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Gedanken für den Tag
Montag bis Samstag, 6.57 Uhr - 7.00 Uhr, Radio Österreich 1

 

von Pater Leo Wallner SJ
Jesuitenpater im Kardinal König 
Haus in Wien-Lainz

LEGENDEN - "MAN MUSS SIE DER EIGENEN 
SEELE WEGEN LESEN!" (Walter Nigg)

Montag, 23. Juli 2001
CHRISTOPHORUS I

Zum Beispiel die vom hl. Christophorus. Der ja 
nicht von Anfang an so geheißen hat. Reprobus war 
sein Name gewesen, "der Verworfene". Ein Riese im 
Dienst des Königs von Kanaan, schrecklich 
anzusehen. Manche sagen: wegen seines 
hundsköpfigen Schädels. Wohin mit seiner Kraft? 
Da kommt ihm in den Sinn: In den Dienst des größten 
Königs, den es gibt auf der Welt! Wie er den gefunden 
zu haben glaubt, bemerkt er, dass der, ein Christ, sich 
aus Angst immer bekreuzigt, wenn er den Teufel nennen 
hört. Also muss Reprobus den Teufel suchen! Ihm 
verpflichtet er sich für ewige Zeit - bis er ihn eines Tages 
vor einem Kreuz am Wegrand fliehen sieht. Auf sein 
nachdrückliches Befragen rückt der Teufel mit dem Grund 
heraus: "Es hat da einmal einen gegeben - sie nennen ihn 
Christus -, der wurde ans Kreuz geschlagen; wenn ich das 
Zeichen seines Kreuzes sehe, gerate ich in Angst und 
muss davor fliehen!" Reprobus darauf: " So leb denn wohl! 
Ich muss diesen Christus suchen..."

Überall fragt er nach einem Menschen, der ihm über 
Christus Auskunft geben kann. Ein Einsiedler ist bereit, ihn 
im Glauben zu unterrichten, und sagt ihm dabei: "Der König, 
dem du dienen willst, verlangt als Gehorsamserweis häufiges 
Fasten." - "Alles andere, aber das kann ich nicht", erwidert 
der immer hungrige Riese. Drauf der Einsiedler: "Du wirst 
auch viel beten müssen." Reprobus: "Ich weiß nicht, was das 
ist, und so kann ich auch diesen Dienst nicht verrichten." Der 
Einsiedler weiß guten Rat: "Du kennst doch den großen Fluss, 
in dem so viele Menschen ertrinken, wenn sie hinüberwollen: 
Groß und stark, wie du bist, könntest du dich am Ufer 
niederlassen und die Leute durchs Wasser tragen. Das wäre 
dem König Christus wohlgefällig; und ich hoffe, dass er sich dir 
dort offenbaren wird!"

Auf diese vage Hoffnung hin stellt sich der Grobschlächtige mit 
dem, was er zu bieten hat, in den Dienst seiner Mitmenschen. 
Ein anonymer Christ, "Christophorus anonymus"!

Dienstag, 24. Juli 2001
CHRISTOPHORUS II

"Der eigenen Seele wegen", sagt der Schweizer Protestant 
Walter Nigg einmal, "muss man Legenden lesen". Zum Beispiel 
die von dem Riesen, der nun seit Jahren Reisende durch den 
Fluss trägt - im Dienst des ihm noch unbekannten Christus. Ja, 
und eines Tages, wie er da in seiner Hütte schläft, hört er eine 
Kinderstimme: "Komm heraus, bring mich hinüber!" Draußen 
ist aber niemand, und er kehrt zurück. Das Ganze wiederholt sich 
noch zweimal, und dann ist da der kleine Bub, der gerufen hat. 
Der Riese nimmt das Kind auf seine Schultern und mit einem 
jungen Baumstamm in der Hand stapft er in den Fluss hinein. 
Unzählige Male ist er so dargestellt an Kirchenwänden.

Und was dann passiert, wissen noch viele: dass das Wasser 
mehr und mehr anschwillt und der Knabe immer schwerer wird,
je weiter es in den Fluss hineingeht. Er "erreicht" das Ziel "mit 
Müh und Not," auf seinen Schultern "das Kind ist" - natürlich 
nicht "tot", muss sich aber den Vorwurf gefallen lassen: "In 
große Gefahr hast du mich gebracht, Knabe! Wie wenn ich die 
ganze Welt getragen hätte, so schwer warst du!" - "Wundere 
dich nicht", ist die Antwort, "du hast nicht nur die ganze Welt 
auf dir gehabt, sondern auch den noch, der die Welt geschaffen 
hat. Ich bin Christus, dein König, dem du mit dieser Arbeit dienst. 
Zum Beweis dafür steck deinen Stab, wenn du zurück bist, 
neben deiner Hütte in die Erde, und morgen früh wird er blühen 
und Frucht tragen!" Damit war das Kind verschwunden, und 
tatsächlich, der eingepflanzte Baumstamm hat am nächsten 
Tag Laub und Datteln getragen wie ein Palme. Sein Besitzer 
aber ist seit dieser Taufe als der hl. Christophorus, 
Christusträger, bekannt.

Kann man plastischer darstellen, was Christ sein, was "den 
Namen Christi tragen" - und nicht nur den Namen! - eigentlich 
heißt, als es die Legende mit ihrer Namensdeutung tut? Wer 
immer sich angesprochen fühlt, ist eingeladen, "seiner eigenen 
Seele wegen" dieses legendären Heiligen heute an seinem 
Festtag zu gedenken - und das nicht nur beim rücksichtsvollen 
Autofahren!...

Mi 25. Juli 2001
DER HEILIGE "SANTIAGO"

Zum Beispiel die Legende vom - fast hätte ich gesagt: 
heiligen - Santiago, wenn nicht "Sankt Jakob" genügte, dessen 
Fest an unzähligen Orten unserer mehr oder weniger 
christlichen Welt am heutigen Tag gefeiert wird. Ja, ja: er war 
ein Apostel Jesu und ein "Donnersohn" wie sein Bruder 
Johannes und hat als erster der Zwölf den Martertod erlitten: 
nach der Apostelgeschichte (12,2) hat ihn Herodes Agrippa 
"mit dem Schwert hinrichten lassen".

"Die Legende, er habe in Spanien gepredigt und sei dort 
begraben, ist heute allgemein aufgegeben, doch ist es nicht 
unwahrscheinlich, dass sein Leib nach Santiago de 
Compostela gebracht worden ist." So lese ich in einer gut 
gemeinten Einführung zum Fest und setze dem entgegen, 
dass diese wie andere Legenden uns bleibend gegeben und 
aufgegeben sind - zur Meditation, "unserer Seele wegen", wie 
Walter Nigg es ausdrückt.

Aufzugeben ist nur die naive Unterstellung, Legenden wollten 
banale Tatsachen rapportieren. Ihnen geht es einzig und allein 
um Deutung: Deutung einer Gestalt, eines Ortes, einer Zeit, 
mit oder ohne historischen Kern, und so um ihre Bedeutung 
für die Menschen, die sich ihrem Anspruch öffnen.

Dies nun gilt wahrlich für den Europa-Pilger Jakobus mit Buch 
und Schwert, Pilgerstab und Pilgermuschel. Wie entlastend 
ist es doch für die Verkünder des Evangeliums, wenn selbst 
der Zwölfe einer mit seiner Predigt in Spanien zunächst nichts 
ausrichtet, wenn er da nur neun (oder gar nur einen einzigen) 
Jünger gewinnen konnte - trotz Ermutigung durch die hl. Jungfrau 
Maria in Zaragoza, wo sie ihn in der Nacht vom 2. Jänner des 
Jahres 40 aufgesucht haben soll! Und wie trostreich zugleich: 
Was dem irdischen Apostel verwehrt blieb, erreicht der 
himmlische: Spanien nimmt das Evangelium an und verteidigt 
es mit des Apostels Hilfe gegen die Mauren. Sein Grab aber 
am Ende der Welt, dort, wo die Sonne Tag für Tag ins Meer 
versinkt, wird Wallfahrtsziel für Menschen aller Stände und 
Nationen, die ihr Leben auf dieser Erde als Pilgerschaft zur 
ewigen Heimat zu begreifen suchen, und sie - in unseren 
Tagen neu - einüben auf den Jakobswegen quer durch Europa.

Do 26. Juli 2001
DIE HEILIGE MUTTER ANNA

"Heilige Mutter Anna, hilf! Ich werd ein Mönch!" So hat Martin 
Luther am 2. Juli 1505 während eines schrecklichen Gewitters 
ausgerufen und gelobt. Gelobt, getan!

Für mich am heutigen Anna-Fest nur Beispiel für die große 
Verehrung, die diese nur aus der Legende bekannte Mutter der 
Gottesmutter und Großmutter Jesu von alters her in der Kirche - 
in der abendländischen seit dem 10. Jahrhundert - genießt. 
Bekannt geworden ist in diesem Sinn die Darstellung der "Anna 
Selbdritt", in der die Heilige oft Maria und Jesus wie zwei 
Geschwister auf ihren Knien trägt.

Ihr ebenso legendärer Mann Joachim ist erst im 16. Jahrhundert 
"zur Ehre der Altäre gekommen". Nach dem 2. Vatikanum 
schließlich wurde er seiner Gattin an ihrem Festtag zugesellt - 
und zugleich vorgesetzt, wie im Kalender heute zu lesen steht: 
"Hl. Joachim und hl. Anna, Eltern der Gottesmutter Maria".

Nun, in der frommen Meditation, der die Legende entstammt, 
gehören die beiden ja schon zusammen. Nur, weil seine Frau 
unfruchtbar ist - wie Sara es gewesen war und Hanna, die späte 
Mutter des großen Samuel -, hat Joachim Spott und 
Zurückweisung zu leiden. Als Gott schließlich Erbarmen zeigt, 
und Anna ein Kind empfängt, wird dieses Kind in Dankbarkeit 
Gott geweiht. Als ob es sich um einen heidnischen Tempel 
handeln würde, macht die Legende Maria mit drei Jahren zur 
Tempeljungfrau - das alte Fest "Mariä Opferung" hat daran 
erinnert - und weiß so manch Wunderbares zu berichten, das 
in jener Zeit Gottes Wohlgefallen deuten konnte, zum Beispiel, 
dass Maria später das Los zugefallen ist, den Tempelvorhang 
zu spinnen...

Interessant ist aber, dass auch spätere Jahrhunderte 
entsprechend neueren Vorstellungen und Erfordernissen an 
der Legende weitergesponnen haben. Oder ist es nicht geradezu 
eine frühe Regung des Feminismus, wenn es nun zu Beginn der 
Neuzeit zu einer oft wiederholten Darstellung kommt - etwa auf 
einem Gemälde Andrea Pozzos in der Wiener Jesuitenkirche -, 
in der die hl. Mutter Anna das Mädchen Maria lesen und schreiben 
lehrt?

Heute vor 40 Jahren übrigens, am St. Anna-Tag 1961, wurde ich 
in Innsbruck zum Priester geweiht - zusammen mit 27 anderen 
Jesuiten aus vielen Ländern, darunter Ignacio Ellacuría, einer der 
in El Salvador ermordeten Befreiungstheologen. Ich bin dankbar, 
wenn die hl. Mutter Anna unsere Fürsprecherin bleibt!

Freitag, 27. Juli 2001
DIE HEILIGEN SIEBENSCHLÄFER

Zum Beispiel die Siebenschläfer-Legende. Ihr Gegenstand ist 
allerdings weder das bekannte Nagetier noch sonst eine 
gewöhnliche Schlafmütze. Es handelt sich um jene sieben 
jungen Männer aus der Stadt Ephesus, die Gott in bereits 
christlicher Zeit zur Bestärkung des durch Irrlehrer bestrittenen 
Auferstehungsglaubens nach kollektivem Schlaf von 377, 372 
oder auch nur 196 Jahren wiedererweckt habe.

Unter dem römischen Kaiser Decius wurden sie als Christen, 
so heißt es, hart zum Abfall gedrängt und haben sich, nach 
Verschenken ihres Reichtums an Arme, in eine Höhle auf 
dem nahen Berg Celion geflüchtet. Täglich ist einer von 
ihnen, als Bettler verkleidet, zum Nahrungseinkauf in die Stadt 
hinabgestiegen und immer wieder mit bösen Nachrichten 
zurückgekehrt. Einmal voll Schrecken, dass Decius selbst in 
Ephesus sei und Inquisition auf sie mache: sie sollten endlich 
den römischen Göttern opfern! Da sitzen sie nun tief drinnen 
in ihrer Höhle nach dem Mahl mit betrübtem Gespräch und 
Weinen beisammen und schlafen - nach Gottes Willen und 
Bestimmung - plötzlich ein: Maximinianus, Malchus, 
Martinianus, Dionysius, Johannes, Serapion und 
Constantinus.

Inzwischen werden ihre Eltern und Verwandten peinlich 
befragt, die sie ihrerseits wegen der Verschleuderung des 
Familiensilbers anklagen. Auf das Gerücht ihres Verstecks 
im Berge Celion sowie auf Gottes Eingebung hin lässt 
Decius den Höhleneingang mit Steinen vermauern, damit 
sie Hungers sterben sollten. Das war irgendwann im Jahre 
252 christlicher Zeitrechnung.

Als die sieben Schläfer sozusagen tags drauf erwachen, 
schicken sie wie letzthin Malchus zum Brotkauf aus. Der 
wundert sich schon ein wenig über den Steinhaufen am 
Höhleneingang - ein Bürger aus Ephesus wollte seinen 
Hirten daselbst Ställe bauen -, viel mehr aber noch, als er 
über dem Stadttor ein Kreuz sieht und beim Bäcker die 
Leute über Christus reden hört. Wie er schließlich mit 
seinen alten Münzen bezahlen will, gerät er in äußerste 
Bedrängnis - bis der Bischof der Stadt mitsamt dem 
allerchristlichsten Kaiser Theodosius das gottgewirkte 
Wunder erkennen, und der Glaube an die Auferstehung der 
Toten fröhliche Urständ feiern kann...

Samstag, 28. Juli 2001
DER HEILIGE IGNATIUS VON ANTIOCHIEN

Zum Beispiel die (Legende) von der Jesusliebe des hl. 
Ignatius von Antiochien. Zwar ist es noch weit bis zu seinem 
Fest am 17. Oktober, näher liegt mir aber dafür das Fest 
des heiligen Basken, der während seiner Studien in Paris 
vom Namen Inigo auf den des hl. Märtyrerbischofs 
umgestiegen ist: am 31. Juli nämlich steht Ignatius von 
Loyola im katholischen Heiligenkalender.

Ignatius von Antiochien nun ist eine ganz und gar historische 
Gestalt: 7 Briefe sind von ihm bekannt, unter Kaiser Trajan, 
der zwischen den Jahren 98 und 117 regiert hat, wurde er 
gefangen nach Rom gebracht und hat dort vermutlich den 
ersehnten Martertod erlitten: wollte er doch, wie er unterwegs 
der Kirche von Rom schreibt, "als Gottes Weizenkorn, von den 
Zähnen der wilden Tiere zermahlen, zum reinen Brot Christi 
werden!"

Die berühmte Legendensammlung mit Namen "Legenda 
aurea" weiß darüber hinaus sehr viel mehr von ihm zu 
berichten und ist übrigens eines der beiden Bücher, mit 
denen sich Ignatius von Loyola während der Rekonvaleszenz 
von seiner Kriegsverwundung begnügen musste. Eine 
bestimmte Einzelheit vom Martyrium seines Namenspatrons 
muss den nachmaligen Gründer der Gesellschaft Jesu wohl 
ganz besonders beeindruckt haben: "Man liest," heißt es da 
nämlich in der Legenda aurea, "dass Sanct Ignatius in aller 
seiner Marter doch des Namens Christi nie vergaß. Da 
fragten ihn die Knechte, die ihn peinigten, warum er so oft 
den Namen nenne. Er antwortete "Ich kann davon nicht lassen, 
denn er ist in mein Herz geschrieben". Das wollten die 
Heiden prüfen, da er tot war, und rissen sein Herz aus dem 
Leibe und schnitten es auf: da stund mit goldenen Buchstaben 
der Name Jesus Christus mitten darin geschrieben. Von 
diesem Zeichen wurden viel Heiden gläubig."

So weit die Goldene Legende. Geschrieben meiner und Ihrer 
Seele wegen: dass dieser Name über allen Namen sein 
Monogramm auch unserem Herzen unauslöschlich einpräge!

 

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Letztes Update dieser Seite am  20.07.2001 um 10:02