuchung – so sein zu wollen 
wie Gott – sicut erit deus.

Doch auch im Genomzeitalter bleibt der Mensch nur Staub – 
und kehrt wieder zu Staub zurück – den Gesetzmäßigkeiten 
der Kohlenwasserstoffchemie kann er nicht entfliehen, die 
physikalischen Grenzen unserer irdischen Existenz nicht 
überwinden.

Auch mit dem Wissen um das Genom bleibt unsere Erkenntnis 
nur Stückwerk, der Versuch, die letzten Dinge durchschauen zu 
wollen – scheitert an der physischen Begrenzung unseres 
Gehirns, selbst wenn es durch Datenverarbeitungstechnologien 
aufgerüstet wurde.

Und das erklärt auch die Notwendigkeit einer Offenbarung: das 
in Zeit und Raum eingebundene, aus Kohlenwasserstoff 
bestehende Gehirn wird – physikalisch – nie in der Lage sein, 
andere Dimensionen zu erfassen, geschweige, über die Existenz 
eines Weltenbaumeisters urteilen zu können. Wenn sich dieser 
uns nähert – dann kann er es auch nur im Gestalt von 
Kohlenwasserstoffmolekülen tun – was vor 2000 Jahren 
geschah, als Gott in das Fleisch "hineinkroch" und Mensch wurde.

Wir können einen Gott nur erkennen, wenn er einer von uns wird 
und sich unserer physikalischen Limitiertheit unterwirft.

Die Molekularbiologie stellt die Inkarnation nicht in Frage – im 
Gegenteil, sie verlangt sie. "Am Anfang war das Wort" – und 
dieses Wort ist Fleisch geworden – "et incarnatus est".

 

Dienstag, 13.3.2001
Die moderne Physik bietet viel Stoff zum Meditieren: und 
die Ergebnisse der Astro- und Quantenphysik legen es nahe , 
dass es Wirklichkeiten jenseits der Physik gibt – eine Meta–
physik. Denn die Ordnung unseres Kosmos übersteigt die 
Erkenntnisfähigkeit eines Gehirns, das nur aus 
Kohlenwasserstoffmolekülen besteht und auf eine Raum-
Zeit-Dimension limitiert ist.

Die Auswertung der Daten, die uns Satteliten und 
Weltraumteleskope übermitteln, sprechen für einen Beginn 
unseres Weltalls, die Materie ist nicht ewig, sie muss – nach 
den mathematischen Daten – einen Anfang besitzen. Man 
könnte dies auch Schöpfungsakt nennen.

Ein Ende des Kosmos hingegen scheint es nicht mehr zu 
geben – unvorstellbar für unser Gehirn – genauso wie die 
Gesetzmäßigkeiten, nach denen der Kosmos - einmal 
geschaffen – unsterblich prolongiert ist. Wer hat dabei die 
Schwerkraft so kalibriert, wie sie ist? Wäre sie nur um eine 
Nuance schwächer, wäre das Weltall schon bald nach dem 
Urknall wieder in sich zusammengestürzt. Kernkräfte, 
Massen und Ladungen, Strings und Energiequanten sind 
die Hintergründe unsere körperlichen Existenz, die 
möglicherweise beim physischen Tod – nur ihren 
Energiezustand ändert – und – vergleichbar mit 
Michelangelos Jüngstem Gericht – in einer völlig neuen 
Form wieder ersteht.

Vielleicht gibt es doch eine meta–physische, eine 
Existenz nach dem Tod? Sie wäre nicht im Widerspruch zu 
den Daten der Quantenphysik, die die Schöpfung in 
unverständlicher Schönheit nachzeichnet und nachrechnet.

Die Sonne tont in alter Weise – nach Brudersphären 
Wettgesang, und ihre vorgeschriebene Reis, vollendet sie 
mit Donnersang. Ihr Anblick gibt den Egeln Stärke – wenn 
keiner sie ergründen kann. Die unbegreiflich hohen Werke 
sind herrlich wie am ersten Tag.

 

Mittwoch, 14.3.2001
"Und Gott schuf den Menschen nach seinem Abbild – nach 
dem Abbild Gottes schuf er ihn."

Es ist ein Irrtum, zu vermeinen, die neuesten Erkenntnisse 
der molekularen Biowissenschaften, das Wissen um die 
Entstehen des Lebens und um die evolutionäre Entwicklung 
der Arten würden diesen Satz aus der Genesis relativieren 
und überflüssig machen. Im Gegenteil – sie scheinen ihn 
sogar zu bestätigen.

Der Mensch – und das ist auch eine Botschaft des Genoms – 
ist nicht Produkt eines Zufallsgenerators, sondern Abbild der 
ihn umgebenden Wirklichkeit, die sich in seinem Genom 
widerspiegelt. Unsere Augen sind exakt auf das schmale 
Lichtsegment orientiert, das von der Sonne zur Erde gelangt, 
die Biorhythmen unseres Körpers wurden von der Erdrotation 
determiniert und das Sauerstoffatom hat alle chemischen 
Reaktionen und Evolutionsschritte gesteuert, die zur Entstehung 
der Atmung führten.

Die Bestandteile des Erbgutes, der Zellen und der 
Signalmoleküle spiegeln exakt jene Verbindungen wider, die 
auf unserem Planeten verfügbar waren, als das Leben entstand.

Gleiches gilt auch für unseren Geist – er ist keineswegs in der 
Lage, Dinge zu erfinden, von denen er nicht vorher schon 
geprägt worden wäre, unser Intellekt ist reaktiv und assoziativ – 
dem umweltangepassten Instinkt von Tieren vergleichbar, an 
denen dies gut zu studieren ist.

Und so stellt die Molekularbiologie – nach der Sichtung der 
Datenlage und nach der Erkenntnis, dass unserer Gene und 
unsere Bewusstsein Spiegelbilder anderer Realitäten sind - 
eine theologische Überlegung in den Raum:

Wir wissen um Kausalität, weil das Gesetz von Ursache und 
Wirkung in unserer irdischen Dimension wirkt und im 
relativitätstheoretischem Segment der Biologie Gesetz ist, 
das uns prägte.

Auch die Schwerkraft, die leichteste aller physikalischen Kräfte, 
nehmen wir nur deswegen wahr, weil sie die Millionen von Arten, 
die die Evolution hervorgebracht hat – und letzten Endes auch 
die Physiologie des Menschen – imprägnierte.

Und für den Weltenbaumeister gilt gleiches: gäbe es ihn nicht – 
wir hätten von ihm keine begriffliche Ahnung.

 

Donnerstag, 15.3.2001
Mit der Jahrtausendwende hat das Genomzeitalter begonnen – 
die Software unseres Lebens liegt auf dem Tisch – der 
gläserne Mensch ist Wirklichkeit geworden.

Die Bevölkerung ist beunruhigt – die Intellektuellen beginnen zu 
jammern, weil sie erahnen bzw. erkennen, dass die Postmoderne 
die Menschheit in eine instrumentell-wissenschaftliche Welt des 
Gigantischen führte, die normative Philosophie, dies zu verwalten – 
jedoch fehlt Aus diesem Defizit heraus ruft man nach Verboten – 
doch Verbote können a la longe den Missbrauch nicht unterbinden. 
Die Biologie wird noch viele Einsteins hervorbringen – die Herzen 
der Menschen und deren charakterliche Kompetenz scheint jedoch 
noch in der Steinzeit zu verharren.

Nicht vom Brot allein leben die Menschen; und ihnen nur – immer 
mehr - Straßen, Häuser und Autos zu Verfügung zu stellen – 
erweist sich jetzt als zu wenig. Das Genomzeitalter benötigt – um 
geordnet ablaufen zu können – Respekt vor dem Einzelnen, 
Solidarität und Altruismus, das Wissen um den Wert der 
geschaffen Welt - vor allem aber einen rücksichtslosen Kampf 
gegen egozentrischen Tendenzen im kollektiven Bewusstsein.

Politik, Medien, Gewerkschaften und Interessenvertreter müssen 
ein neues Aufgabenfeld übernehmen. Nicht Verbote schützen im 
Genomzeitalter vor dem gefürchteten Missbrauch, sondern 
normative Wertdiskussionen, zu denen sich die Gruppierungen 
unseres Staates aufraffen müssen – sofern sie es können.

Marion Dönhoff schrieb einmal in der "Zeit": Moral und Ethik 
einer Gesellschaft hängen von der Bevölkerung selbst ab, von 
Gruppierungen, die Wertvorstellungen entwickeln und sie in die 
allgemeine Diskussion einbringen. Wenn der Genuss- und 
Konsumgesellschaft das Interesse daran fehlt, dann wird sie 
das Genomzeitalter nicht bewältigen können.

Es ist eine Ironie der Naturwissenschaft, dass sie Ethik und 
Theologie zu Hilfe rufen muss, um die verantwortungsvolle 
Nutzung ihrer Technologie garantieren zu können. Ob aber 
die Bevölkerung dafür reif und bereit ist? Wenn nicht – dann 
allerdings werden die letzten Dinge ärger sein als die ersten.

 

Freitag, 16.3.2001
Voll von Rauch war der Berg Sinai, als mit Feuer Gott auf 
ihn herabstieg, um Moses die 10 Gebote zu übergeben.

Der Dekalog gehört zu den großen Schätzen der 
Menschheit, die – und das soll die Geschichte aus der 
Genesis symbolisieren – im vorderen Orient entstanden, 
Grundlage der großen Offenbarungsreligionen wurde und 
über viertausend Jahre Grundprinzip des menschlichen 
Zusammenlebens blieben.

Sind diese Gebote aber noch brauchbar in einer Zeit des 
elektronischen Voyeurismus, des Kaufrausches und der 
Konsumgier, für eine Gesellschaft, deren Motto ist "Zuerst 
der Spaß – dann das Vergnügen" – Logo der 
egozentrischen Postmoderne?

Die Offenbarungsreligionen sind aufgerufen, ihre Ideologien 
zu präsentieren ihre Wertvorstellungen einzubringen und 
einen weltanschaulichen Beitrag zu leisten, um die sich 
anbahnenden Konflikte des Genomzeitalters zu entschärfen.

Dabei scheint es der Bergpredigt zu sein, die - kombiniert 
mit den 10 Geboten – auch den Konfliktstoff der neuen Zeit 
zu entschärfen und zu ordnen vermag.

"Selig die Barmherzigen, selig die Friedensstifter, selig, die 
nach Gerechtigkeit suchen.

Wer deinen Rock nimmt, dem gib auch den Mantel, und wer 
dich nötigt eine Meile mit ihm zu gehen, mit dem gehe auch 
zwei. Nicht Aug um Aug – und nicht Zahn um Zahn – das 
Böse kann nur mit dem Guten beantwortet werden. Und 
warum erblickst Du den Splitter im Auge deines Nächsten – 
den Balken im eigenen Auge jedoch siehst du nicht.

Und vor allem: Was ihr wollt, dass euch die Leute tun, das 
müsst auch ihn ihnen tun – denn das ist das Gesetz und die 
Botschaft der Propheten."

 

Samstag, 17.3.2001
Von den drei großen Träumen der Menschheit sind zwei 
bereits in Erfüllung gegangen: die Umwandlung der Elemente 
und die Überwindung der Schwerkraft.

Der dritte Traum hingegen blieb Illusion – der Sieg im Kampf 
gegen das Altern und die Antwort auf die uralte Frage – was 
ist der Mensch.

Vor kurzem schlossen die biologischen Wissenschaften einen 
Pakt – nämlich mit der Computertechnologie, die auszog, einen 
besonderen Inhalt für ihre Datenverarbeitung zu suchen – und 
diesen in den biologischen Fächern fand. So aufgerüstet und in 
dieser Koalition werden Medizin und Biologie zu den 
Leitdisziplinen unserer Zeit, an denen sich die Gesellschaft zu 
orientieren und auch zu reiben hat.

Ehrgeizig setzten sich beide Wissenschaften ein Ziel, nämlich in 
endgültiger Weise das umzusetzen, was die Inschrift des Apollo-
Tempels in Delphi jedem eintretenden Pilger befahl: "gnothi 
seauton" – erkenne Dich selbst.

Zum ersten Mal in seiner langen Existenz beginnt nun der 
Mensch im Geschichtsbuch seiner Entstehung zu blättern und 
entdeckt dabei den Zeitpunkt, in dem er die Affen verließ und zum 
homo sapiens wurde, er seht, das der Unterschied zu den Tieren 
weniger in den Genen, sondern mehr in der menschlichen 
Schwangerschaft liegt und erspäht zahlreiche Teile seines 
Erbgutes auch bei den Vögeln, den Fröschen, ja selbst bei den 
Würmern.

Damit wird die Naturwissenschaft zur Philosophie und greift mit 
ihren Werkzeugen die Fragen Kants auf:

Was kann ich wissen - was darf ich hoffen - was muss ich tun - 
was ist der Mensch.

 

 

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Letztes Update dieser Seite am  14.03.2001 um 13:42