Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr - 6.08 Uhr, ORF Regionalradios
Montag bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr, ORF Regionalradios

von Pfr. Mag. Georg Fröschl

Sonntag, 3.6.2001
Heute feiert die Kirche – 50 Tage nach Ostern – 
das Pfingstfest. Es ist das Fest des Heiligen 
Geistes, des Geistes, den Jesus seinen Jüngerinnen 
und Jüngern versprochen hat.

Vor kurzem hat eine Frau zu mir gesagt: "Herr 
Pfarrer, irgendwie habe ich das Gefühl, dass in 
unserer Kirche derzeit eine Flaute herrscht. Es ist 
windstill. Uns fehlt die Begeisterung". Ich habe mir 
gedacht: "Der Geist lässt sich eben nicht 
organisieren oder erzeugen. Der Geist weht, wo er 
will, aber er weht"!

Immer wieder mache ich die Erfahrung, dass 
Gottes Geist auch heute wirkt: Wenn Menschen sich 
für eine gute Sache begeistern lassen, wenn Feinde 
wieder miteinander reden und sich die Hände 
reichen, wenn neues Leben aufbricht, wo niemand 
mehr es vermutet hat.

Ich möchte Ihnen für heute die ersten Zeilen eines 
alten christlichen Pfingstgebets mitgeben:

Komm herab, o Heil’ger Geist,
der die finstre Nacht zerreißt,
strahle Licht in diese Welt.
Komm, der alle Armen liebt,
komm, der gute Gaben gibt,
komm, der jedes Herz erhellt.

Ich wünsche Ihnen die tröstliche Erfahrung des 
zarten und zugleich mächtigen Wirkens des 
Gottesgeistes in Ihrem Leben.

Montag, 4.6.2001
Für viele Menschen ist heute noch ein freier Tag. 
Ich ertappe mich sehr oft, dass ich freie Tage sehr 
schnell mit Terminen und Aufgaben anfülle. Dann 
möchte ich all das erledigen, was ich schon lange vor 
mir hergeschoben habe. Aber am Abend falle ich 
dann erschöpft ins Bett.

Wie machen Sie das mit ihren freien Tagen oder 
Stunden? Erlauben Sie es sich, einmal nichts zu tun, 
nichts zu planen oder zu organisieren?

Ich weiß, dass viele Menschen in ihre Pflichten sehr 
eingespannt sind. Manche sind es auch nicht 
gewohnt, sich eine freie Zeit zuzugestehen. Wieder 
andere fürchten das Urteil, als Müßiggänger zu gelten.

Doch nichts zu tun, muss nicht heißen die Zeit 
totzuschlagen. Nichts zu tun, kann auch bedeuten: Ich 
bin frei für das, was mir begegnet, ich bin aufmerksam, 
ich höre, was andere mir zu sagen haben, ich nehme 
Sehnsüchte und Gefühle in mir wahr.

Darf ich Sie einladen, Ihre freie Zeit als ein Geschenk 
zu sehen, das Sie immer wieder neu entdecken können!

Dienstag. 5.6.2001
Vor einigen Tagen bin ich in der Früh durch einen Park 
gegangen und habe das Zwitschern der Vögel gehört. 
Ich habe mich darüber gefreut: Mitten in der Stadt, mitten 
im Autolärm und mitten in der Betriebsamkeit des Alltags: 
Vogelstimmen. Ein vertrautes und beruhigendes Gefühl.

Dabei habe ich mich auch an meine blinde Tante erinnert. 
Sie ist besonders im Frühling gerne im Schatten der 
Bäume gesessen und hat den Vogelstimmen gelauscht. 
Daraus hat sie Kraft und inneren Frieden geschöpft.

Nicht alle Stimmen, die wir hören, geben uns Kraft. Es gibt 
auch Stimmen, die auf uns einreden, die uns treiben oder 
ziehen, die uns auslaugen oder ausnützen wollen.

Es kommt darauf an. Dass wir ein feines Ohr bekommen, 
das unterscheiden kann: Was tut mir gut, wo geht mir das 
Herz auf, und wovor sollte ich mich schützen.

Ich möchte Sie ermutigen, diese gute, vertraute Stimme 
zu suchen: in sich selber, in ihren Mitmenschen, vielleicht 
auch in einem gutem Buch.

Mittwoch. 6.6.2001
Vor kurzem bin ich in einem Stau gesteckt. Ein Unfall 
oder irgend eine Baustelle dürfe der Grund gewesen sein, 
dass der Verkehr zum Stillstand gekommen ist. Mir 
jedenfalls ist nichts anderes übriggeblieben, als geduldig zu 
warten.

Vielen Menschen fällt es in unsere schnelllebigen Zeit 
schwer, auf etwas zu warten oder untätig sein zu müssen. 
Wir sind es gewohnt, dass alles ruck-zuck geht, wir möchten 
unsere Aufgaben möglichst rasch erledigen, um dann gleich
zum nächsten Termin zu springen.

In Erdteilen, die noch nicht so hochtechnisiert sind, da gehen 
die Uhren anders, da wartet man eben eine volle Stunde auf 
einen Bus.

Ich möchte mit diesem Beispiel nicht unseren 
Lebensstandart verteufeln; ich erlaube mir nur, ab und zu 
den Sinn unserer Schnelligkeit zu hinterfragen: denn vieles 
im Leben erschließt sich nur dem, der geduldig warten kann.

Ich wünsche Ihnen einen ruhigen Tag; entdecken Sie den 
Schatz der Langsamkeit.

Donnerstag, 7.6.2001
Leichter leben – unter diesem Motto läuft derzeit eine 
Aktion im ORF. Menschen werden ermutigt, unnötige 
Kilos abzubauen, eben leichter zu leben. Ich meine, dass 
wir dieses Motto nicht nur auf unser Körpergewicht 
anwenden sollten.

Leichter leben – das betrifft doch den ganzen Menschen. 
Denn nicht selten machen wir es uns unnötig schwer: 
durch negatives Denken, durch Neid und Missgunst, 
durch unbedachte Sticheleien. Ich nehme an, auch Sie 
kennen diese Kleinkriege, durch die wir einander 
aufreiben.

Leichter leben könnte in diesem Sinne bedeuten: auf 
das Raunzen und Nörgeln einmal zu verzichten und 
dafür ganz bewusst jemandem etwas Gutes zu tun. 
Leichter leben heißt für mich auch: Begegnungen ernst 
zu nehmen, aber nicht alles gleich ganz persönlich 
aufzufassen.Leichter leben könnte schließlich auch 
heißen: sich selbst einmal etwas Gutes zu gönnen.

Ich wünsche Ihnen einen Hauch von Leichtigkeit für 
Ihren Alltag.

Freitag, 8.6.2001
Ich gehöre zu den Menschen, die sich in der Früh 
eher schwer tun, aufzustehen. Wenn die Augen noch 
halb zu sind und meine Gedanken noch in den 
Träumen der Nacht hängen, dann nehme ich vieles 
noch nicht wahr. Mein Horizont reicht über die eigene 
Schlaftrunkenheit nicht hinaus.

Dass die Weite des Horizonts aber sehr 
entscheidend ist, besonders wenn wir unsere Welt 
beurteilen, das habe ich vor kurzem erlebt. Beim 
Landeflug in Wien-Schwechat habe ich aus dem 
Flugzeug die Welt von oben betrachtet. Da ist mir 
bewusst geworden, wie klein die Lebenswelt eigentlich 
ist, in der ich zu Hause bin. Dieser Blick von oben hat 
mir aber geholfen, nicht alles so wichtig zu nehmen. Ich 
bin nicht alleine auf der Welt. Meine Probleme sind zwar 
für mich wichtig, aber von oben besehen, haben sie 
vielleicht doch noch eine weitreichendere Bedeutung.

Ich wünsche Ihnen, dass sie von Zeit zu Zeit Ihr Leben 
und Ihre Welt mit ein bisschen Abstand betrachten 
können.

Samstag, 9.6.2001
Sie hören soeben meine Stimme, und ich nehme 
an – Sie hören mir auch zu. In der Alltagsethik 
aber, wo so vieles auf Sie einströmt, da fällt 
vielleicht auch Ihnen das zuhören manchmal schwer.
Dazu eine Geschichte:
Ein Mann kommt zum Meister und klagt, dass 
seine Ehe nicht mehr so funktioniere. Der Meister 
rät ihm: lerne deiner Frau zuzuhören. Nach einem 
Monat kommt der Mann wieder zum Meister und 
berichtet stolz: ich habe gelernt, auf jedes Wort 
meiner Frau zu hören. Da sagt der Meister: nun 
geh, und höre auf jedes Wort, das sie nicht sagt.

Wem möchten Sie heute ganz bewusst zuhören?

 

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Letztes Update dieser Seite am  11.06.2001 um 14:38