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Gedanken für den Tag
Montag bis Samstag, 6.57 Uhr - 7.00 Uhr, Radio Österreich 1
"Ein Wasserzeichen gegen das Verlorengehen"
Bischof Herwig Sturm über die Taufe
Montag, 15.1.2001
Es ist ein besonderes Gefühl, wenn man ein ganz kleines Kind im Arm halten kann. Dieses winzige Geschöpf, diese zarten Finger, diese großen Augen, es schaut unverwandt aus nach Menschen und nach Zukunft.
Als Pfarrer habe ich mit so kleinen Kindern zu tun, wenn ich sie taufen kann. Ich gieße ihnen Wasser über den Kopf, im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes.
Meinen letzten Täufling habe ich allerdings schon vorher selber im Arm gehabt. Es war unser erstes Enkelkind Nina Sophie. Das ist schon unglaublich dieses kleine Geschöpf selber tragen und halten. Und darum ist mir auch die Taufe nahe gegangen und ich war ganz hell wach. Der Name des Kindes in die Hand Gottes geschrieben. Das Zeichen des Kreuzes als Tor ins wirkliche Leben und das lebendige Wasser als Zeichen des lebendigen, guten Geistes Gottes.
Beim Taufgespräch zwei Tage zuvor hat die kleine Nina noch fest geschrien, bei der Taufe war sie ganz still und hat gehört: Du Gott hast unser Kind berührt mit diesem Wasser des Lebens, dir gehört es, jetzt und in Ewigkeit.
Dienstag, 16.1.2001
Feste soll man gut vorbereiten. Das gilt für die Familie wo man miteinander ausreden muss wer was macht, das gilt aber genauso in der Kirche, wo auch viele Aufgaben zu verteilen sind. In dieser Woche möchte ich über die Taufe reden, denn das Thema bewegt mich besonders.
Die Taufe ist ein Fest der Familie und ein Fest der Kirche. Nach der Geburt wird gleich telefoniert, alle warten auf die Nachricht; aber so richtig zusammenkommen, die Familie, die Freunde, die Bekannten, das geschieht erst bei der Taufe.
Auch die Kirchengemeinde feiert. Sie freut sich über das neue Mitglied. Die Taufe findet vielleicht im Gottesdienst statt, denn es wird hier sichtbar, wie Gott mit uns Menschen umgeht, er sagt "Ja" zu mir, bevor ich überhaupt etwas sagen kann, er holt mich heraus aus Schicksal und Schuld und spricht mir die Freiheit der Kinder Gottes zu.
Meine letzte Taufe war unser erstes Enkelkind. Wir haben die Taufe lange vorbereitet und gründlich ausgeredet, was jeder tut. Der Psalm am Anfang, der Taufspruch, die Kerze, wer hält das Kind über den Taufstein.
Jeder von uns braucht hilfreiche Hände und gute Worte, am Anfang des Lebens, am Ende sicher wieder, im Grund genommen jeden Tag. Wie schön ist es, wenn die guten Hände und die besten Worte gleich am Anfang stehen.
Mittwoch, 17.1.2001
Fließendes Wasser hat einen tiefen Symbolwert. Es zeigt etwas vom unaufhaltsamen Fluss der Zeit. Panta rei, alles fließt, sagt einer der ersten griechischen Philosophen.
Wir spüren dieses Fließen heute deutlicher denn je. Schnell muss alles gehen, sofort müssen die Wünsche erfüllt werden, schlagartig wollen wir reich sein, glücklich und gesund.
Bei dieser Schnelligkeit geht leicht etwas verloren, etwa die Erfahrung der Vielfalt des Lebens, oder der Blick für die Schönheit der Welt, oder gar Beziehungen zwischen Menschen.
Wasser fließt auch bei der Taufe, hier aber nicht als Symbol der Vergänglichkeit, sondern als Zeichen einer lebendigen Beziehung.
Meine letzte Taufe war unser erstes Enkelkind. Aus einer großen Kanne habe ich selbst dieses Wunderwasser in meine Hand gegossen und dann über den Kopf des Kindes. Ich habe es vor mir gesehen, wie der ganze Reichtum der Schöpfung auf diesen Kopf nun heruntersprudelt und wie die Krusten und Flecken unseres Lebens weggewaschen werden von diesem Wasser.
Das Wasser rinnt ab, aber diese Verheißung zum Leben bleibt.
Donnerstag, 18.1.2001
Sonntag vor einer Woche war ich in Polen bei der Einführung eines neuen evangelischen Bischofs. Dort trägt auch der evangelische Bischof einen besonderen Talar, mit dunkelroten Kragen und einem schönen Revers. Darüber trägt er allerdings ein weißes Chorhemd, zur Erinnerung an seine Taufe.
Bei den Grußworten hat dann auch ein katholischer Bischof gesprochen. Der war erst recht schön gekleidet und auch er hat ein weißes Chorhemd getragen, allerdings unter seinem Bischofskleid. Ich habe meine Nachbarin angestoßen und gesagt: "Schau doch, der eine trägt’s drunter, der andere drüber." Ich glaube schon, dass das eine gewisse Bedeutung hat. In der katholischen Kirche ist Taufe ganz wichtig, die Hierarchie ist aber darüber, der Bischof muss kenntlich sein, so versteht sich die Kirche.
In der evangelischen Kirche sagt Martin Luther: "Wer aus der Taufe kommt der ist Priester, Bischof und Papst." Was besseres als die Taufe kannst du nicht kriegen.
Meine letzte Taufe war unser erstes Enkelkind. Die Eltern dieses Kindes kommen aus verschiedenen Kirchen. Unser Sohn ist evangelisch seine Lebensgefährtin katholisch. Beide waren sehr engagiert in ihren Kirchen und haben die Kirche bei aller Distanz auch heute noch gern.
Wie schwer machen die Kirchen es doch solchen Eltern mit ihrem neugeborenen Kind. Sie müssen sich entscheiden, wo das Kind getauft wird, einer muss nachgeben und in die andere Kirche gehen. Wir anerkennen gegenseitig die Taufe, Gott sei Dank, aber ich wünschte mir doch sehr, dass unsere unterschiedlichen Kirchen einander nicht mehr fremd sind, dass eine Taufe beide Kirchen verbindet und das es dann ein Fest wird der verbundenen Gemeinschaft der Christen.
Freitag, 19.1.2001
Vor ein paar Nächten haben wir wieder um unsere Katze gezittert. Irgendwie ist sie durch eine offene Tür hinausgeschlüpft und nicht mehr hereingekommen. Immer wieder hat einer von uns das Fenster aufgemacht und hinuntergerufen und in der Nacht sind wir öfters hinausgegangen und haben immer wieder nachgeschaut Am Schluss haben wir die Garagentür ein bisschen offen gelassen und tatsächlich, irgendwann in der Nacht, hat sie vor unserer Wohnungstür miaut und wir haben sie dankbar hereingelassen.
So viele Sorgen um unsere kleine Katze. Wie viel Sorgen machen wir uns erst um die Kinder, um die kleinen, die noch weinen und greinen und Bauchweh haben und um die großen, die oft auch nicht nach Hause kommen oder mit ihrer Arbeit nicht zufrieden sind. Wie schlimm ist es erst, wenn Eltern ein Kind verlieren. So tief ist der der Riss, so schmerzhaft die Wunde, dass sie oft ein ganzes Leben daran zu beißen haben.
Unsere Kinder gehören allerdings nicht uns, sie gehören der Zukunft, in die sie hineinwachsen. Sie gehören dem Leben, das für sie offen ist und wir können sie behüten, beschützen und begleiten, so gut und so lange es geht, aber wir müssen sie auch freigeben und loslassen.
In der Taufe sagt Gott: "Du gehörst mir, ich kenne dich und ich lasse dich nicht mehr los." Die Taufe ist ein Wasserzeichen gegen das Verlorengehen. Eine Tür, die offen bleibt.
Samstag, 20.1.2001
Im Neuen Testament gibt es eine aufregende Geschichte von einer Taufe. Es geht dort um einen wichtigen Mann, den Finanzminister aus Äthiopien, der aus Jerusalem nach Hause fährt.
Es sitzt in seiner Kutsche und liest einen heiligen Text, nämlich aus dem Propheten Jesaja. Gott sorgt dafür, dass hier etwas Neues beginnt und setzt den Diakon Philippus an die Straße, der sieht die Regierungskutsche daherkommen, steigt zu und fragt den Kämmerer: "Was liest du da." Er sagt: "Ich lese etwas schönes, spannendes vom Lamm Gottes, vom Knecht Gottes, aber ich versteh es nicht."
Und daraufhin erklärt Philippus diesem Finanzminister die Geschichte von Jesus Christus, und wie sie bei einem See vorbeikommen sagt er: "Was hindert’s, dass ich mich taufen lasse." Und Philippus tauf ihn auf den Namen Jesu Christi.
Was mich an dieser Geschichte so fasziniert, ist, dass sie voller Ungereimtheiten ist. Der Finanzminister ist ein Eunuch, ein halber Mensch; Philippus ist Diakon, also eigentlich zum Helfen und Dienen geweiht und nicht zum Predigen und für Amtshandlungen. Und die Taufe kommt ganz abrupt, ohne lange Katechese und er lässt ihn auch wieder weiterfahren ohne lange Betreuung und trotzdem entsteht in Äthiopien über diesen Kämmerer eine christliche Kirche.
Für mich ist das eine Ermutigung für alle Getauften: Die Taufe ist ein Fest gegen die Schwerkraft, ein Fest gegen das Kirchenrecht, ein Fest für eine neue Begegnung, auch mit behinderten Menschen und vor allem ein Fest für die Zukunft Gottes in dieser Welt.
Bischof Sturm, 11.1.2001
Letztes Update dieser Seite am 19.01.2001 um 10:41