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Morgengedanken
Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, ORF Regionalradios
Montag,  bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr, ORF Regionalradios

14. - 20.1.2001
Stadtpfarrer Alois Luisser 
aus Jennersdorf, Burgenland

Sonntag, 14.1.2001

Guten Morgen!
Ich nehme an, dass all ihre Weihnachtskekse aufgegessen sind – 
oder haben sie in einer Dose noch restliche Stücke? Für viele 
bleibt Weihnachten noch lange gegenwärtig. In den zusätzlich 
angenommenen Kilos an Körpergewicht. Manchmal tragen wir 
diese Feiertagekilos lange mit uns. Schnell verflogen hingegen 
ist das Weihnachtsgeheimnis – bei den meisten Menschen fehlt 
heute überhaupt die Kenntnis, was dieses Fest bedeuten soll. Es 
fällt nicht nur in den Gewinnspielshows auf, dass manchen 
Quizkandidaten das einfachste religiöse Wissen fehlt, auch 
Jugendliche können kaum noch berichten, dass in ihren Familien 
der Heilige Abend mit einem religiösen Lied oder einem Gebet 
gefeiert wird. Es wird nicht mehr die Geburt Jesu gefeiert, wir 
lassen uns feiern, indem wir Geschenke erwarten und Geschenke 
machen. Was wird da in einigen Jahren noch vorhanden sein?

Wird der Coca Cola-Mann das Christkind verdrängt haben und 
werden Kinder den Heiligen Nikolaus nur mehr als Lockvogel vor 
den Supermärkten kennen?

Für diesmal ist es zu spät, aber Weihnachten und viele andere 
kirchliche Feste kommen wieder – ob sie auch bleiben dürfen, 
was sie waren – nämlich kirchliche Hochfeste, die uns Christen 
helfen unsere christliche Religion lebendig zu erhalten?

Was wir jetzt zuschütten, wofür wir uns jetzt schämen, was uns 
jetzt nicht zeitgemäß scheint, vieles von dem werden wir später 
in unserem Leben wieder suchen gehen! Wir werden darauf 
kommen, ohne Inhalte laufen sich Feste bald tot!

 

Montag, 15.1.2001

Ich wünsche ihnen einen schönen guten Morgen!
Ich weiß aus Zuschriften, dass viele von ihnen auf diesen 
Guten-Morgen-Wunsch warten. Sei es, weil ein guter Wunsch 
den neuen Tag einleitet, sei es aber auch, dass dies der einzige 
Wunsch und Gruß am Tag ist, den sie erhalten.

Wir wünschen uns gegenseitig viel zu wenig gutes! Gutes 
wünschen ist das Gegenteil von Verfluchen! So gesehen 
sollten wir keine Gelegenheit auslassen und gegenseitig zu 
segnen. In meiner Pfarre lebt eine Frau, deren Haus verlässt 
niemand, ohne das sie ihn segnet und ihm dabei ein Kreuzchen 
mit Weihwasser auf die Stirn zeichnet. Ich habe mir angewöhnt, 
für Schwangere, die mir begegnen, ein Stoßgebet zu sprechen: 
"Gesegnet sei die Frucht deines Leibes."

Jedes Mal wenn ich das Blaulicht der Rettung sehen oder die 
Sirene höre, segne ich den Einsatz mit den Worten: "Heiland sei bei 
den Helfern und bei den Betroffenen."

Jeder von uns kann ein eigenes Segensgebet formulieren und sich 
Momente aussuchen, die ihn ganz besonders berühren. So nehmen
wir Anteil am Geschehen um uns herum, nicht als Neugierige, die nur 
wissen wollen, was geschehen ist, um es weitererzählen zu können. 
Immer wieder hören, das Neugierige und Schaulustige eine Unfallstelle 
blockieren. Gebet und Segen blockieren nicht, sind aber sehr hilfreich.

 

Dienstag, 16.1.2001

Einen schönen guten Morgen wünsche ich!
Ich wundere mich immer wieder, wie viele Menschen um diese Zeit 
schon unterwegs sind, oder zuhause schon ihr Radiogerät 
eingeschaltet haben. Woher ich das weiß? Von ihnen! Viele 
schreiben mir, andere erzählen mir bei Begegnungen, dass sie fast 
das ganze Jahr über auf dem Weg zur Arbeit oder beim Ausfahren 
des Gebäcks diese Radiowelle eingeschaltet haben. Für mich ist es 
sehr wichtig und gut zu wissen, wer sind die Leute, die mir zuhören, 
hört uns überhaupt jemand zu? Auch die Frage, was sagen wir 
diesen Menschen in aller Herrgottsfrüh, was erwarten sie an religiöser 
Nahrung den ganzen Tag. Wodurch können wir mithelfen etwas 
beizutragen, dass dieser Tag ein schöner, gelungener, spannungsfreier 
Tag wird? Bevor sie uns hören, sind sie in unseren Vorstellungen. Ich 
sehe sie vor mir, die Berufstätigen, unterwegs zum Arbeitsplatz. Ich 
sehe sie vor mir, die Bettlägerigen, die hart darauf warten, dass es 
wieder taghell wird, weil die Nacht schlaflos war. Ich sehe sie vor mir, 
die Mühseligen und Beladenen, die heute einen schweren Tag vor sich 
haben. Ihnen und all den anderen, die bereit sind, gute Wünsche 
aufzunehmen, gilt heute, wie an jedem anderen Tag der Wunsch: Gott 
segne sie!

 

Mittwoch, 17.1.2001

Einen schönen guten Morgen wünsche ich ihnen allen!
Was ich ihnen heute sagen werden, ist sehr persönlich, ich habe kein 
Problem, es dennoch weiterzugeben. Ich habe einen großen 
Verwandtenkreis. Viele Onkeln und Tanten auch beiden Seiten 
meiner Eltern haben dazu beigetragen. Es ist schön, so viele 
Verwandte zu haben. Diese Verwandten tragen mich mit. Sie feiern 
kein Fest, bei dem ich nicht eingeladen werde, regelmäßige Kontakte 
halten die Freundschaft lebendig und sie nehmen auch Anteil an meiner 
Entwicklung ,meinen Aktivitäten in meiner Pfarre. Das ist schön, das 
beruhigt, das braucht der Mensch, auch ein Pfarrer! Solche 
Freundschaften sind uneigennützig – es ist ein Geben und ein Nehmen! 
Funktionieren tun solche Freundschaften allerdings nur, wenn beide 
Seiten etwas dazu beitragen, dass sie lebendig bleiben .Einseitiges 
Bemühen macht bald müde. Manchmal lassen wir Freundschaften 
absterben, weil es uns zu mühsam geworden ist, sie zu erhalten. 
Sollten wir dabei nicht auch überlegen, ob wir nicht die letzten Freunde 
dieser Leute waren? Ob sie jetzt, wo auch wir uns von ihnen entfernen, 
nicht mehr anrufen, nicht mehr mitsorgen, nicht ganz allein dastehen? Es 
kann auch eine Pflicht werden, auszuharren und beizustehen.

 

Donnerstag, 18.1.2001

Einen schönen guten Morgen wünsche ich Ihnen!
Am letzten Sonntag rief mich der Pfarrer aus der Nachbargemeinde 
an und fragte mich, ob bei mir der Kirchenbesuch auch so schwach 
gewesen sein wie in seiner Pfarre. Gemeinsam suchten wir nach 
Erklärungen, wie Ballveranstaltungen am Samstag, Hochzeit und 
andere Veranstaltungen. Das ist unser großes Leiden heute. Die 
Leute in der Kirche fehlen am Sonntag auch dann, wenn es am 
Samstag keine besonderen Ereignisse gegeben hat. Die meisten 
haben keine Sonntagskultur, d.h. kein Sonntagsprogramm, in dem 
auch die Mitfeier eines Gottesdienstes miteingeplant ist. Wir ahnen 
gar nicht, was alles stirbt, mit den leeren Kirchen!

Es müsste uns allen ein viel größeres Anliegen sein, dass der 
Pulsschlag unserer Pfarrgemeinden wieder kräftiger wird, dass uns 
daran gelegen ist, dass unsere Kirchen nicht verfallen und die 
Pfarrhöfe nicht veröden. "Wenn nach dem Urlaub des Pfarrers im 
Pfarrhaus wieder Licht brennt, das ist für die gesamte Pfarre beruhigend", 
sagte mir einmal ein Mann. Es sind in einem Dorf, in der Stadt viele 
Lichter, die zu Beruhigung der Bewohner beitragen. Jeder von uns sollte 
seinen Mitmenschen ein Licht sein – es gibt so viel Dunkelheit und 
Traurigkeit in und um uns herum.

 

Freitag 19.1.2001

Ich wünsche Ihnen einen schönen guten Morgen!
Pfarrgemeinden werden heute vielfach als "Dienstleistungsbetrieb" 
angesehen. Wie das geht , ganz einfach: So, wie sich heute viele 
Menschen alles, wonach Bedürfnis besteht, kaufen, so versuchen 
immer mehr Menschen auch von der Kirche alles, was sie brauchen 
mit Geld zu erledigen. Ich möchte eine Hochzeit, so sollen die Leistungen 
und das Service sein, was kostet das? Bei der Taufe soll dieses Lied 
gesungen werden und zu diesem Zeitpunkt die Taufe stattfinden – was 
kostet das?

Christus spricht von uns allen, wie von einer großen Familie, die an einen 
Gott glaubt. Ich kann bei bestem Willen in Menschen, die alles mit Geld 
erledigen, sich den Glauben an einen Gott kaufen wollen, wirklich keinen 
Bruder und keine Schwester erkennen.

Bei der Gelegenheit möchte ich sie auch bitten, übertragen sie ihre 
Ablehnung, die sie manchen österreichischen Kirchenmännern 
gegenüber haben, nicht unbedingt auch auf ihren Pfarrer.

Der Supermarkt KIRCHE schließt seine Pforten, geöffnet hingegen 
bleibt jene Kirche, an der wir alle mitgestalten dürfen. Eine 
Glaubensgemeinschaft, die mit Angeboten um Mitglieder werben 
muss, hat wohl keine lange und intensive Lebensdauer. Kirche lebt 
von Begeisterung und aus der freien Entscheidung all derer, die 
dazugehören wollen.

 

Samstag, 20.01.2001

Ich wünsche Ihnen einen schönen guten Morgen!
Eine Woche ist so schnell herum! Wir stehen noch am Beginn des 
Jahres, erst im ersten Monat, aber unsere Lebenserfahrung zeigt uns, 
dass auch die Jahre schnell vergehen. Wie oft schon haben wir 
zurückgeschaut und uns vorgenommen, im Neuen Jahr muss es 
anders, besser werden. Vorsätze verfliegen schnell und bedürfen immer 
wieder aus Neue eines Anlaufes, einer neuen Beschlussfassung. Ich will 
ihnen da gar keine Ratschläge erteilen. Jeder von uns weiß, wo er gerne 
anders sein möchte und wir wissen hoffentlich auch, wo uns 
Mitmenschen, mit denen wir zusammen arbeiten, zusammen leben, 
gerne anders haben möchten. Sie möchten es, weil sie darunter leiden, 
uns aber eigentlich lieben.

Ein neues Jahr birgt so viele Chancen in sich – es gibt so viele Tore, 
durch die wir schreiten können und so viele frische Quellen, die wir 
bisher übersehen, überstiegen haben.

Vergessen wir nicht, es gibt auch ihn, unseren Gott, der mit uns zieht, der 
uns voran geht, wenn wir zögern, nachgeht, wenn wir verloren zu gehen 
scheinen, und der mit uns geht, wenn wir die Orientierung verloren haben. 
Wir haben einen ganz lieben Gott! Diese Erfahrung machen aber keine 
oberflächlichen Menschen, sondern nur solche, die Gott haben wollen, 
solche, die mit Gott eine Beziehung eingehen wollen.

 

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Letztes Update dieser Seite am  22.01.2001 um 15:41