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Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr - 6.08 Uhr, ORF Regionalradios
Montag bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr, ORF Regionalradios

 

von Pfarrer Hans Peter Premur

Sonntag, 8.7.2001
Der Sommer ist die Jahreszeit in der wir 
Menschen hinaus in die Natur
drängen. Wir 
verlassen die enge unserer Wohnungen und es 
zieht uns in die
Weite. Ich möchte daher die 
Morgengedanken dieser Woche von der
Natur, 
von der Schöpfung her, ableiten.

Im Sommer liege ich oft einfach nur so da und 
lasse meinen Blick in die
Weite des blauen 
Himmels schweifen. Das tut so richtig gut. Das 
ist für
mich so etwas wie dem Blick, dem 
Schauen, einen Urlaub zu gönnen. Nichts
Enges 
verstellt mir die Sicht, alles am Himmel ist weit 
und beruhigend.

Manchmal folge ich dem Flug der Vögel und 
sehne mich nach ihrer Fähigkeit
der Erdanziehung 
trotzen zu können. Bei diesem Anblick muss ich 
immer an
Simone Weil, Buch: Schwerkraft und 
Gnade, denken. Die Autorin - eine
Mystikerin 
unseres Jahrhunderts - ist eine leidende, eine 
tragische
Denkerin, sie erfährt diese unsere Welt 
und ihr Leben als beengt und von
der 
Gravitationskraft der Erde und der Materie am 
Boden bleibend
festgehalten. Nur wenn der 
Anhauch der Gnade Gottes uns Menschen trifft,
dann wird alles weit und leicht und wir wachsen 
über uns selbst hinaus.

Sie, liebe Hörer, haben dieses empfehlenswerte 
Buch vielleicht nicht
gelesen. Eines aber können 
Sie heute schon tun um ein wenig von der
Erfahrung 
Simone Weils mit zu naschen: blicken Sie doch - 
gedankenversunken
- meditierend - in die Weite des 
Himmels und lassen Sie sich von Gott
diesen lichten 
und blauen Herzensöffner schenken der uns aus der 
Begegnung
des Alltags befreit und unser Inneres 
bereit macht ... für ein Leben aus
der Gnade.

Montag, 9.7.2001
Jetzt im Sommer ist uns die Natur wesentlich näher 
als sonst, denn wir sind
bereit, ungeschützt auf 
Tuchfüllung mit ihr zu gehen. Keine dicken Mäntel,
 
kein schweres Schuhwerk stehen zwischen Mensch 
und Welt.

Ich liebe diese warme Jahreszeit auch deshalb 
weil ich barfuß gehen kann.
So richtig mit dem 
blanken Fußsohlen auf der Erde stehen macht mir 
Freude
und gibt mir ein Gefühl von Freiheit und 
Ungezwungenheit. Zwar sind diese
Empfindungen 
auf Steine zu treten oder harte, trockene Grashalme 
zu spüren
nicht immer gleich angenehm - aber mit der 
Zeit gewöhnt man sich und kann
über den Tastsinn 
der Füße die Welt ganz anders, ganz neu wahrnehmen.

Eigentlich ist es tragisch, dass wir ansonsten die Füße 
immer einschnüren
müssen und vermittelt durch eine 
Leder- oder Plastiksohle durch die Welt zu
balancieren. 
Doch der Sommer gibt uns hier eine Möglichkeit, dem
ursprünglichen einfachen Menschsein auf die Spur zu 
kommen.

Barfuß durch den Sommer zu gehen macht in mir die 
Erinnerung an Reisen nach
Afrika und Asien wach. Hier 
und in vielen anderen Ländern hat der Mensch
viel öfter 
Hautkontakt mit der Erdoberfläche - gleichzeitig denke 
ich beim
barfuß Gehen an meine mangelnde Solidarität 
mit den Armen dieser Welt und
ich denke auch an Moses 
und alle, die ihr Schuhwerk ausziehen, abstreifen,
wenn 
sie heiligen Boden betreten. Versuchen doch auch Sie, 
liebe Zuhörer
, bewusst barfuß zu gehen und dabei die 
Schöpfung mehr lieben zu lernen.

Dienstag, 10.7.2001
Haben Sie heuer schon ein richtiges Sommergewitter 
erlebt? Die Gewitter
dieser Jahreszeit sind besonders 
eindrucksvoll und auch gefährlich.

Es kommt nicht von ungefähr, dass Blitz und Donner 
Insignien vieler
vorchristlichen Gottheiten gewesen 
sind. Denn die Erfahrung eines so
starken 
Naturphänomens setzt unserem menschlichen Geist 
ganz schön zu und
beeindruckt ihn tief. Wenn wir so 
ein großes Unwetter erleben, dann kommen
da 
schon mulmige Gefühle mit ins Spiel: die Angst vor 
dem unberechenbaren,
die Angst vor dem plötzlichem 
Tod, das Ausgeliefert sein an Gewalten, die
nicht 
kontrollierbar sind.

Sowohl das Alte Testament und das Neue Testament 
bringen Blitz und Donner
in Verbindung mit Gott. Er - 
so lesen wir in der Heiligen Schrift -
spricht zu den 
Menschen wie durch Blitz und Donner: In der Wüste, am 
Berg
Sinai... in den Psalmen. Auch Jesus selbst wird im 
Matthäus Evangelium mit
der Kraft des Blitzes assoziiert. 
Wenn seine Gestalt bei der Verklärung am
Berg Tabor 
wie der Blitz leuchtet, oder aber: wenn es um die 
Wiederkunft
Christi geht: "Denn wie der Blitz der bis zum 
Westen hin leuchtet wenn es
im Osten aufflammt, so wird 
es bei der Ankunft des Menschen Sohnes sein..."

Es ist, liebe Zuhörer, ein großes Geschenk wenn die 
Phänomene der Schöpfung
uns auf Gott und seine 
Geheimnisse hinverweisen können.

Mittwoch, 11.7.2001
Was wäre das Leben würde es kein Wasser geben? 
Gerade jetzt im Sommer
machen wir täglich die 
Erfahrung, wie notwendig und heilbringend Wasser
ist. Die Hitze bringt uns sogar in einer vollzivilisierten 
Gesellschaft
dazu, statt den gekauften Getränken 
reines Wasser zu trinken. Wir in
Österreich sind hier 
in einer privilegierten Situation. Das Kostbare
 
Trinkwasser, nach dem Millionen Menschen lechzen 
würden, verwenden wir zum
Waschen unserer 
Autos, zum Gießen unserer Gärten und zum 
Wegspülen unserer
Ausscheidung - Eigentlich ist 
dies ein Grund bewusster und sorgsamer mit
Wasser umzugehen als wir das in den letzten 
Jahrzehnten bisher taten.

Das Wasser hat aber nicht nur die Fähigkeit 
unseren Durst zu löschen,
sondern es ist auch in 
der Lage Schmutz zu lösen und das Unreine in sich
aufzunehmen, es ist, wenn seine Oberfläche ruhig 
ist wie ein natürlicher
Spiegel und es kann dem 
Menschen beim Schwimmen zeigen was es heißt
getragen zu sein in der Bewegung des Lebens.

Jedes Mal wenn ich einen Menschen taufen darf, 
dann mache ich mir die
unglaubliche Dimension
von Wasser bewusst, das überall ein Lebensträger ist.

Dass Wasser eine Realität der Schöpfung ist die 
schon wie von alleine die
Geheimnisse des Lebens 
und der Gottheit ankündigt wusste auch Jesus zu
benennen: Der wahrhaft gläubige ist wie eine Quelle 
aus der lebendiges
Wasser strömt. Er erquickt seine 
Umgebung und verwüstet sie nicht.

Ich lade Sie heute ein mit dem Symbol Wasser ganz 
bewusst umzugehen.

Donnerstag, 12.7.2001
Der Nachthimmel im Sommer ist zwar nicht so klar 
wie der im Winter,
trotzdem kann er uns vielleicht 
mehr als dieser segnen. Denn in den lauen
Sommernächten können wir, wenn wir wollen länger 
als sonst im Jahr -
ungestört durch kalte 
Temperaturen - zu ihm aufblicken.

Das meiste am Nachthimmel ist schwarz und dunkel. 
Verglichen mit diesem
Dunkel gibt es nur wenige 
Lichtpunkte. Doch diese reichen völlig aus um
uns ins 
Staunen zu versetzen. Das Funkeln der Steine, das 
Vorrüberziehen
eines Kometen, das große Gesicht 
des Mondes. Seit Menschengedenken blicken
wir zum 
Sternenhimmel auf und finden dort Orientierung oder 
die Projektion
von Charaktereigenschaften durch die 
Sternbilder.

Wer jemals eines dieser Nachthimmelphotos gesehen 
hat bei dem die Bewegung
der Sterne in einer Nacht 
abgebildet wird, weiß dass es einen Punkt gibt um
den sich alles dreht: der Polarstern.
Ich weiß nicht ob Sie, werte Zuhörer, diesen am 
Himmel ausfindig machen
können. Er ist gar nicht der 
Größte dort. Klein und unscheinbar steht er
da und alles 
dreht sich um ihn, als ob er die Nabe eines großen 
Rades ist.

Wenn ich zum Nachthimmel aufschaue, dann weiß ich 
mich geborgen in einer
unglaublich großen und 
großartigen Schöpfung und alles ist getragen von
einer noch größeren Kraft die Ordnung stiftet.

Freitag, 13.7.2001
Welches Gewand, welche Kleidung werden Sie heute 
anziehen? Eine Frage die
sowohl für Alleinstehende 
als auch Paare immer wieder eine kleine
 
Morgenanstrengung bedeuten kann. Da Kleider Leute 
machen, ist dieser
Moment der 
Garderobenentscheidung ein wichtiger und oft heikler.

Der Sommer ist uns mit seinen Temperaturen da schon 
etwas behilflich.
Sommerkleidung hat etwas von der 
Leichtigkeit des Lebens, hat etwas vom
Luftigen. Es 
ist doch wohl eine erstaunliche Tatsache, dass in allen
westlichen Ländern die Gewänder, Kleider den 
Menschen viel enger anliegen
als die der übrigen 
Kulturen. Wahrscheinlich spielt hier unser
 
Nützlichkeitsdenken eine große Rolle. Mit einer antiken 
römischen Toga
oder mit einer modernen indischen 
Tücherbekleidung ist es unmöglich so viel
und so 
schnell zu arbeiten und praktisch zu leben wie das mit 
unseren Hosen
und Hemden und engen Kleidern der 
Fall ist.
Vielleicht sind wir aufgrund unserer 
windschlüpfrigen Kleider aber zu
schnell unterwegs und 
zu funktionalisiert im Ablauf der Alltäglichkeiten.

Mir fällt die Szene der Kreuzigung bei diesen 
Gedanken ein. Jesus trug ein
Gewand das von oben 
bis unten ohne Naht durchgewebt war, das man deshalb
nur als Ganzes ihm wegnehmen konnte. 

Hoffentlich müssen Sie nicht in der Frühe würfeln 
welches Gewand sie anziehen sollen.

Samstag, 14.7.2001
Ich habe in den Morgengedanken dieser Woche 
sommerliche Erfahrungen mit
dem Leben und 
der Schöpfung ausgewählt, um sie als Symbole 
für ein tiefes
Seelenleben, als Gotteshinweise zu 
deuten.

Heute möchte ich zum Abschluss meine 
symbolische Erfahrung mit dem Garten
erwähnen. 
Überall erleben wir im Sommer, dass alles gedeiht 
und wächst.
Besonders wird dies demjenigen 
bewusst der einen Garten hat und ihn
bestellt. 
Ohne die tägliche Fürsorge wird der Garten bald 
verwildern oder
wegen mangelnder Bewässerung 
wächst nichts. Noch schlimmer ergeht es
 
denjenigen, die die Kleinungeheuer namens
Nacktschnecken ungehindert im
Garten wüten 
lassen. Diese Tiere trüben einem die Freude am 
Garten oft
sehr. So ein Garten kann aber ein Symbol 
für meine Seele, für mein
Glaubensleben sein. 
Ohne die intensive Pflege geschieht wenig 
Erfreuliches.

Zweimal wird in den Evangelien Jesus mit dem 
Bild des Gärtners
zusammengebracht. Einmal ist 
es Maria Magdalena, die den Auferstandenen
für 
einen solchen hält. Das andere Mal finden wir ihn in 
einem Gleichnis.
Dort springt der Gärtner für einen unfruchtbaren 
Feigenbaum in die Bresche.
Er will ihn düngen und 
pflegen, damit er nicht aus dem Weingarten
 
hinausgeworfen wird. Der Sommer ist die geeignete
Zeit sich seinen
Seelengarten von Gott, vom Gebet, 
von der Stille von der Schöpfung pflegen
zu lassen, 
nutzen wir die Gelegenheit heute.

 

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Letztes Update dieser Seite am  16.07.2001 um 12:12