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Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr - 6.08 Uhr, ORF Regionalradios
Montag bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr, ORF Regionalradios

von DDr. Martin Bolz (Wien)

Sonntag, 9. September 2001

Jeder Tag in der Woche hat seine bestimmte Aufgabe,
auch dann, wenn in unserer schnelllebigen Zeit ein Tag
den anderen jagt und wie in einer Endlosschleife kein Tag
von dem anderen sich so richtig zu unterscheiden scheint.
Aber jeder Tag hat eine besondere Bedeutung, nicht einfach,
weil es ihn gibt, sondern weil es für die Menschen gut ist,
 so etwas wie eine geregelte Zeit zu haben.

Der Sonntag ist für die Christen die Erinnerung an die 
Auferstehung von Jesus Christus und hat damit eine
weitreichende Bedeutung für den alltäglichen Glauben, 
genauso wie es in anderer Weise der Sabbat für das 
Judentum und das Freitagsgebet für den Islam ist. Es 
braucht einen Tag in der Woche, an dem man Ruhe und 
Zeit hat, einmal nachzudenken, gedanklich seine Sachen
zu ordnen, zu träumen und Pläne zu machen. Ohne 
dieses Aussteigen aus dem Alltagstrott kann es leicht
passieren, dass man sich selber unterwegs verliert und 
nicht mehr weiß, wo man hingehört. Und zu den wichtigen
Fragen gehört eine, die sich immer wieder neu stellt: Wo
bist du Gott? Da hat man mir als Kind beigebracht, dass
es den lieben Gott gibt, dann bin ich älter geworden und
habe so manchen Zweifel an den lieben Gott gehabt und 
heute habe ich mich auf ein Verhältnis der gegenseitigen 
Nicht -Einmischung geeinigt. Nur wird mein so ausgeklügeltes
System dann einseitig, wenn plötzlich etwas passiert, wo 
man gar nichts machen kann, irgend jemand wird schwer
krank, einer anderer stirbt und es gibt keine Erklärung dafür,
jedenfalls keine, die alle miteinander und auch mich 
befriedigen würde. Wo bist du da, Gott?

Der Sonntag erinnert an die Auferstehung, jedoch vor
der Auferstehung ist erst einmal der Tod, genauso wie 
aus einem Samen eine Pflanze oder eine Blume entsteht,
aus einer Raupe ein Schmetterling. Immer muss zuerst
etwas hergegeben werden, damit Neues entstehen kann. 
Das Schmerzhafte ist das Hergeben, weil man etwas 
verliert, zuerst einmal vielleicht alles, an das man gewohnt
war, das zum Leben dazugehört hat. Daran genau erinnert
der Sonntag und deswegen war er schon immer gegen 
jede Zeit gerichtet, jenseits aller Argumente, dass der
Mensch ja auch einmal, nämlich genau am Beginn der 
Woche die Ruhe braucht, um dann seinen Pflichten
nachkommen zu können. Die übliche Logik geht anders 
herum, nämlich das, was man hat, doch zu vermehren 
und kann man nicht viel Rücksichten auf den Wochentag
nehmen; denn nur wer viel hat, kann sich's gut gehen 
lassen. Der Sonntag redet vom Gegenteil, vom Hergeben,
vom Nicht bestimmen wollen, was alles sein soll oder sein
darf, obwohl man es vielleicht doch so gerne möchte. 
Denn wie heißt es schon im Buch des Predigers: Der
Mensch hat keine Macht über den Tag des Todes. 
Daran erinnert der Sonntag, nicht um den Tod einfach 
zu verdrängen, sondern um leben zu können, weil man 
nichts ausklammert aus seinen Gedanken, Zeit und Ruhe
hat, damit umzugehen.

Solche Gedanken kann man in der Regel nur alleine
haben und weiterdenken. Und weil wir schon bei diesen
Nachdenklichkeiten sind, wie wär's mit einem Satz aus
Kindermund: Lieber Gott danke, dass du Gott gemacht 
hast. Allerdings, diesen Ausspruch muss man sich auf
der Zunge zergehen lassen und dann ist vielleicht gerade
die beschauliche Ruhe des Sonntags dafür da, um über
diesen Satz mit anderen das Gespräch zu suchen.

 

Montag, 10. September 2001

Eine neue Arbeitswoche mit all ihren Aufs und Abs liegt
vor uns, ob es nun besonders freut oder nicht, denn 
irgendwie braucht man ja auch das Geld zum Leben. 
Aber wir wollen ja nicht jammern, so ist es schließlich
und wir machen das beste daraus, insofern sind wir 
Realisten. Und wenn dann auch noch unsere Tätigkeit
geschätzt wird, dann gibt es auch eine gewisse 
Befriedigung, etwas weitergebracht zu haben. Ein 
wenig Unsicherheit bleibt aber trotz allem, besonders 
wenn man zwei 12jährigen Mädchen zuhört: "Es ist 
schön, in der heutigen Zeit zu leben. Antwort der zweiten:
Ja, aber nur wenn man genug Geld hat." Beide haben 
recht, je nachdem, wie man es sieht, könnten sie auch
Unrecht haben, denn es gibt viele Menschen, die es 
nicht schön finden, in der heutigen Zeit zu leben; 
genauso wie es auch umgekehrt viele Leute gibt, die 
sich aus Geld nicht viel machen. Es ist eben auch eine 
Frage der persönlichen Einstellung und des Lebensstils,
wo man seine persönlichen Schwerpunkte setzt. Die 
Aussprüche der beiden Mädchen treffen für mich in 
jeder Weise ins Schwarze und erinnern mich an jene
Geschichte aus dem Neuen Testament, wo von der 
Speisung der 5000 gesprochen wird. Da hat Jesus
gepredigt und die Zuhörer haben noch nicht genug und
gehen nicht nach Hause, was ja wohl manches Mal
vorkommen soll. Es ist so schön, in der heutigen Zeit zu l
eben, es ist so schön, dabei zu sein. Aber da melden 
sich sofort die Realisten zu Wort und erinnern daran, 
dass Menschen Hunger haben und etwas zu essen 
brauchen. Daran soll's ja nicht scheitern, es gibt in der
Umgebung genügend zu kaufen. Ja, es ist schön, dabei
zu sein, wenn man genügend Geld hat. Auf der einen
Seite zählt der Augenblick und das: es wird schon 
irgendwie weitergehen, was sollen wir uns aufregen; 
zu viel Sorgen machen Kopfweh und hindern daran, 
das was passiert auch richtig zu genießen. Und 
andererseits wird die Frage nach der materiellen 
Absicherung gestellt, die realistisch klingt und natürlich
auch ist, nur weiß natürlich niemand so genau, wie 
man das mit Ziffern und zahlen benennt: genügend 
Geld haben? Und genau da wird dann die weiterführende 
Frage gestellt: Wie viel ist denn eigentlich da? Ehe die 
Realisten mit den Träumern zu streiten beginnen schauen 
wir doch einmal darauf, was vorhanden ist. Und da zeigt 
sich, dass beide Anschauungen im Recht sind: wenn es 
schön ist, dann braucht es nicht viel, oder mit dem 
biblischen Bild zu sprechen, dann langen 2 Brote und 
5 Fische bei weitem aus. Wenn man den realistischen 
Standpunkt einnimmt, dann muss man am Schluss 
feststellen, dass von dem anscheinend wenigen noch
Körbeweise Reste übrig bleiben; man könnte also das 
Zusammensein auf den nächsten Tag ausdehnen, ohne 
viel darüber nachdenken zu müssen, wie man das wohl 
schaffen könnte.

Eine neue Woche hat begonnen, bei der man wahrscheinlich
schwer aus dem Zwiespalt herauskommen wird, ob für das 
schöne Leben auch genügend Geld dasein wird; eine neue
Woche, die so ist wie die vielen vorangegangenen und wo
man nicht so einfach aussteigen und alles anders wird machen
können, aber es geht ja auch nicht um die plötzlichen und 
schnellen Veränderungen, sondern um die grundsätzlichen 
Richtungen, in die es in der Zukunft gehen soll. Und wann anders
als am Anfang soll man hier die Weichen stellen?

 

Dienstag, 11. September 2001

Der 2. Arbeitstag der Woche lässt manches wieder leichter
von der Hand gehen und deshalb hat man auch hin und wieder
ein wenig Luft, um herumzuschauen und sich so seine 
Gedanken zu machen. Das größte Gut ist für viele Menschen
doch die Gesundheit, das ist nicht nur eine Binsenweisheit, 
sondern das liest man auch in allen Zeitungen und sieht und 
hört darüber bei jeder Gelegenheit. Und weil das so ist, redet
man über Fitness und Wellness und was es da sonst noch so 
gibt, so dass alle das Gefühl haben: da muss man doch 
mitmachen! Sollte jedoch gesundheitlich etwas nicht nach 
Wunsch laufen, dann gibt es immer noch viele Möglichkeiten 
zur Reparatur, wenn man nicht gleich daran denken möchte, 
dass man auf die Hilfe anderer angewiesen ist. Schließlich 
lebt man ja in der grundsätzlichen Hoffnung, dass es keinen
Stillstand gibt und dass alles weitergeht. Was hatten sich da 
2 Kinder in der 1 .Klasse Volksschule zu sagen:

"Ich wünsche mir, dass die Erd nicht untergeht. Die Antwort:
Wenn du stirbst, dann geht die Erde unter." Da haben wir es
ja dann frei Haus, was zwei kleine Realisten sich gegenseitig
so zu sagen haben, formuliert als ein Wunsch mit der darauf
folgenden philosophischen Antwort. So lange man lebt, hofft
 man eben.

Sie kennen sicher jene biblische Erzählung, bei der Menschen
offenbar in eine aussichtlose Situation gekommen sind und 
nur noch auf ein Wunder warten können, es ist die Geschichte
von den Kranken am Teich Betesda. Es wurde erzählt, dass
von Zeit zu Zeit ein Engel das Wasser in Bewegung setzen 
würde und dass danach der erste, der in das Wasser kommen
würde, der würde von seiner Krankheiten geheilt. Unter 
diesen vielen kranken Menschen gibt es einen, der schon
ein Menschenalter da ist und auf seine Heilung wartet, aber 
immer ist irgend jemand schneller als er und geht geheilt weg, 
er ist immer der zweite. Auf diese Weise ist er Wartender und 
Kronzeuge gleichzeitig, dass Menschen wirklich geheilt werden.
Er könnte diesen Kindersatz auch sagen, dass er sich wünsche,
dass die Erde nicht untergeht, aber aus anderen Gründen als die
Kinder heute. Denn für ihn bedeutet die Hoffnung, dass die Erde
nicht untergeht, gleichzeitig die Chance, dass er es eines Tages
doch schaffen könnte und dann wäre auch er gesund - für den 
Rest seines Lebens.

Aber was lehrt und das antwortende Kind? Wenn du stirbst, 
geht die Erde unter! Also der Weltuntergang ist nicht der Big 
Bang und alles ist für alle überall auf einmal vorbei, sondern
mit jedem Tod endet ein Stück Erde.

Als Jesus damals jenem wartenden Menschen begegnet, 
da kann jener sich nur vorstellen, dass Jesus sich zu ihm
setzt, mit ihm wartet und ihm dann im entscheidenden 
Moment hilft, als erster im Wasser zu sein. Damit 
unterstellt er, dass er den Wettlauf um die Gesundheit
nur mit Hilfe gewinnen kann und dass ein solcher Gedanke 
so selbstverständlich ist, dass man ihn sofort verstehen 
muss. Ich wünsche mir, dass mir einer zum Wunder verhilft 
ist der gleiche kindliche Satz wie jener, dass die Erde nicht 
untergehen möge. Kindlich ist in keinem der beiden Fälle 
abwertend gemeint, sondern verstanden im Sinne von 
"zutiefst menschlich" und daher wahrscheinlich sogar weise.
Nur leben beide Anschauungen offenbar nur aus einem
Blickwinkel und können etwas noch nicht: weiter leben
mit der Krankheit inmitten vieler Menschen und die allseits
übliche Ausgrenzungskultur nicht mitspielen und damit
ein möglichst normales Leben führen, weiterleben auch
 mit der Befürchtung, dass es die Erde nicht mehrgeben 
könnte.

 

Mittwoch, 12. September 2001

Dalai Lama
Als Buddhist sehe ich im Tod einen normalen Prozess. 
Ich akzeptiere ihn als Realität, der ich solange ausgesetzt
bin, wie ich mich in weltlicher Existenz befinde. Da ich weiß, 
dass ich mich dem Tod nicht entziehen kann, sehe ich keinen 
Sinn darin, mich vor ihm zu fürchten. Ich sehe den Tod eher 
so, wie wenn man Kleider wechselt, wenn sie alt und 
abgetragen sind, und nicht als letztes Ende. Doch der Tod
ist nicht vorherzusehen: Wir wissen weder wann noch wie
er uns ereilen wird. Daher ist es klug, sich auf ihn vorzubereiten,
bevor es soweit ist.

Natürlich wünschen sich die meisten von uns einen friedlichen
Tod; es ist auch klar, dass wir nicht auf eitlen friedlichen Tod 
hoffen können, wenn unser Leben voller Gewalt ist oder unser
Geist die meiste Zeit von Emotionen wie Zorn, Anhaften oder
Furcht besessen ist. Wenn wir also gut zu sterben wünschen, 
müssen wir lernen, gut zu leben: Wenn wir auf einen friedvollen
Tod hoffen, dann müssen wir in unserem Geist und in unserer
Lebensführung den Frieden kultivieren.

Nach der Katastrophe in den USA, vom 11.9.2001, äußert 
sich der Wiener Religionspädagoge Dr. Martin Bolz, von 
der Evangelischen Kirche, mit einem Text von Dalai Lama.

 

Donnerstag, 13. September 2001

"Im Gedenken an die Opfer"
Es sind Menschen wie Sie und ich. Arglos, nichtsahnend. 
Binnen Sekunden werden sie hinabgerissen im World Trade 
Center. Hinab in den Tod, begraben unter Schutt und Asche.

Der Tod, vor allem der gewaltsame, stellt uns fassungslose
Zuschauer vor die Erfahrung des Nichts. Wir sehen vorerst 
nichts, nur Dunkel, Verlorenheit, Verzweiflung. Vielleicht

aber ist das Nichts, in das wir am Ende gehen, dasselbe
Dunkel, aus dem wir durch unsere Geburt gekommen sind.

Christen, Juden und Muslime haben für dieses unsagbare 
Dunkel einen Namen. Sie nennen es Gott, den Geber allen
Lebens, Jahwe, den liebenden Begleiter und Allah, den 
Allerbarmer. Das ist die Kraft des Glaubens. Der Tod hat 
nicht das letzte Wort.

Wir, die glücklich Verschonten, verneigen uns vor den
Ermordeten, Verletzten und beten für ihre Angehörigen 
und Helfer.

Hass und Rachegedanken sind menschlich verständlich. 
Man fordert, dass die Bösen, die namen- und gesichtslosen 
Terroristen, bestraft werden. Das Böse soll mit Gewalt 
ausgerottet werden. Doch Terror ist die böse Frucht
ohnmächtiger Verzweiflung.

So handeln Menschen, die keinen anderen Ausweg mehr 
sehen, als andere in einen schrecklichen Tod mithineinzuziehen.
Wer aber gleiches mit gleichem vergilt, trifft meist ebenfalls 
Unschuldige und dreht die Spirale des Hasses noch weiter.
Christen glauben, dass Jesus am Kreuz einen einmaligen 
Weg aus der Gewalt gewiesen hat. Seine Vision war die 
einer Welt der Gerechtigkeit, der Versöhnung und des Friedens.

Wenn wir die Toten dieses Terrorangriffs ehren wollen 
dann tun wir das am besten, indem wir im großen und im
kleinen mithelfen, an einer versöhnten, gerechteren und 
friedvolleren Welt zu arbeiten. Dann nämlich neigt sich der
Himmel der Erde zu und gibt Ausblick auf das, was uns 
am Ende erwartet. Jetzt sehen wir noch eine düstere 
Landschaft des Todes und der Trauer.

Johannes Kaup, Religionsjournalist in Wien, äußert sich
zur Katastrophe in den USA, vom 11.9.2001.

 

Freitag, 14. September 2001

Man möchte ja nach Möglichkeit alles gut und ordentlich
machen, dafür ist schließlich der Freitag da. Für viele
endet die Arbeitswoche und da heißt es dann, so gut
wie möglich die Arbeit abschließen, was immer mit der
Frage verbunden ist, wie die Entscheidungen dieser 
Woche zu beurteilen sind. Meistens sind es ja nur die 
Folgen von längst eingeleiteten Entwicklungen, die man
zu bedenken hat, es geht also darum zu überlegen, wie
und ob die Sachen noch zusammenstimmen.

Mir fällt dazu der Humor von Jesus ein, der seine Zuhörer
fragt, ob es wohl jemanden gibt, der sein Haus auf Sand 
bauen würde? Selbstverständlich gibt es da niemanden,
der so etwas macht, so dumm ist doch keiner; da müssen
die Leute schon ein wenig grinsen. Jesus wird auch gelächelt
haben, denn natürlich tut das niemand -aber warum kommt es
dann immer wieder vor? Warum bauen dann Leute ihre Häuser 
an gefährdete Stellen? Haben sie nicht gewusst, wie gefährlich 
das ist? Oder hat man sie einfach getäuscht und sie haben
nicht gemerkt, welches Spiel man mit ihnen gespielt hat? 
Natürlich wissen alle Zuhörer von Jesus, dass man weder 
Häuser noch Zelte mitten in einen ausgetrockneten Flusslauf
stellt. Denn auch, wenn schon seit langem nichts mehr 
passiert ist und man sich daher in Sicherheit wiegen 
kann, geht doch irgendwann ein Regenguss nieder und 
das hat verheerende Folgen, denn dieser Sturzbach 
walzt alle Widerstände nieder und hinterher sieht man 
nicht mehr, ob da oder dort ein Haus oder ein Zelt gestanden
sind. Tragisch? Ja, auch, aber... wenn nur dieses "aber" 
nicht wäre! Zwei 7jährige diskutieren miteinander über die
Probleme dieser Erde: "Warum spielen wir dann mit der
Erde?" Darauf die Feststellung: "... nicht mehr lange, dann
spielt die Erde mit uns." Die beiden haben etwas verstanden, 
nämlich! dass die Erde, oder wir können auch sagen die 
Natur, ganz bestimmte Voraussetzungen und Regeln 
vorgeben, gegen die man besser nicht verstoßen sollte.

Und jetzt ist es mit dem Humor aber vorbei, wenn alle
wissen, was zu tun wäre, man aber beim Nachdenken, 
bei der Bilanz feststellen muss, dass gegen dieses 
Wissen immer wieder verstoßen wird. Da verstehen
dann die Kinder als erste, dass die Regeln offenbar
nicht ernst genommen werden in einem wie auch immer 
gearteten Spiel. Aber .Kinder wissen auch, wenn man 
ein Spiel gegen die Regeln macht, dann schlagen die 
Regeln irgendwann zurück - so einfach ist das; warum
verstehen das die sogenannten Erwachsenen nicht?
So gewinnt dann die Belehrung von Jesus, dass man
ein Haus auf einen Felsen baut, also fest verankert, eine
ziemliche Härte und Schärfe. Denn wenn etwas vernünftig
ist, dann muss man auch der Vernunft entsprechend 
handeln – bevor es zu spät ist.

So ist die Arbeit am Freitag gar nicht so harmlos, da geht
es nicht nur um das Zusammenräumen und das: es ist 
geschehen, da kann man halt nichts machen, sondern 
da müssten eigentlich dann auch Taten folgen, wenn 
die Fundamente des Lebens nicht abgesichert sind, 
wenn der holde Schein der schönen Bilder vorherrscht, 
aber nichts dahinter ist. Es könnte sein, dass der 
radikale Ernst von Kindern gebraucht wird.

 

Samstag, 15. September 2001

Man sollte ein wenig mit der Zeit gehen, gerade am Samstag.
Es gilt nämlich die Zeichen der Zeit zu sehen und zu begreifen.
Denn der Samstag ist zwar das Ende der Woche, aber er 
weist zugleich auch auf die kommende Woche hin. Jedoch 
macht diese selbstverständliche Wiederkehr des anscheinend
ewig gleichen doch eher blind für die Besonderheiten einer
jeden Woche, möglicherweise auch dieses Samstags. Auf
einen solchen Vorgang macht Jesus seine Schüler aufmerksam,
wenn er sagt, dass man nur den Feigenbaum und andere
Bäume anschauen müsse. Wenn er Blätter bekomme, das
wissen alle, dann sei der Sommer da. Genau darin aber liegt 
die Schwierigkeit für unsere heutige Zeit, uns ist dieses 
Wissen auch dann ein wenig abhanden gekommen, wenn 
man noch in und mit der Natur lebt - denn wir sind sozusagen
mehr zum Beobachter geworden und gefühlsmäßig nicht 
mehr so abhängig von Saat und Ernte. "Gott ist wie ein 
Kreis, es gibt keinen Anfang und kein Ende. ..so wie das 
Universum," hat ein Schulkind gemeint und damit das
heutige Lebensgefühl auf den Punkt gebracht: alles geht 
ineinander über und in dieser nie endenden Spirale der 
Zeit ist auch Gott eingeordnet worden. Aber das ist noch 
mehr: das Denken in Unendlichkeiten ist das wirklich neue
für unsere Zeit, weil wir gewohnt sind, zum Beispiel mit den 
Jahreszeiten zu denken, also Frühling, Sommer, Herbst und
Winter. Oder wir rechnen einen Tag in die Unterteilung von 
Tag und Nacht, was aber auch schon nicht mehr stimmt, 
wenn wir sagen, der Tag hat 24 Stunden', denn dann fängt 
der neue Tag immer mitten in der Nacht an. Wenn damit also
im Grunde das, was wir von Kind auf gelernt haben, sich unter
der Hand in eine unendliche Linie verwandelt, wenn man am 
Morgen oder in der kommenden Woche den Computer 
wieder startet, dann ist der genau da stehengeblieben, wo
man ihn verlassen hat. Das heißt also, man kann Zeit nur
unterbrechen, aber sonst geht sie emotionslos einfach
weiter und vor allem, in der technisierten Zeit werden 
keine Unterschiede gemacht, hier ist es hell, woanders 
dunkel, aber die elektronischen Nachrichten gehen hin und
 her.

Deswegen ist es notwendig, die Zeit zu strukturieren, also
selber zu ordnen - und das ist die größte Herausforderung 
unserer Tage. Man kann sich nicht mehr darauf verlassen, 
dass es so etwas wie einen natürlichen Rhythmus gibt, im 
Winter machen die Leute Urlaub in der Sonne, im Sommer 
flieht man vor dem Regen auch in die Sonne, man sucht die
Lücken im System und steigt aus einer gewohnten Abfolge
von Zeiten und auch Festen aus. Also muss man sich die 
Einteilung selber basteln und dazu bietet ja ein Samstag 
gute Gelegenheiten zum darüber Nachdenken. Also wie 
könnte man den Samstag einteilen, um einmal Zeit für sich 
selber zu haben, oder um zu zweit etwas zu unternehmen - 
einfach etwas tun, was anders ist als das, was man sowieso
immer tut. Das muss man sich aber auch selber klarmachen
und dann wird einem schon einfallen, was ein Samstag so
alles zu bieten hat. Von daher kann man dann den Satz von
Jesus auch ein wenig anders verstehen, der gemeint hat, 
wenn du den Feigenbaum blühen siehst, dann weißt du, 
dass der Sommer kommt, also eine neue Zeit beginnt. 
Man könnte heute sagen, wenn du deine Zeit anders 
ordnest, dann weißt du, dass eine neue Ära deines Lebens
 beginnt.

 

 

 

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Letztes Update dieser Seite am  21.09.2001 um 16:29