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Gedanken für den Tag
Montag bis Samstag, 6.57 Uhr - 7.00 Uhr, Radio Österreich 1
von Prälat Maximilian Fürnsinn
WEGSUCHE
Montag, 30. April. 2001
"Was treibt mich im Leben?" - das ist eine Grundfrage
des Menschen. In vielen Prototypen des Menschseins
steckt diese Frage: in Odysseus und Hiob, in Spinoza
und Camus - um nur ein paar Namen zu nennen.
Ich bleibe mit dieser Frage bei Aurelius Augustinus. Er
lebte um das Jahr 400 als Bischof von Hippo Regius in
Nordafrika. Er war ein Mensch auf Wegsuche: sinnlich,
leidenschaftlich, ehrgeizig, unruhig, umtriebig. - Ein fast
moderner Mensch.
"Ich verrate die Lebensformel dieses "Mustermenschen"
Augustinus, die er klassisch in einem Satz
zusammenfasst: "Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in
Dir. Denn auf Dich hin, Gott, hast Du uns geschaffen!" -
Augustinus kennt also die Frage sehr gut: " Was treibt
mich im Leben?"
Augustinus selbst ist ein Spätheimkehrer. Er braucht
rund 30 Jahre, um das Ziel seines Weges zu erkennen
- oder wie er es bezeichnet - um heimzufinden.
Unruhe und Herz sind zwei Schlüsselworte von Bischof
Augustinus. Diese beiden Worte charakterisieren den
Prozess seiner Wegsuche: Unruhe steht für Umweg,
Entfremdung, Entdeckung, Dynamik, Begierde,
Sehnsucht. Das finden wir alle in uns. Da können wir
alle mit.
Dann ist da noch das Herz - die lebendige Mitte des
Menschen. Von diesem Herzen gehen die
Unruheimpulse aus, die uns einladen, heimzukommen.
Dieses Herz ist abgrundtief, so tief, dass der Mensch
darin Gott berühren kann.
In diese Mitte findet Augustinus heim: zu sich und zu
Gott. Beides gehört zusammen. Beides lässt sich
voneinander nicht trennen. "Denn auf Dich hin, Gott,
hast Du uns geschaffen."
Der Mensch geht immer nach Hause - zu sich
selber und zu Gott.
GOTTFINDEN
Mittwoch, 2 Mai. 2001
Der "Mustermensch" Aurelius Augustinus, Bischof
von Hippo Regius in Nordafrika um das Jahr 400 n.
Chr., ist ein leidenschaftlicher Wegsucher - mit einem
unruhigen und brennenden Herzen.
Genau dieses Herz ist für Augustinus der Ort des
Gottfindens, nicht nur der Gottsuche. In der Mitte
seines Herzens findet er heim.
Dazu gibt es ein kostbares Wort von Augustinus -
nämlich: "Gott ist dir näher als du dir selbst nahe bist!"
Augustinus spricht damit die tiefste Wahrheit über den
Menschen aus - dass nämlich
Gott ist in jedem Menschen daheim. In der Mitte
unserer Mitte, in der Tiefe unserer Tiefe, im Herzen
unseres Herzens ist ER da. Gott Ist Quelle des Lebens.
Gott ist das Brunnenwasser unserer Liebe.
Das muss man erst einmal annehmen und realisieren:
dass die Mitte unseres Lebens erfüllt. liebend, saftig
und feurig - göttlich ist.
Dieser liebende Gott in unserer Mitte zieht uns immer
neu ins Leben, spricht sich uns von innen her zu, redet
auf uns ein, ist wie ein "stilles Geschrei" in uns, schenkt
sich uns persönlich, zeigt uns Sein Gesicht, berührt uns
leidenschaftlich.
Von dieser Gotteserfahrung und Gottesberührung sagt
Augustinus: "telegisti me!" - Du hast mich angerührt" -
eine Berührung, die eine "Gänsehaut" auslöst, weil sie
so glücklich macht.
Gotteserfahrung - so zeigt Augustinus - ist nicht fad
oder akademisch oder bloß eine Sache des Gehirns.
Sie ist Herzenssache.
"Gott ist dir näher, als du dir selbst nahe bist!" - davon
leben wir!
"Gott ist dir näher, als du dir selbst nahe bist!" - das
macht glücklich!
GEBET
Donnerstag, 3. Mai. 2001
"Deine Sehnsucht ist dein Gebet!" - das ist auch so
ein "Spitzenwort" des hl. Augustinus. Er findet zu dieser
Aussage im Bedenken des Jesuswortes: "Ihr sollt
allezeit beten!" Aber kann der Mensch ununterbrochen
mit Gott reden? Kann er ständig an. Gott denken?
Augustinus sucht einen anderen Weg für das Gebet.
Der Mensch kann trotz Arbeit und Tätigkeit voll
Sehnsucht nach Gott sein und bleiben. So definiert
Augustinus das Gebet als Sehnsucht.
Sehnsucht gehört zum Vokular der Liebenden.
Schön, wenn Gebet Sprache der Liebe ist Und wo es
das nicht ist kann man es weglassen.
Wenn Gebet bloß Pflicht ist, wenn es zum kalten
Ritual oder einem Kreisen des Menschen um sich
selbst geworden ist - dann ist dieses Gebet meist nur
mehr der Ausdruck einer erstorbenen Liebe zu Gott.
Sehnsuchtslosigkeit ist der häufigste Grund für eine
Krise des Gebetes.
"Deine Sehnsucht ist dein Gebet!" Mit diesem Wort
sagt Augustinus sehr viel über den Menschen aus -
dass er nämlich ein Wesen der Sehnsucht ist und dass
die Erfüllung des Menschen nur Gott sein kann. In die
Sprache der Liebe übersetzt heißt das: Gott, ohne Dich
kann ich nicht leben!
"Deine Sehnsucht ist dein Gebet!" - das beschreibt
auch die Beziehung des Menschen zu Gott. Sie macht
den Menschen nicht abhängig, sondern erhöht seine
Freiheit und seinen Wert. Der Mensch wächst in dieser
Sehnsucht nach Gott über sich selbst hinaus. Gott hebt
alle Grenzen auf. Und Gottes Liebe bestätigt den
Menschen ganz und gar
Nicht der Spiegel zeigt das wahre Gesicht eines
Menschen, sondern der Blick aus dem Gesicht eines
anderen - insbesonders der An-Blick Gottes.
"Deine Sehnsucht ist dein Gebet!" - sagt Augustinus.
Roger Schutz, der Prior von Taize sagt es ähnlich:
"Gebet ist das Bewusstsein einer tiefen Freundschaft
mit Gott!"
Freitag, 4. Mai. 2001
"Weggehen von Gott heißt sterben, zurückkehren zu Gott
heißt auferstehen, wohnen bei Gott heißt leben!" So
beschreibt der hl. Augustinus den österlichen Weg des
Menschen.
Wir sind in Gott eingetaucht, eingehüllt in Seine
heilende und liebende Gegenwart. Wir atmen in Gott,
weinen in Gott, lachen in Gott. Wir leben, wenn wir in
Gott sind. Ohne Gott fallen wir ins Nichts.
Das ist die österliche Blickrichtung: Jesu Auferweckung
und Erhöhung zum Vater verändert unser Gottes- und
Menschenbild. Gott nicht ohne den Menschen und der
Mensch nicht ohne Gott. Wir sind nicht nur auf Gott
bezogen, wir leben, bewegen uns und sind in Gott.
Vor diesem Hintergrund wird uns die Tragweite des
Augustinuswortes bewusst: "Weggehen von Gott
heißt sterben, zurückkehren zu Gott heißt
auferstehen, wohnen bei Gott heißt leben!"
Augustinus hat das in seinem Leben erfahren. Sein
Leben war turbulent: Exzesse, geistige
Erschütterungen, Depressionen, Irrungen, ohne
Frieden, ein gequältes Leben für eine Karriere,
krankhafte Selbstzerstörung. Er ist sich selbst zum
Rätsel geworden -sagt er. "Weggehen von Gott heißt
sterben" - so drückt Augustinus die Entfremdung des
Menschen ohne Gott aus. Die Lebensentscheidung
für Gott schiebt Augustinus ständig vor sich her. Er
ist ein Gefangener seiner Selbstbehauptung und
seines Gotteskomplexes.
Auferstehung erlebt Augustinus in seiner Bekehrung
- die nicht in einem Augenblick geschieht, sondern
ein langer schmerzlicher Prozess der Heimkehr ist.
Er beschreibt im Buch der Bekenntnisse diesen
Durchbruch zu Gott als tiefen Frieden, als Glück
der Befreiung und mit dem Jubel der Erlösung.
Er hat zum österlichen Leben gefunden.
Samstag, 5. Mai. 2001
"Liebe und tu, was du willst!" - ein
missverständliches und umstrittenes Wort des
hl. Augustinus. Es soll uns in den heutigen Tag begleiten.
"Liebe und tu, was du willst!" Ist das ein Freibrief? Werden
damit alle Gebote und Gesetze aufgehoben? Kann man
mit Liebe alles rechtfertigen?
"Liebe und tu, was du willst" – ist ein Zitat aus einer
nachgeholten Osterpredigt des hl. Augustinus. In der
Osterwoche des Jahres 407 hält Augustinus 10 Predigten
über den 1. Johannesbrief. In einer dieser Predigten fällt
der Satz: "Liebe und tu, was du willst!"
Augustinus ist inspiriert von den Überlegungen des 1.
Johannesbriefes zum Thema Liebe. Augustinus schärft
ein, dass das Wesen Gottes Liebe ist. Das ist die
entscheidende Klarstellung zum christlichen
Gottesgeheimnis. Gott ist Liebe - das ist bedingungslose
Nähe Gottes, Zuwendung, liebende Gegenwart. Jede
Zeile der Bibel spricht von diesem nahen Gott -
angefangen vom brennenden Dornbusch bis zum
Feuer des Auferstandenen in unserer Mitte.
Diese göttliche Liebe zieht an, strömt im HI. Geist
aus und lässt das Beziehungsgeflecht Kirche
entstehen. Daher ist klar: Das Fest der Liebe Gottes
wird dort gefeiert, wo man die Liebe Gottes nicht für
sich selbst empfängt, sondern alle in die Umarmung
Gottes einbezieht. Die Liebe zu Gott ist als Liebe zu den
Menschen erfahrbar zu machen. Ohne das Geheimnis
der Liebe Gottes erstickt die Welt an einem gnadenlosen
Funktionalismus und es stirbt letztlich auch die Fähigkeit
des Menschen zu lieben. .
Liebe ist göttlich - wer das begreift, versteht auch das
Augustinuswort: "Liebe und tu, was du willst!"
Letztes Update dieser Seite am 07.05.2001 um 14:29