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Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr - 6.08 Uhr, ORF Regionalradios
Montag bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr, ORF Regionalradios
von Dr. Klaus Egger
Sonntag, 24.6.2001
Heute feiert die Kirche das Fest der Geburt
Johannes des Täufers. Neben Jesus und seiner
Mutter Maria ist Johannes der einzige Mensch,
dessen Geburt im liturgischen Kalender mit einem
eigenen Fest begangen wird. Auch das Datum ist
von tiefer Symbolik geprägt. Während das
Geburtfest Jesu unmittelbar nach der
Wintersonnenwende gefeiert wird, wird der Geburt
seines Vorläufers wenige Tage nach der
Sommersonnenwende gedacht. Grund für diese
terminliche Festlegung dürfte das Wort des Täufers
gewesen sein: "Er - Jesus - muss wachsen, ich aber
kleiner werden" (Joh 3, 30).
Welche Bedeutung Jesus selbst dem Täufer
zugemessen hat, bringt er in einem einzigen, nicht
mehr überbietbaren Satz zum Ausdruck: "Amen, das
sage ich euch: Unter allen Menschen hat es keinen
größeren gegeben als Johannes den Täufer" (Mt 11, 11).
Und so wird verständlich, dass Johannes der Täufer im
Gedächtnis der Kirche einen besonderen Platz einnimmt.
Tag für Tag bildet nämlich das Geburtstagslied, das sein
Vater Zacharias anlässlich der Beschneidung und
Namensgebung des neugeborenen Kindes gesungen hat,
den Höhepunkt des kirchlichen Morgengebetes. Ich
möchte einladen, in der kommenden Woche dieses Lied
anzuhören, denn es sagt VerheißungsvoIIes auch über uns.
Montag, 25.06.2001
Wieder ist Montag, und für viele von uns steht eine
arbeitsreiche Woche bevor. Da tun ein paar Augenblicke der
Besinnung gut.
Alle, die zum kirchlichen Morgengebet verpflichtet sind,
stimmen Tag für Tag in ein uraltes Geburtstagslied ein, das
nicht bloß an die Geburt Johannes des Täufers erinnert,
sondern auch eine Botschaft für den eben geborenen Tag
enthält. Was Zacharias, der Vater Johannes des Täufers
einst in der Kraft des Heiligen Geistes über seinen Sohn
gesagt hat, das ist auch eine Verheißung, eine Zusage an
uns für den heutigen Tag. "Du, Kind, wirst Prophet des
Höchsten heißen", sagt der begeisterte Vater. Und was soll
das im Blick auf uns?
Zum einen möchte uns diese Anrede, "Du, Kind", Mut
machen, uns nicht nur als die Vielbeschäftigten und
Unabkömmlichen zu sehen, die alle anfallenden Aufgaben
möglichst schnell und gekonnt erledigen sollen, sondern auch
als Kinder, die sich vom Leben beschenken lassen. Wie oft
haben wir schon die Erfahrung gemacht, dass sich weder im
Beruf noch im privaten Bereich einfach alles machen lässt.
Dieses Wort "Du, Kind" möchte uns ermutigen, unsere Augen
zu öffnen für alles, was Geschenk ist, angefangen von den
kleinen Aufmerksamkeiten bis hin zum Leben selbst.
Dienstag, 26.06.2001
Diese Aufgabe lässt sich allerdings leichter
beschreiben
als in die Praxis umsetzen. Zum einen wird die Palette der
Möglichkeiten immer breiter, und zum anderen ist die Zahl
der sogenannten geheimen Miterzieher geradezu ins
Unermessliche gewachsen.
Immer wieder stellen sich Eltern und Erzieher die Frage,
ob sie in ihrer Erzieheraufgabe versagt hätten. Mitten in
diese Situation hinein erklingt die Botschaft: "Du sollst dem
Herrn vorangehen und ihm den Weg bereiten." Wie einst der
Täufer durch sein Leben und seine Predigt am Jordan auf
Jesus aufmerksam gemacht hat, so sind auch wir eingeladen
und aufgefordert, durch die Art unseres Lebens auf den
christlichen Weg inmitten der vielen Lebensentwürfe von
heute aufmerksam zu machen. Ob wir es nicht am heutigen
Tag versuchen sollten?
Mittwoch, 27.06.2001
Und wodurch soll sich dieser christliche Weg
ausweisen? Auch darauf gibt das Lied, das in der
Geburtsstunde dieses neuen Tages gesungen wird,
eine Antwort: "Du wirst sein Volk mit der Erfahrung des
Heils beschenken in der Vergebung der Sünden."
Vielleicht denken Sie jetzt: Das mag für Johannes den
Täufer gelten, aber für mich? Was soll ich mit so
einem Satz im Alltag meines Lebens anfangen?
Ich könnte mir eine Übertragung in unsere
Lebenssituation so vorstellen: Ich höre die Einladung,
am heutigen Tag so zu leben und anderen Menschen
so zu begegnen, dass ich am Abend dankbar
feststellen kann, es war ein guter Tag. Und wenn ich in
Konflikte verstrickt bin, dann möchte ich heute einen
ehrlichen Versuch unternehmen, einen Schritt in
Richtung Versöhnung zu tun. Dieses Wort für den
heutigen Tag bedeutet auch: "Du wirst es schaffen,
gut zu sein und neue Anfänge zu schenken."
Donnerstag, 28.06.2001
Das Geburtstagslied des Zacharias, das immer
wieder als Ermutigung für den Tag aufklingt,
übersieht auch diese Fragestellung nicht.
"Durch die barmherzige Liebe Gottes wird uns
besuchen das aufstrahlende Licht aus der Höhe."
Gott hat ein Herz, das zu unseren Gunsten schlägt,
so wie das Herz einer Mutter für ihre Kinder. In
der hebräischen Sprache haben die Worte
"Mutter" und "Barmherzigkeit" dieselbe
Wortwurzel. Das bedeutet, dass immer dann,
wenn von der barmherzigen Liebe Gottes die
Rede ist, die mütterliche Seite Gottes ins Spiel
kommt, des Hl. Geist. Dieser aber ist ein Geist
der Liebe! Aus der Kraft dieses Geistes
können wir darangehen, aus dem heutigen Tag
etwas Gutes zu machen. Wir sind nicht allein!
Diesen Benedictus, das Geburtstagskind des
heutigen Tages, das uns auch heute geschenkt
wird, spricht dabei vom "aufstrahlenden Licht
aus der Höhe."
Freitag, 29.06.2001
Heute feiert die Kirche das Hochfest der Apostel
Petrus und Paulus, die beide in Rom den
Märtyrertod erlitten haben. Aber auch am
heutigen Festtag singt die Kirche als Höhepunkt
ihres Morgenlobes das Geburtstagslied des
Zacharias, weil es wirklich für alle Tage Gültigkeit
besitzt.
Im ersten Petrusbrief schreibt der Apostel an
die Gemeinden der Provinz Asien: "Gott hat euch
aus der Finsternis in sein wunderbares Licht
gerufen" (1 Petr. 1, 1) und Paulus erinnert die
Christen in Ephesus an die entscheidende
Erfahrung ihres Gläubigwerdens: "Denn einst
wart ihr Finsternis, jetzt aber seid ihr durch den
Herrn Licht geworden. Lebt als Kinder des
Lichts!" (Eph 5,8) .
Und so nehmen sich die Briefe der Apostel
wie die Entfaltung einer Grundmelodie aus, der
wir jeden Morgen begegnen. Dieses Licht ist
uns geschenkt, dass es jenen, die "in Finsternis
und im Schatten des Todes" sitzen, leuchte.
Wie viele Menschen müssen doch ihre Tage
auf der Schattenseite des Lebens zubringen:
Menschen, die an oder unter der Armutsgrenze
leben, Menschen, deren Beziehungsnetze
gerissen sind, oder Menschen, die unter
Einsamkeit leiden. Wenn wir die äußere
Schale unserer Spaß- und Erlebnisgesellschaft
nur ein wenig ankratzen, dann begegnen wir
diesem Dunkel. Der Grundgedanke für heute:
Licht ins Dunkel.
Samstag, 30.06.2001
Und damit ist ein letztes Stichwort gefallen, das
uns auch in jenem Lied begegnet, das uns
schon die ganze Woche begleitet. Von
"Schritten auf dem Weg des Friedens" ist da
die Rede.
Es wäre wohl reine Illusion, von Ferien- und
Urlaubstagen zu erwarten, dass alles in
Ordnung kommt, was in den vergangenen
Wochen und Monaten in eine Schieflage
geraten ist. Urlaubstage bieten eine Chance
für Heilung, Gesundung und Erholung. Ob die
Chance jedoch genützt wird, das hängt an uns.
Wer sich nichts vornimmt, wird auch nichts
erleben. Wer sich zuviel vornimmt, wird ganz
sicher enttäuscht. Unser Morgenlied lädt dazu
ein, "Schritte auf dem Weg des Friedens" mit
uns selbst, mit unseren Mitmenschen und auch
mit Gott zu machen. Nur Schritte!
Letztes Update dieser Seite am 22.04.2003 um 14:59