Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr - 6.08 Uhr, ORF Regionalradios
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Domdechant Johannes Neuhardt

Sonntag, 29.4.2001
Gerade 14 Tage ist es her, dass wir das österliche 
Alleluja gesungen haben. Der Herr ist wahrhaft 
auferstanden. Aber dieser Satz ist viel zu groß als dass 
wir ihn mit einem Fest abhacken könnten, um dann 
möglichst rasch zur Tagesordnung überzugehen. Die 
Geschichte des heutigen Sonntagsevangelium, die im 
Morgengrauen am Ufer des Sees von Genezareth spielt 
führt Ostern in eine ganz neue Richtung. In einer Sprache 
die nur liebende Menschen verstehen ist hier gesagt 
wie die Begegnung mit dem Auferstandenen erfahrbar 
wird: Im Scheitern und in der Erfolglosigkeit Die 
Erfolglosen: sie haben sich die ganze Nacht geplagt 
und nichts gefangen und trotzdem fahren sie noch einmal
hinaus, gegen alle Wahrscheinlichkeit dass jetzt etwas ins 
Netz geht. 153 Fische waren drinnen. Nach damaligen 
Glauben die Summe aller vorhandenen Völker.
So geht das mit Ostern. Nicht die Siegertypen haben da 
das letzte Wort, nicht die ewig lächelnden Sunny-boys 
sondern die Menschen die am Rand stehen, die nichts 
fertig gebracht haben, die Trauernden, denn sie werden 
getröstet werden. Sie bekommen etwas, das sie sich nie 
erhofft hätten.

Montag, 30.4.2001
Gott mit dem Ohr erkennen
Was bedeuten unsere Sinne für die Erfahrung mit Gott? 
Ein wenig wollten wir uns heute mit dem Ohr beschäftigen. 
Vielleicht wundern Sie sich, wenn ich Ihnen jetzt sagen 
will, dass das Ohr das wichtigste Organ ist für die 
Erfahrung Gottes. Der Grundsatz des Alten Testamentes 
lautet: "Höre Israel, dein Gott ist ein einziger Gott." Höre, 
nicht sehe! Und auch im Neuen Testament sind die 
Wahrnehmungen mit dem Ohr wichtig. Am Ostersonntag 
in der Früh erscheint der Auferstandene als erster Maria 
von Magdala. Sie erkennt ihn nicht vom Gesicht, denn sie 
verwechselt ihn mit dem Gärtner. Erst als er sie anspricht 
und zu ihr sagt "Maria" erkennt sie ihn an seiner Stimme. 
Die Stimme des Freundes ist nicht nur Anordnung und 
Befehl sondern Einladung und Ermutigung.
Das meint auch das Wort aus dem letzten Buch der 
Geheimen Offenbarung: Siehe ich stehe vor der Tür und 
klopfe an, wenn jemand meine Stimme hört und ihr öffnet, 
dann werde ich zu ihm hineinkommen und Mahl halten mit 
ihm. Dem Anderen Raum geben im Herzen, das heißt 
Gott mit dem Ohr erkennen. Guten Morgen!

Dienstag, 1.5.2001
Auch am heutigen Staatsfeiertag sind Sie, liebe 
Hörerinnen und Hörer, schon so früh bei Ihrer Arbeit. Alles 
neu macht der Mai - so sagt das alte Sprichwort. Auch wir 
spüren es rundherum was sich alles in Kirche und Welt 
verändert. Kein Stein wird auf dem anderen bleiben. Wir 
stehen vor einem neuen Aufbruch wie dereinst Abraham, 
der aus seinem Land wegziehen musste in das unbekannte, 
ins Fremde.
Zahlt es sich nicht aus das Leben in diese Richtung neu zu 
überdenken? Wie oft haben wir Gelegenheit Frieden zu 
stiften, wenn wir eigene Interessen zurückstellen ohne sie 
aufzugeben? Hat das nicht letztlich auch diese Frau getan, 
deren wir in diesem Monat so vielfach gedenken, die 
Mutter des Herrn, die in allen Maiandachten im Zentrum 
der Liebe und Hingabe der Christen steht. Jedoch wird nur 
von wenigen beachtet dass sie die erste Revolutionärin ist: 
Die Mächtigen stürzt er vom Thron und die Niedrigen erhöht 
er, sagt diese Tochter Abrahams im Preislied des 
Magnifikat. Schauen wir auf sie im Monat Mai und leihen wir 
ihr unser Ohr. Guten Morgen.

Mittwoch, 2. Mai 2001
In unserer dritten Folge der Überlegungen, wie man Gott 
sinnlich erfahren kann gehört natürlich das Auge. Aber taugt 
denn dieses Sinnesorgan überhaupt für die Wahrnehmung 
eines Geheimnisses. Ist nicht all unser Erkennen Stückwerk 
nur "wie im Spiegel".
"Lass mich doch deine Herrlichkeit sehen" bittet Mose am 
Berge Sinai den Gott seiner Väter und im Neuen Testament 
heißt es: "Und das Wort ist Fleisch geworden und hat mitten 
unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit gesehen."
Gott schauen also - was heißt das? Es heißt die Gleichung 
dieser beiden Worte ernst nehmen: "Ich bin das Licht der 
Welt" und das andere Wort im Matthäusevangelium wo 
Jesus zu seinen Jüngern sagt "Ihr seid das Licht der Welt". 
Schauen wir im Antlitz des geschundenen Menschen, des 
Bruders und der Schwester in Not" - das ist die Herrlichkeit 
auf die wir verwiesen sind, denn die Ehre Gottes ist der 
lebendige Mensch

Donnerstag, 3. 5.2001
Gott riechen - geht denn das?
Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer. Gott 
wahrnehmen über unsere Nase, haben Sie sich je darüber 
Gedanken gemacht? Unsere Redensart: "Ich kann ihn nicht 
riechen", ist doch ein Ausdruck höchster Abneigung, aber 
der Volksmund hat hier eine weitere ganz andere Ansicht: 
Wenn ein Mensch begabt ist für weittragende 
zukunftsweisende Entscheidungen, dann heißt es 
gewöhnlich: Er hat einen Riecher oder er hat eine Nasn 
gehabt.
Dieses Gott riechen ist eine echte Gabe des Geistes. 
Nicht das auswendig Hersagen können des 
Katechismus sondern das Riechen der wahren 
Probleme, die heute uns aufgetragen sind zur Lösung. 
Wenn man glaubt über den Geist nach Belieben wie vom 
Bankkonto abheben zu können, dann wird er in der 
Schublade eingesperrt. Glaube der sinnlichen 
Wahrnehmung, des Riechens für die wahren Probleme, 
die mir jetzt an diesem heutigen Tag aufgetragen sind, 
das ist der Wohlgeruch Gottes in unserem Leben.

Freitag, 4.5.2001
Können wir Gott schmecken?
Wem schmeckt heute noch das Christentum?
Die jüngere Generation betet kaum noch und erzieht 
ihre Kinder nicht mehr in der überlieferten Religion. 
Gottesdienste finden wir langweilig. Eine 
Spaßgesellschaft eilt lieber von Genuss zu Genuss 
oder findet ihre Geschmackssättigung in 
esoterischen Glücksgefühlen.

Aber hat nicht die Verkündigung des Glaubens 
diesem "geschmacklosen" Christentum Vorschub 
geleistet. Die Welt und ihre sinnliche Schönheit hielt 
man für einen Durchlauferhitzer, für das was nachher 
kommt. Das ist unser Dilemma, denn die Frage für 
den Christen von morgen wird nicht mehr heißen: Hast 
du deinen Glauben verstanden, sondern bist du auf 
seinen Geschmack gekommen? Glauben heißt Gottes 
inne zu werden mit allen Sinnen. Wenn wir die Freude 
genießen, wenn wir den Schmerz erleiden, wenn wir den 
geliebten Menschen lieben, so erfassen wir das nicht mit 
unserem Verstand, all das kommt aus einer tiefen 
Schichte unseres Lebens - aus der mystischen Erfahrung 
der sinnlichen Gegenwart des Glaubens. Haben sie Mut 
liebe Hörerinnen und Hörer sich so mit dem Leben Gottes 
einzulassen.

Samstag, 5.5.2001
Kann ich Gott be-greifen?
Wir gehen und laufen mit unseren Füßen soweit sie uns 
tragen - aber begreifen können wir die Welt nur mit 
unseren Händen. Wir gehen zum Arzt um uns von ihm 
behandeln zu lassen. Überall in diesen Worten steckt 
das Wort Hand. Wie lange braucht das kleine Kind um 
die ihm so fremde Welt zu ertasten und erfühlen.
Was wundert also dass das älteste und am meisten 
bekannte Bild Gottes die Hand ist. 1600 mal kommt 
dieses Bild in der Bibel vor. Mit seiner Hand hat Gott 
die ganze Welt geformt wie ein Töpfer sein Geschirr 
und schon in der biblischen Geschichte haben wir 
gehört, dass Gott der Herr mit starken Hand und 
ausgestrecktem Arm sein Volk aus dem 
Sklavenhaus aus Ägypten heraus geführt hat.
Vermag das zärtliche Bild der schützenden Hand 
Gottes uns noch zu trösten in unserer Welt, da unter 
der Handgreiflichkeit heute so viel zu zerbrechen 
droht?
Auch Jesus muss von dieser Kraft getragen gewesen 
sein als er letztlich das Kreuz ergriff. der Evangelist 
Lukas lässt ihn deshalb die letzten Worte sprechen: 
"Vater in deine Hände empfehle ich meinen Geist."

 

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Letztes Update dieser Seite am  02.05.2001 um 12:36