Bischof Richard Weberberger

Gedanken für den Tag
Montag bis Samstag, 6.57 Uhr - 7.00 Uhr, Radio Österreich 1

 

Lebensregeln aus dem biblischen 
Buch der Weisheiten

von Bischof Richard Weberberger
(Diözese Bareiras, Brasilien)

Montag, 9.7.2001
Ich möchte Ihnen einfach ein paar Gedanken aus 
dem Buch der Sprichwörter des AT vorlesen:
Es geht hier um Lebensweisheiten für Menschen, 
die ihr Leben auf
Gott ausrichten:
Im 11. Kapitel, Vers 1 steht:
Gott ist hier das Maß. Er entscheidet, was recht
und unrecht (ein Gräuel) ist.
Jeder kann das Wort 
der falschen Waage und des vollen Gewichtes für 
sein eigenes Leben denken.
Es mag sich auf den Verkauf und auf den 
Tauschhandel beziehen - falsche Waage gibt es 
aber auch in
den menschlichen Beziehungen. Da 
stimmt Geben und
Nehmen nicht mehr. Man will 
mehr nehmen als geben.
Man nimmt sich zuviel 
heraus. Jeder will den anderen übervorteilen. 
Falschhändler sind nicht selten.
Oder aus allem Vorteile für sich herausschlagen,
auch auf Kosten des anderen oder des 
Gemeinwohles.
Volles Gewicht findet das 
Gefallen des Herrn. Volles
Gewicht kann vieles 
sein: Ehrlichkeit , Gerechtigkeit ,
vor allem 
Großmut und Großzügigkeit, weil Gott
großzügig 
ist.

Jesus zeigt ihn uns so in vielen Reden.
im Geben
in der Liebe
in der Lösung von Problemen

Paulus sagt: Einen freudigen Geber hat Gott gerne.
(2 Kor 9,6-7): "Wer kärglich sät, wird kärglich
ernten, 
wer reichlich sät, wird reichlich ernten.
Großmut macht uns zu glücklichen Menschen.

Dienstag, 10.7.2001
Im 14. Kapitel, Vers 7 der Sprichwörter steht: "Die
Gottesfurcht ist ein Lebensquell, um den Schlingen
des Todes zu entgehen."

Der Gottesfürchtige hat feste Zuversicht, die 
Gottesfurcht ist ein Lebensquell. Das Wort Gottesfurcht,
d.h. Ehrfurcht vor Gott, mag ein wenig veraltet klingen, 
aber was mit dem Spruch gemeint ist, hat einen
tieferen Sinn und kommt aus einer existentiellen 
Lebenserfahrung. Wer mit und aus Gott lebt, empfindet
und erfährt ihn als tragende lebendige Kraft für das
Leben.

Die Schlingen des Todes, die uns bedrohen, sind
viele, z.B. Angst, Unsicherheit, Traurigkeit,
Depression, fehlende Lebensfreude,
fehlende Freude an der Arbeit.

Die Schlingen des Todes sind aber auch
Egoismus, Hochmut und Stolz,
die uns unfähig 
machen, brüderlich und geschwisterlich zu 
leben, denn es sind zerstörerische Kräfte,
die 
nichts aufbauen.

Die Gottesfurcht ist jene positive Kraft, die dem
Menschen existenzielle Sicherheit, Zuversicht,
Freude am Leben und Gelassenheit gibt.
Gottesfurcht relativiert in gewisser Hinsicht
Freud und Leid, denn sie gibt dem Menschen einen
anderen, größeren Horizont. Der gottesfürchtige
Mensch ist nicht in sich eingeschlossen (ohne 
Aussicht), noch fühlt er sich dem Stärkeren, dem 
Unvermeidlichen oder dem Schicksal ausgeliefert.

Denn Gottesfurcht oder Gottvertrauen oder einfach
der Glaube an Gott verweist, zeigt uns über uns
hinaus. Er gibt uns Festigkeit und Hoffnung und 
Gelassenheit auch in schwierigen Lebenssituationen,
die sich nicht von einem Tag auf den anderen lösen
lassen.

Daher betet der Psalmist:
"Wer auf den Herrn vertraut,
steht fest wie der Zionsberg,
der niemals wankt, der ewig bleibt " ( Ps 125) 

Mittwoch, 11.7.2001
In Kap.15, 13 + 16 lesen wir: "Ein fröhliches Herz
macht das Gesicht heiter, Kummer im Herzen bedrückt
das Gemüt ... Besser wenig in Gottesfurcht als reiche 
Schätze und keine Ruhe."

Wir haben unser Leben gar nicht so in der Hand, wie
wir es gerne hätten. Im Text heißt das "Kummer" und
"keine Ruhe". Kummer oder fehlende Ruhe können 
viele Ursachen haben: (fehlende) 
Gesundheitsprobleme,
Sorge um die Familie, 
Probleme am Arbeitsplatz.

Kummer ist da, wenn uns im Leben das und jenes nicht
so gelingt, wie wir es gerne hätten. Kummer haben
wir aus fehlenden oder schwierigen menschlichen
Beziehungen.

Wie können wir diese Situationen überwinden, meistern,
ändern oder einfach ertragen? Wie kann denn unser
Herz fröhlich werden?
Besser wenig, aber das in Gottesfurcht, als vieles
(reiche Schätze) und keine Ruhe.

Vielleicht fordern und erwarten wir vom Leben, von
uns selber, von den anderen einfach zu viel. Die
reichen Schätze sind halt oft überzogene 
Erwartungen an das Leben. Wir können mit etwas 
weniger durchaus leben und vielleicht mehr Ruhe 
und Zufriedenheit finden.
Wir haben oft nicht einmal die Zeit (oder die innere 
Ruhe), uns an all den vielen schönen und guten
Dingen, die wir haben, zu erfreuen. Wir haben keine
Zeit, sie zu genießen. (Wie mir ein Freund etwas
resigniert sagte: "Ich hab jetzt einen Fernseher
mit 40 Kanälen, aber ich hab oft nicht einmal die
Zeit, die Nachrichten anzuschauen.")

Arme Menschen sind auch mit wenigen Schätzen schon
zufrieden. Welche Freude, wenn sie das 
Lebensnotwendige haben! Das habe ich oft genug 
erlebt.

Vers 17 drückt das etwas drastisch so aus:
"Besser ein Gericht Gemüse, wo Liebe herrscht,
als ein gemästeter Ochse und Hass dabei."

Liebe und Gottesfurcht sind immer bessere Wege zu
einem glücklichen Leben. Sie helfen uns, (im Leben)
manches zu verbessern und anderes leichter zu 
ertragen.

Donnerstag, 12.7.2001
Im Buch der Sprichwörter Kap 16,9 heißt es:
Das volkstümliche Sprichwort heißt: "Der Mensch
denkt und Gott lenkt."

Wie ist Gott eigentlich gegenwärtig? Sicherlich
nicht so, dass wir uns nicht anstrengen müssten,
im Gegenteil, das Leben erfordert von uns viel an
geistiger, manchmal auch an körperlicher 
Anstrengung. Das moderne Leben ist nicht einfacher 
oder
bequemer geworden. Schon der Schüler muss 
viel denken; die moderne Arbeitswelt erfordert kreative
Menschen, nicht Roboter.

Aber für den gläubigen Menschen hat das Leben noch
eine andere Sicht: Wir erleben es, dass es so viele
Dinge gibt, die gar nicht so sehr von uns abhängen
oder die wir oft nur sehr marginal beeinflussen
können: Andere bestimmen über uns. Wir hängen von
den Entscheidungen anderer ab.

Haben wir eigentlich die Gesundheit so ganz im Griff?
Haben wir das Leben im Griff?
In dieser Erfahrung der Begrenztheit sagt einer:
"Es ist halt Schicksal, dass es so kommt. Der 
gläubige Mensch aber erlebt im Horizont Gottes: Der
Herr lenkt seinen Schritt, nein es ist nicht Kismet
oder Zufall. Mein Leben steht in Gottes Hand.
Viele Ereignisse sind mir oft unverständlich, es
gibt so etwas wie ein Geheimnis des Lebens. Es ist
aber gut zu wissen, im letzten sind es nicht 
"geheimnisvollen Mächte" oder Schicksale, die mein 
Leben lenken, sondern Gott, von dem uns Jesus sagte,
dass er ein liebender Vater ist, in dessen Hand 
unser Leben liegt.

Sprichwörter 16,9:
"Des Menschen Herz plant seinen Weg,
doch der Herr lenkt seinen Schritt."

Freitag, 13.7.2001
Im Buch der Sprichwörter, Kap.18 heißt es in Vers
10-11: "Ein fester Turm ist der Name des Herrn,
dorthin eilt der Gerechte und ist geborgen.
Für den Reichen ist sein Vermögen wie eine feste
Stadt, wie eine hohe Mauer - in seiner Einbildung."

In Brasilien werden um alle Häuser, Schulgebäude,
Konvente usw. hohe Mauern gebaut als Schutz gegen
einbrechende Diebe. Das kostet nicht nur viel Geld,
sondern sondert auch ab und verstellt einem die
Sicht. Und wer darinnen ist, ist wie eingesperrt.
Die Gauner laufen draußen frei herum, die normalen
Bürger sind in ihren Häusern eingesperrt oder 
eingemauert.

Ein Reicher baute ein neues Haus am Rand der 
Favela. Er machte sich aber dann Sorgen; aber seine
Frau sagte: "Bauen wir eine hohe Mauer herum, 
damit wir die soziale Not und Ungerechtigkeit nicht
sehen; mauern wir uns ab, damit wir nicht belastet
sind."

Daher heißt es: Der Reiche glaubt, dass sein 
Vermögen eine feste Stadt ist und eine schützende 
Mauer
"in seiner Einbildung" , wie etwas sarkastisch
angefügt ist.

Bauen wir hohe Mauern um uns herum? In unserer 
Einbildung glauben wir, dass sie uns schützen. In 
Wirklichkeit nehmen sie uns die Sicht und die 
Aussicht
und Einsicht und wir betonieren und mauern 
uns ein
in unserer Haltung und Meinung.

Ich denke, dass der Spruch uns zwei Gedanken 
nahebringen will: Das materielle Vermögen ist keine
wirkliche Sicherheit, und das Einmauern eine Illusion 
und Gefahr.
Es gibt so viele Berliner Mauern in den Herzen, die
die Menschen trennen, Familien spalten und 
Eheleute trennen. Wir müssen sie einreißen.

Daher heißt es in Vers 10: Ein fester Turm ist der
Name des Herrn, dort ist Geborgenheit und 
Sicherheit (für den Gerechten). Es ist gut, wenn wir 
die
wahre Sicherheit und Geborgenheit, die jeder 
Mensch
braucht, dort suchen, wo sie wirklich ist: im 
Namen des Herrn.

Mauern trennen, sie helfen nicht, wir müssen sie
abbauen. Unsere Hilfe ist im Namen des Herrn.

Samstag, 14.7.2001
In Kapitel 21, Vers 5 im Buch der Sprichwörter
heißt es: "Die Pläne des Fleißigen bringen Gewinn,
doch der hastige Mensch hat nur Mangel."

Fleiß und Arbeit sind notwendig und gut für den
Menschen; die moderne Arbeits- und Lebenswelt ist
aber oft dem Lebensrhythmus des Menschen nicht 
mehr
angepasst. Stress heißt ein Modewort, gleitende 
Arbeitswoche, das will aufzeigen, dass der 
Arbeitsrhythmus für viele Menschen eine 
übermenschliche
Belastung bedeutet. Manchmal 
kann man sich fragen:
Für wen rackern wir uns ab? Um welchen Preis? Was
für ein Gewinn? Finanzieller Gewinn, menschlicher
Gewinn, Gewinn für die Familie oder nur für die
Firma?

Daher ist der Mensch oft ein hastiger und hastender
Mensch, und der hat nur Mangel (an Freude, an 
Gesundheit , an Harmonie.
Daher ist es so notwendig, dass es Momente, 
Stunden, Tage, Zeiten gibt, da wir die Hast ablegen
und zur Ruhe kommen. Hoffentlich ist das Wochenende
(die Sonntagsruhe) nicht wieder Stress, sondern
Einkehr bei sich, in sich, bei Gott. Aus dieser
Einkehr in Ruhe schöpfen wir die Kraft zum Leben.

Die Einkehr kann viele verschiedene Formen haben:
Gebet, Sonntagsmesse, Lektüre, Musik, Rosenkranz,
das Meditieren in der Natur, am Berg, das 
gleichmäßige Anschlagen der Wellen eines Sees...

Daher betet auch der Psalmist:
"Der Herr ist mein Hirte,
nichts wird mir fehlen.
Er lässt mich lagern auf grünen Auen
und führt mich zum Ruheplatz am Wasser"
Ps 23,1-2

 

Pfeil zum Seitenanfang

Letztes Update dieser Seite am  16.07.2001 um 12:03