Dalai Lama Computerarbeitsplatz Chinesischer Arbeiter Das Mantra des Dalai Lama

Gedanken für den Tag
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Radio Österreich 1

 

Franz Severin Berger

Montag, 22.1.2001

Jeder Morgen ist ein neuer Aufbruch. Ein Aufbruch zur Jagd. Zur Jagd nach dem Erfolg. Das sind die tiefen Wurzeln unserer Vergangenheit, die auch in der Gegenwart wirken. Wir waren Jäger während und zwischen den Eiszeiten. Nur der tägliche Erfolg, die Jagdbeute, sicherte das Überleben. Das hat uns bis heute geprägt.

Es ist ein Grundtrieb und ein Grundbedürfnis - wir möchten erfolgreich sein. Mitglieder einer Erfolgsgeneration, erfolgsbewusst, erfolgsorientiert. Aber wir überlegen nur selten und viel zu wenig, wozu Erfolg wirklich dient. Denn die Steinzeit sollte angeblich schon vorbei sein. Welcher Beute jagen wir also heute nach? Welchen Wert hat sie für den Einzelnen, für jeden von uns?

Im Mantra des Dalai Lama über das Millennium steht im Vers 14: Schätz deinen Erfolg nach dem, was er dir gekostet hat.

Was kostet der Erfolg? Was kostet er dem Erfolgreichen, was kostet er den anderen? Denn jeder Erfolg eines einzelnen Menschen bedeutet ja gleichzeitig keinen Erfolg oder sogar Misserfolge für andere Menschen. Erfolg ist daher eine Beute, die wir anderen wegschnappen. Er hat seine Mühe, seinen Aufwand und seinen Preis.

 

Dienstag, 23.1.2001

Wir gefallen uns als erfolgreiche Menschen. Und es gefällt uns, erfolgreiche Menschen zu bewundern. Die Reichen und die Schönen. Die Starken und die Schnellen. Die Mächtigen und die Hochstehenden. Das ist eine Welt voll Glitzer und Glanz, die uns die Medien durch schnelle Seitenblicke und bunte Magazine zeigt, besser gesagt vorgaukelt. Wir brauchen das als Droge, um unsere Sehnsüchte, Träume und Wünsche zu projizieren und zu akzeptieren, dass wir nur dann gut und wertvoll sind, wenn wir in der großen Maschine der Leistungsgesellschaft willig eingespannt bleiben. Als tüchtige, fleißige und anständige Menschen. Worte, die sich sogar zu politischer Propaganda missbrauchen lassen. Apropos Politik: dort gibt es das größte Erfolgsgeschrei, den stärksten Erfolgskult. Selbst wenn sich ein bestimmtes Lager nur um wenige Prozent verstärkt hat, spricht man von einem riesigen Erfolg. Im andern Fall von großem Misserfolg. Dabei hat sich gesellschaftlich doch tatsächlich gar nichts verändert. Überhaupt gibt es ein scheinbar unbestechliches Instrument, um Erfolg zu beweisen. Die Statistik in Kurven und Tabellen, Balken und Kuchendiagrammen. Es gibt, so ein alter Scherz, drei Steigerungen der Lüge. Die Notlüge, die gemeine Lüge, die Statistik. Davon abgeleitet könnten wir behaupten, dass viele der Erfolgsstories einfach nur Lügengeschichten sind. Um Erfolg richtig zu bewerten, brauchen wir daher den nüchternsten, kritischsten und klarsten Blick auf die Sache und auf uns selbst.

Mittwoch, 24.1.2001

Wie kommt man zum Erfolg? Wie macht man Erfolg? Wie entsteht Erfolgt? Erfolg entsteht durch Erfolg sagen die Weisen und Gurus, die Zauberer und Magier der Leistungsgesellschaft, die uns mit ihren Erfolgsrezepten belehren. Besser gesagt diese gewinnbringend in Seminaren, Büchern oder als Berater und Spindoctors verkaufen. Wie man z.B. in sieben Jahren Millionär wird, wie man die Welt durch Lächeln beim Laufen verändert, wie man zur idealen Figur kommt oder wie man Freunde fürs Leben gewinnt. Der Erfolg ist, so scheint es, ein sich selbst zeugendes und vermehrendes Wesen oder Phänomen. Etwas, das man offensichtlich wie eine Lawine vom Hang abtreten kann und das sich selbstverstärkend über den oder die Erfolgstypen ergießt. Ein Vergleich, der auch die Worte und Begriffe mitreißen und verschütten assoziiert. Der Mensch ist von Natur aus erfolgshungrig, das ist wichtig für seine Entwicklung. Wenn er aber nicht rechtzeitig lernt, seine persönlichen Erfolge richtig zu bewerten und sie zu schätzen, dann führt das in direkter Linie zu Größenwahn oder Rekordsucht. Beispiele aus Politik, Sport und Wirtschaft fallen jedem von uns sofort ein. Wer als Managementtrainers Menschen dazu konditioniert, alles als Erfolg zu sehen und sich von Erfolg zu Erfolg hochzuhangeln und nach oben zu pushen, der handelt unverantwortlich. Denn Erfolg ist nur durch Misserfolg zu definieren. Und wenn du nicht lernst den Misserfolg zu akzeptieren, dann werden die Erfolge vielleicht größer, aber bestimmt wertloser. In der Mantra des Dalai Lama sagt der zweite Vers: Wenn du verlierst, verlierst du nicht die Lektion. Der Weg und seine Irrtümer sind für den Menschen oft wichtiger als das Ziel.

Donnerstag, 25.1.2001

Erfolg macht sexy. Das hat mir einmal ein Plakat in einer U-Bahn mitgeteilt. Ein erstaunlicher Slogan. Beweist er doch wie archaisch, wie alt und stark unser Erfolgshunger und unser Erfolgsbewusstsein ist. Der Steinzeitjäger, der da tief in uns steckt, der brauchte täglich Beute, um zu überleben. Um eine Sippe, eine Familie, Frau und Kinder ernähren zu können. Keine Beute - keine Frau, kein Sex. Ist es heute anders? Um die Reichen, die Mächtigen, die Stars, die Idole, die Diktatoren und Wirtschaftsbosse, da drängen sich Anbetende beiderlei Geschlechts in Rudeln. Geld - eine Umformung von Macht, wie die Tiefenpsychologen sagen, ist hocherotisch. Es gibt, so sage ich provokant in meinen Seminaren nur drei Dinge, die den Menschen wirklich interessieren: Geld, Macht, Sex. Die Reihenfolge kann auch geändert werden. Aber der innere Zusammenhang nicht. Diese Ansprüche hat jeder, man kann sie nicht jedem in vollem Maß erfüllen und ausleben lassen. Die Antike wusste schon, wie man in einer Massengesellschaft so etwas im Griff behält. Panem et circenses, Brot und Spiele. Das haben wir auch heute noch. Sorgen wir für Wohlstand und Events, für Sportgladiatoren und Priester und Priesterinnen des Alltags in Talk-Shows. Dann macht die Wirtschaft Gewinn. Das ist ihr Fachbegriff für Erfolg.

 

Freitag, 26.1.2001

Jeder für sich und Gott gegen alle. Das war so ein markiger Satz, der motivieren soll. Mit Härte und Rücksichtslosigkeit seinen Weg zu gehen. Am besten natürlich nach oben zu gehen. Was dieses oben auch immer alles bedeuten könnte oder sollte. Karrieristen und Erfolgsstrebende hören aber heute von ihren Trainern, Coaches und Beratern neuere Schlagworte. Z. B. das von der sozialen Kompetenz. Da wird viel Moral, soziales Gewissen, sogar Ethik ins Training eingebaut. Wenn man die Leiter nach oben steigt, soll man nicht anderen auf die Finger treten, niemanden zur Seite stoßen, seine Konkurrenten sogar lieben. Von Teamgeist, von Führungsqualitäten, von Kommunikationsfähigkeit ist da die Rede. Optimale Performance in der face to face Kommunikation, Omega Leadership, flexibles Führen mit hohem Motivationslevel, sind das nicht Begriffe, die uns wie Öl das Haupt salben? Da fühlen wir uns doch gleich besser. Der Dalai Lama sagt im Mantra zum Millennium dieses einfacher. Denk an die drei R. Respekt vor dir selbst. Respekt vor den anderen. Rechte zu respektieren. Unter uns gesagt, das sollte völlig ausreichen.

 

Samstag, 27.1.2001

Der Dalai Lama schreibt in seiner Mantra zum Millennium im ersten Vers: Bedenke, dass die große Liebe und die großen Erfolge große Risken erfordern. So ein Satz, so eine Weisheit beinhaltet immer zwei Ebenen. Es ist eine Warnung und eine Ermutigung. Das größte Risiko eines Erfolgs ist, ihn um seiner selbst zu empfinden, zu gewinnen, zu wollen. Und ihn ausschließlich für sich zu beanspruchen. Es ist eine Binsenweisheit, dass niemand in der Lage ist, Erfolg rein aus seinem eigenen Können oder Wissen zu schöpfen. Daher sollte Erfolg so behandelt werden wie gutes Brot. Es ist zu teilen, dann schmeckt es besser. Der Vergleich mit dem Brot lässt sich sogar noch weiter spinnen. Brot ist ein Grundnahrungsmittel, das selbstverständlich scheint. Und doch ist es eine Delikatesse und eine Kostbarkeit. Das bemerkt man aber erst in bestimmten Lebenssituationen oder in der Not. So ist es auch mit dem Erfolg, mit den sogenannten kleinen oder täglichen Erfolgen. Wir schätzen sie erst richtig, wenn es uns mangelt. Wir sollten also frühzeitiger lernen das zu schätzen, von dem wir glauben, dass es noch vor uns liegt. Das Risiko, das der Dalai Lama wahrscheinlich nennt und anspricht, liegt nicht im Gegenteil von Erfolg und Liebe. Liegt nicht im Misserfolg, in der Niederlage, der Zurückweisung. Denn wer verliert, verliert nicht die Lektion, heißt es im nächsten Vers. Aber wer nicht versteht, wer nicht erfolgsbewusst im Sinne von liebend ist, der hat das Ziel übersehen, den Weg verfehlt, die Niederlage nicht erlebt und daher das wichtigste, nämlich die Lektion verloren. Der Weg in den Morgen, in den Tag, führt uns immer zu Erfolgen. Zu kleinen und großen, zu persönlichen und geschenkten, zu Verständnis und manchmal auch zu Wundern. Jeder Tag fordert daher von uns Erfolgssuchenden zwei Dinge: Mut und offene Augen.

 

Aus dem Mantra des Dalai Lama über das Millennium

1. Bedenke, dass die große Liebe und die großen Erfolge große Risken erfordern.

2. Wenn du verlierst, verlierst du nicht die Lektion.

3. Denk an die drei R:
Respekt vor dir selbst!
Respekt vor den anderen!
Rechte zu respektieren!

4. Denk daran, dass nicht zu bekommen, was du willst, oft ein wunderbarer Glückstreffer ist.

5. Lerne die Regeln, so wirst du wissen, sie angemessen zu brechen.

6. Lass nicht zu, dass eine kleine Diskussion eine GROSSE FREUNDSCHAFT zerstört.

7. Verwende jeden Tag etwas Zeit, um allein zu sein.

8. Öffne deine Arme der Veränderung, vergiss aber nicht deine Werte.

9. Denk daran, dass Schweigen oft die beste Antwort ist.

10. Wenn du mit einer geliebten Person diskutierst, beachte nur die aktuelle Situation, hol nicht die Vergangenheit hervor.

11. Geh behutsam um mit der Erde.

12. Einmal im Jahr geh an einen Ort, an dem du noch nie gewesen bist.

13. Denk daran, dass die beste Beziehung die ist, in der die Liebe zum anderen mehr wiegt als ihn zu brauchen.

14. Schätz deinen Erfolg nach dem, was er dir gekostet hat.

15. Nähere dich der Liebe und der Küche mit wagemutiger Hingabe.

 

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Letztes Update dieser Seite am  23.01.2001 um 10:00