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Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr - 6.08 Uhr, ORF Regionalradios
Montag bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr, ORF Regionalradios
Domdechant Johannes Neuhardt
Sonntag, 29.4.2001
Montag, 30.4.2001
Gott mit dem Ohr erkennen
Was bedeuten unsere Sinne für die Erfahrung mit Gott?
Ein wenig wollten wir uns heute mit dem Ohr beschäftigen.
Vielleicht wundern Sie sich, wenn ich Ihnen jetzt sagen
will, dass das Ohr das wichtigste Organ ist für die
Erfahrung Gottes. Der Grundsatz des Alten Testamentes
lautet: "Höre Israel, dein Gott ist ein einziger Gott." Höre,
nicht sehe! Und auch im Neuen Testament sind die
Wahrnehmungen mit dem Ohr wichtig. Am Ostersonntag
in der Früh erscheint der Auferstandene als erster Maria
von Magdala. Sie erkennt ihn nicht vom Gesicht, denn sie
verwechselt ihn mit dem Gärtner. Erst als er sie anspricht
und zu ihr sagt "Maria" erkennt sie ihn an seiner Stimme.
Die Stimme des Freundes ist nicht nur Anordnung und
Befehl sondern Einladung und Ermutigung.
Das meint auch das Wort aus dem letzten Buch der
Geheimen Offenbarung: Siehe ich stehe vor der Tür und
klopfe an, wenn jemand meine Stimme hört und ihr öffnet,
dann werde ich zu ihm hineinkommen und Mahl halten mit
ihm. Dem Anderen Raum geben im Herzen, das heißt
Gott mit dem Ohr erkennen. Guten Morgen!
Dienstag, 1.5.2001
Auch am heutigen Staatsfeiertag sind Sie, liebe
Hörerinnen und Hörer, schon so früh bei Ihrer Arbeit. Alles
neu macht der Mai - so sagt das alte Sprichwort. Auch wir
spüren es rundherum was sich alles in Kirche und Welt
verändert. Kein Stein wird auf dem anderen bleiben. Wir
stehen vor einem neuen Aufbruch wie dereinst Abraham,
der aus seinem Land wegziehen musste in das unbekannte,
ins Fremde.
Zahlt es sich nicht aus das Leben in diese Richtung neu zu
überdenken? Wie oft haben wir Gelegenheit Frieden zu
stiften, wenn wir eigene Interessen zurückstellen ohne sie
aufzugeben? Hat das nicht letztlich auch diese Frau getan,
deren wir in diesem Monat so vielfach gedenken, die
Mutter des Herrn, die in allen Maiandachten im Zentrum
der Liebe und Hingabe der Christen steht. Jedoch wird nur
von wenigen beachtet dass sie die erste Revolutionärin ist:
Die Mächtigen stürzt er vom Thron und die Niedrigen erhöht
er, sagt diese Tochter Abrahams im Preislied des
Magnifikat. Schauen wir auf sie im Monat Mai und leihen wir
ihr unser Ohr. Guten Morgen.
Mittwoch, 2. Mai 2001
In unserer dritten Folge der Überlegungen, wie man Gott
sinnlich erfahren kann gehört natürlich das Auge. Aber taugt
denn dieses Sinnesorgan überhaupt für die Wahrnehmung
eines Geheimnisses. Ist nicht all unser Erkennen Stückwerk
nur "wie im Spiegel".
"Lass mich doch deine Herrlichkeit sehen" bittet Mose am
Berge Sinai den Gott seiner Väter und im Neuen Testament
heißt es: "Und das Wort ist Fleisch geworden und hat mitten
unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit gesehen."
Gott schauen also - was heißt das? Es heißt die Gleichung
dieser beiden Worte ernst nehmen: "Ich bin das Licht der
Welt" und das andere Wort im Matthäusevangelium wo
Jesus zu seinen Jüngern sagt "Ihr seid das Licht der Welt".
Schauen wir im Antlitz des geschundenen Menschen, des
Bruders und der Schwester in Not" - das ist die Herrlichkeit
auf die wir verwiesen sind, denn die Ehre Gottes ist der
lebendige Mensch
Donnerstag, 3. 5.2001
Gott riechen - geht denn das?
Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer. Gott
wahrnehmen über unsere Nase, haben Sie sich je darüber
Gedanken gemacht? Unsere Redensart: "Ich kann ihn nicht
riechen", ist doch ein Ausdruck höchster Abneigung, aber
der Volksmund hat hier eine weitere ganz andere Ansicht:
Wenn ein Mensch begabt ist für weittragende
zukunftsweisende Entscheidungen, dann heißt es
gewöhnlich: Er hat einen Riecher oder er hat eine Nasn
gehabt.
Dieses Gott riechen ist eine echte Gabe des Geistes.
Nicht das auswendig Hersagen können des
Katechismus sondern das Riechen der wahren
Probleme, die heute uns aufgetragen sind zur Lösung.
Wenn man glaubt über den Geist nach Belieben wie vom
Bankkonto abheben zu können, dann wird er in der
Schublade eingesperrt. Glaube der sinnlichen
Wahrnehmung, des Riechens für die wahren Probleme,
die mir jetzt an diesem heutigen Tag aufgetragen sind,
das ist der Wohlgeruch Gottes in unserem Leben.
Freitag, 4.5.2001
Können wir Gott schmecken?
Wem schmeckt heute noch das Christentum?
Die jüngere Generation betet kaum noch und erzieht
ihre Kinder nicht mehr in der überlieferten Religion.
Gottesdienste finden wir langweilig. Eine
Spaßgesellschaft eilt lieber von Genuss zu Genuss
oder findet ihre Geschmackssättigung in
esoterischen Glücksgefühlen.
Aber hat nicht die Verkündigung des Glaubens
diesem "geschmacklosen" Christentum Vorschub
geleistet. Die Welt und ihre sinnliche Schönheit hielt
man für einen Durchlauferhitzer, für das was nachher
kommt. Das ist unser Dilemma, denn die Frage für
den Christen von morgen wird nicht mehr heißen: Hast
du deinen Glauben verstanden, sondern bist du auf
seinen Geschmack gekommen? Glauben heißt Gottes
inne zu werden mit allen Sinnen. Wenn wir die Freude
genießen, wenn wir den Schmerz erleiden, wenn wir den
geliebten Menschen lieben, so erfassen wir das nicht mit
unserem Verstand, all das kommt aus einer tiefen
Schichte unseres Lebens - aus der mystischen Erfahrung
der sinnlichen Gegenwart des Glaubens. Haben sie Mut
liebe Hörerinnen und Hörer sich so mit dem Leben Gottes
einzulassen.
Samstag, 5.5.2001
Kann ich Gott be-greifen?
Wir gehen und laufen mit unseren Füßen soweit sie uns
tragen - aber begreifen können wir die Welt nur mit
unseren Händen. Wir gehen zum Arzt um uns von ihm
behandeln zu lassen. Überall in diesen Worten steckt
das Wort Hand. Wie lange braucht das kleine Kind um
die ihm so fremde Welt zu ertasten und erfühlen.
Was wundert also dass das älteste und am meisten
bekannte Bild Gottes die Hand ist. 1600 mal kommt
dieses Bild in der Bibel vor. Mit seiner Hand hat Gott
die ganze Welt geformt wie ein Töpfer sein Geschirr
und schon in der biblischen Geschichte haben wir
gehört, dass Gott der Herr mit starken Hand und
ausgestrecktem Arm sein Volk aus dem
Sklavenhaus aus Ägypten heraus geführt hat.
Vermag das zärtliche Bild der schützenden Hand
Gottes uns noch zu trösten in unserer Welt, da unter
der Handgreiflichkeit heute so viel zu zerbrechen
droht?
Auch Jesus muss von dieser Kraft getragen gewesen
sein als er letztlich das Kreuz ergriff. der Evangelist
Lukas lässt ihn deshalb die letzten Worte sprechen:
"Vater in deine Hände empfehle ich meinen Geist."
Letztes Update dieser Seite am 02.05.2001 um 12:36