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Morgengedanken
Sonntag, 10.12., 6.05 Uhr - 6.08 Uhr, ORF Regionalradios
Montag, 11.12. bis Samstag, 16.12.2000,  5.40Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

Kaplan Johannes Freitag aus Murau, Steiermark

Sonntag, 10.12.2000

Wenn ich in den vergangenen Tagen in verschiedene 
Wohnungen und Häuser gekommen bin, hat mich bereits 
an der Eingangstür der Geruch von Weihnachtsbäckerei 
empfangen. Aus Gesprächen mit Hausfrauen weiß ich 
auch, dass gerade in dieser Zeit des Advents
Rezepte ausprobiert und ausgetauscht werden.

Für jede Mehlspeise, braucht es verschiedene Zutaten, 
die ein Rezept gelingen lassen. Ebenso kommt es auf 
das richtige Verhältnis der Zutaten und ein genaues Maß 
an. Durch genaues Messen und Wiegen, durch die 
richtige Mischung und das rechte Verhältnis kann eine 
Mehlspeise gelingen und bekommt den richtigen 
Geschmack.

In meiner Arbeit als Kaplan begegnen mir in Gesprächen
unterschiedlichste Zutaten, die Menschen brauchen, 
damit ihr Leben Geschmack bekommt.

Immer wieder erzählen mir Menschen von ihrem 
Lebensrezept und von Dingen, die für das Gelingen
ihres Lebens maßgeblich sind.

Ich lade sie in dieser Woche ein, mit mir über die 
eine oder andere Zutat nachzudenken und der Frage 
nachzugehen:

Was macht mein Leben geschmackvoll?
Was ist wesentlich für mein Lebensrezept?
Was sind Zutaten, die mein Leben gelingen lassen?

Montag, 11.12.2000

Der Name Mehlspeise weist mit einem Teil des Wortes 
darauf hin, dass es wohl kaum ein "süßes" Rezept gibt, 
in dem Mehl als wichtige Zutat fehlt. 
Es hat die Eigenschaft Speisen zu binden und ist 
wesentliche Grundlage für so manche Backmischung.

Bei der Suche nach Zutaten meines Lebensrezeptes 
ist mein Glaube wie Mehl. Glaubenserfahrungen verbinden 
mich auch mit verschiedenen Menschen.

Mehl des Glaubens als wesentliche Zutat?

Schon früh haben mir Menschen ihr Lebensrezept 
gezeigt, in dem die persönliche Beziehung zu Gott 
und ihr Glaube grundlegend waren. Sehr oft darf ich 
erfahren, dass der Glaube es vermag, Menschen in 
frohen, aber auch schweren Stunden des Lebens zu 
verbinden. Glaube wird von ihnen als eine wesentliche 
Grundlage ihres Lebens, ihres Suchens und ihres 
Fragens erlebt.

Immer wieder bin ich dankbar, in meiner Arbeit als 
Kaplan, Menschen zu begegnen, die Kraft und Hilfe 
aus ihrer lebendigen Beziehung zu Gott schöpfen. 
Sie sind nicht nur mir wertvoll sondern bereichern 
das Leben in Familie, Kirche und Gesellschaft.

Dienstag, 12.12.2000

Viele Menschen beweisen mir in diesen Tagen, dass 
sie viel mehr Begabung beim Backen an den Tag 
legen als ich. Meine Backkunst scheiterte an einem 
Hochzeitstag meiner Eltern, als ich diese mit einer von 
mir zubereiteten Torte überraschen wollte. Obwohl ich 
mir größte Mühe gab, die richtigen Zutaten zu 
mischen, wollte die Torte im Rohr nicht aufgehen.

Was habe ich wohl vergessen? war die Frage, die 
ich mir als Achtjähriger stellte.

"Backpulver" war die Antwort meiner Mutter auf mein 
verzweifeltes Fragen. Erst beim genaueren studieren 
des Rezeptes bemerkte ich, dass ich diese wichtige 
Zutat übersehen hatte.

Wie Backpulver in der Küche, braucht es auch im 
Zusammenleben von Menschen ein Triebmittel. Das 
Backpulver meines Lebensrezeptes heißt Vertrauen, 
denn ich bemerke dass es zum Gelingen von 
Beziehungen und Freundschaften notwendig ist. Wo 
Menschen einander Vertrauen schenken, kann etwas
zwischen ihnen wachsen und in ihnen so manches 
aufgehen.

In meinem Leben ist mir aber auch das Vertrauen zu 
Gott, und darauf, dass er mein Leben durch so 
manche Höhen und Tiefen begleitet eine Hilfe, selbst 
dann, wenn etwas danebengeht und misslingt.

Mittwoch, 13.12.2000

"Ein faules Ei verdirbt die ganze Speise" lautet eine 
Küchenweisheit und deutet auf die Gefahr hin, dass 
alles Mühen und jedes noch so gute Rezept 
misslingen kann, wenn ein Lebensmittel verdorben ist.

Auch bei den Zutaten unserer verschiedenen 
Lebensrezepte kann es vorkommen, dass sich so 
manche verdorbene Ware einschleicht. Dabei 
besteht die Gefahr, dass nicht nur unser eigenes 
Leben ungenießbar, sondern auch das von anderen 
durch uns verdorben wird. Das faule Ei der Vorurteile 
zum Beispiel, macht das Entstehen von Gemeinschaft 
kaputt, aber auch das faule Ei des Egoismus, welches 
nur auf den eigenen Vorteil und Gewinn ausgerichtet 
ist, macht ein Zusammenleben undenkbar.

Wie oft stelle auch ich mir die Frage: Was geht das 
mich an?

Was habe ich schon davon? und merke dabei, dass
sich immer wieder so manches faule Ei in meinem 
Lebensrezept befindet. Doch wenn unser Leben und 
das, unserer Mitmenschen genießbar und erträglich 
bleiben soll, müssen wir darauf achten, Mittel zum 
Leben zu gebrauchen, die uns selbst und anderen nicht 
schaden.

Donnerstag, 14.12.2000

Eigentlich bin ich nicht der klassische Liebhaber von 
Süßspeisen. Doch hin und wieder kommt es vor, dass 
ich Lust auf etwas Süßes bekomme. Zu Weihnachten 
kann auch ich so mancher süßen Verlockung nicht 
widerstehen.

Im Blick auf verschiedene Weihnachtsbäckereien ist 
Zucker jenes Lebensmittel, das der einen oder 
anderen Mehlspeise Süße gibt. Dabei kommt es 
meist nicht auf die Menge an, wohl aber auf das 
richtige Verhältnis zu den anderen Zutaten.

Auch in meinem Leben brauche ich immer wieder 
so etwas wie Zucker, das mir meinen Alltag versüßt 
und Freude bereitet. Solche Dinge, die mir mein Leben 
versüßen, sind meine Hobbys, mit denen ich versuche, 
meine Freizeit zu gestalten.

In der Pfarre Murau, wo ich als Kaplan tätig bin, gibt 
es herrliche Radwege. Ob der Mur entlang oder auf 
den einen oder anderen Berg - das Unterwegs sein mit 
dem Rad, ist für mich eine Zeit der Ruhe, der 
Unabhängigkeit und manchmal auch der damit 
verbundenen Unerreichbarkeit.

Dieses Hobby hilft mir, Kraft zu tanken für meine 
verschiedenen Aufgaben als Seelsorger. Jeder von uns 
braucht etwas, das Freude macht und auf diese Weise 
das Leben versüßt.

Solche Zutaten zu entdecken, wünsche ich ihnen für 
den heutigen Tag.

Freitag, 15.12.2000

In dieser Woche habe ich gemeinsam mit ihnen über 
die eine oder andere Zutat unseres Lebensrezeptes 
nachgedacht. Jeder von uns hat verschiedene Aufgaben, 
Begabungen und Menschen, die entscheidend zur 
sinnvollen Gestaltung und zum Gelingen unseres Lebens 
beitragen.

Bei so mancher Weihnachtsbäckerei darf ein Schuss 
Rum nicht fehlen, der einen geistvollen Geschmack gibt. 
Wenn man es auch nicht gleich merkt, wenn diese Zutat 
fehlt, so verfeinert sie doch die eine oder andere 
Mehlspeise.

In meinem Leben merke ich immer wieder, dass es 
einen Schuss Begeisterung braucht einen Menschen, 
eine Erfahrung oder ein Erlebnis. In diesen Tagen der 
Vorbereitung auf das Weihnachtsfest kann ich mich von 
so manchem begeistern lassen: von den glitzernden 
Augen eines Kindes, das in die brennenden Kerzen 
des Adventkranzes schaut, von der Stille, zu der meine 
Jugendlichen in der Schule fähig sind, wenn wir im 
Advent feiern, von der Atmosphäre bei der wöchentliche 
Rorate in der noch dunklen Kirche, von der fröhlichen 
Stimmung beim anschließenden gemeinsamen 
Frühstück in unserem Pfarrhof.

So wünsche ich ihnen für jeden Tag etwas, das sie 
begeistert, ihr eigenes Lebensrezept bereichert.

Samstag, 16.12.2000

In dieser Zeit des Jahres, in der das Licht des Tages 
immer kürzer und die Dunkelheit der Nacht immer 
länger wird, spüre ich in mir die Sehnsucht nach 
Licht. Auch bei verschiedenen Besuchen fällt mir auf, 
dass sehr gerne Kerzen entzündet werden, die einem 
Raum die unvergleichbare Atmosphäre des 
wärmenden, lebendigen Lichtes geben. Ebenso ist 
der Adventkranz Zeichen dafür, dass gerade in jener 
Zeit des kürzer werdenden Tages das Licht in 
unseren Wohnungen und Häusern mehr und heller 
wird. In vielen alten Hymnen und Liedern wird Christus 
als die wahre Sonne und das Licht der Auferstehung 
bezeichnet. Er will jenes Licht sein, das unser Leben 
hell macht und so manche Dunkelheit des Lebens 
erleuchtet. Gerade auch die Tage des Advents laden 
uns ein, uns diesem Licht neu zuzuwenden und uns 
von ihm bescheinen zu lassen. Wer sich dem Licht 
zuwendet, lässt Schatten und Dunkelheit hinter sich. 
So gilt auch uns die Zusage des Propheten Jessaia, 
der uns in den Lesungen durch diese Zeit begleitet, 
wenn er meint: Komm wir wollen Wege gehen im 
Licht des Herrn.

 

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Letztes Update dieser Seite am  20.12.2000 um 11:56