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Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr - 6.08 Uhr, ORF Regionalradios
Montag bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr, ORF Regionalradios
von Oberkirchenrätin Dr. Hannelore Reiner aus Wien
Sonntag, 15. Juli 2001
Ich habe es schon von Weitem gehört, dieses feine
sanfte Gluckern ... Der Schritt auf dem gebirgigen
Wanderweg ist gleich leichter und beschwingter
geworden. Eine Quelle, das Beste, was ich mir im
Augenblick wünschen konnte!
Wer schon einmal an einem heißen Sommertag so
richtig verschwitzt und müde das kühle klare
Quellwasser in seine hohlen Hände hat rinnen lassen,
der weiß um diese Köstlichkeit. Es wundert mich nicht,
dass Menschen im alten Israel Gott als "Quelle des
Lebens" beschrieben haben. In diesem heißen Land am
Rande der Wüste bedeuten Quellen: Leben. Wo Wasser
ist, kann etwas wachsen. Da können sich Tiere und
Menschen ansiedeln, da pulsiert das Leben. Wo die
Verbindung zu Gott gesucht wird, lässt er sich finden und
belebt wie eine Quelle am Wanderweg, wie das frische
Wasser in meiner hohlen Hand.
Montag, 16. Juli 2001
Bach
Seit Jahren planen wir schon die kleine Radtour entlang
der Vöckla. Richtig geschafft haben wir es bis heute nicht.
Aber streckenweise ist mir dieser Fluss sehr vertraut. Vor
allem dort, wo er noch gar kein Fluss ist sondern erst ein
Bach. In sanften Schlingen zwingt er sich durch die Wiesen
des Tales. Es ist, als ob er sich erst den Weg suchen
müsste, als ob er probieren wollte, wo es am schönsten ist.
Als Kind bin ich in einem solchen Bach mit nackten Füßen
herumgewatet und habe dabei wahre Schätze entdeckt:
Schöne bunte Steine, alle möglichen Käfer und Libellen und
ab und zu einen Fisch. Bis zum heutigen Tag sind mir Bäche,
die sich ihren Lauf unbegradet in die Landschaft suchen
können, ein hoffnungsvolles Bild für ein Leben in Freiheit und
Vertrauen.
So wie der Bach kann ich heute meinen Weg entdecken;
freilich werden Schlingen und Biegungen dazugehören. Sie
vervollständigen erst das schöne Mäandermuster.
Dienstag, 17. Juli 2001
"Im Salzkammergut regnet es immer." Mit dieser eher
abfälligen und manchmal auch resignierten Bemerkung
bin ich aufgewachsen. Es stimmt schon. Wir wohnen in
einem regenreichen Land. Zwei Wochen Dauerregen
können da ab und zu schon vorkommen. Trotzdem liebe
ich den warmen Sommerregen. Er wäscht die schmutzige
Staubschicht von Straßen und Bäumen, lässt Wiese und
Blumen und auch uns Menschen an heißen Tagen wieder
aufleben. Nicht nur, weil es sich so schön reimt, wird der
Segen Gottes manchmal mit dem Regen verglichen.
Segnen heißt nichts anderes als wachsen lassen, beleben,
erfrischen. Die einzige Voraussetzung: Ich bin dafür offen
und bereit, ich setze mich dem Segen aus, wie dem
warmen Sommerregen, und lasse mich von ihm
beschenken.
Mittwoch, 18. Juli 2001
Fluss
Wenn ich von Oberösterreich nach Wien und wieder
zurückfahre, mag ich jenes Stückchen am liebsten, wo
die Bahn der Donau entlang führt. Ein Freund hat mich
einmal gefragt: Wie ist das möglich, dass Wasser, ein
Fluss, ein Strom, wie die Donau, eine Landschaft für
uns Menschen so schön machen? Ich habe darauf auch
keine Antwort gewusst, nur die, dass ich es ebenso
empfinde.
In alten Zeiten waren es die Flüsse, die Menschen
zusammengeführt haben. Am Fluss war Leben, da
konnte gesiedelt und gehandelt werden. Die Tragkraft
des Wassers haben die Menschen schon früh
ausgenutzt, Boote und Schiffe gebaut, um andere Ufer
zu entdecken. All diese uralten Erfahrungen und
Geschichten um Fluss und Strom prägen unser Denken
und unsere Gefühle. Wenn Wellen sich gleichmäßig oder
auch stürmisch bewegen, wird das Leben greifbar und
Menschen finden zueinander.
Donnerstag, 19. Juli 2001
Sturm
So sehr mich das Wasser fasziniert, so sehr weiß ich
auch um seine Gefahren. Ich war noch keine sechs Jahre
alt, da war jener Hochwassersommer. Alle Flüsse und
Seen sind über die Ufer gestiegen und über Nacht hat
auch das Erdreich zu rutschen begonnen. Felder standen
unter Wasser, die Ernte war kaputt.
Und wieder wird das Wasser zum Symbol des Lebens.
Stürme und Gefahren gehören zum Menschenleben, auch
zum Leben eines Christen. Die Erfahrung, dass der Boden
unter den Füßen wegrutscht und die Wellen der Angst über
mir .zusammenschlagen, ist mir nicht fremd.
Eine der bekanntesten Geschichten des Neuen Testaments
ist jene, in der die Jünger samt Jesus einen der gefürchteten
Stürme am See Genezareth ausgesetzt sind. Aber es ist
dennoch keine Todesgeschichte, sondern eine Geschichte,
die das Vertrauen lehrt, denn Jesus bleibt im Boot, d.h. keiner
der ihm vertraut, bleibt allein in den Stürmen des Lebens.
Freitag, 20. Juli 2001
Regenbogen
Vor wenigen Wochen bin ich wieder einmal mit dem
Schiff über den See gefahren. Der sogenannte
Wetterwinkel war bereits dunkel und düster. Wenig
später hat es auch schon zu regnen begonnen. Aber
die Sonne ist standhaft geblieben. Sonne und Regen
haben sich verbündet und ein unbeschreiblich schöner
Regenbogen hat sich über den ganzen See gewölbt -
von einem Ufer zum anderen.
Im ersten Buch der Bibel wird auch von einem
Regenbogen erzählt. Noah darf ihn sehen. Nach den
endlos scheinenden Wochen der Flut und des Grauens.
Als Zeichen Gottes versteht er ihn. Als Zeichen der
Versöhnung. Die Menschen haben eine neue Chance.
So lange dieser Bogen am Himmel steht, solange
Sonne und Regen sich in diesem Bogen vereinen, sind
uns Gottes offener Himmel und täglich neue Chancen
verheißen.
21. Juli 2001
Meer
Die Donau fließt ins Schwarze Meer, so habe ich es in
der Schule gelernt, nachgeprüft habe ich es bis zum
heutigen Tag nicht. Aber andere Meere habe ich
inzwischen gesehen. Ich habe mich faszinieren lassen
von den Wellenbergen des Pazifik und von den
atemberaubenden Sonnenuntergängen am Mittelmeer.
Für die Menschen im alten Orient war das Meer die
Mutter allen Lebens. Das ist nur zu verständlich, wenn
man weiß, dass das Meer für diese Völker alles
geboten hat, was sie zum Leben brauchten. Die
biblische Schöpfungsgeschichte kennt auch das Meer,
aber es ist keine Urgewalt mehr, der der Mensch mit
Haut und Haaren ausgesetzt ist. Die Urflut wird fügsam
in der Hand des Schöpfers und sammelt sich an genau
bestimmten Orten. Das ist für mich ein tröstliches Bild.
Selbst die gewaltigen Meere, ja auch jene gefährlichen
Fluten, die Menschen selbst hervorgebracht und
manchmal nicht mehr zurückrufen können, müssen sich
letztendlich dem Willen Gottes unterordnen.
So kann ich mit dem Liederdichter vertrauen: "Der
Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn,
der wird auch Wege finden, da mein Fuß gehen kann."
Letztes Update dieser Seite am 20.07.2001 um 09:47