"Ihr
Menschen, kommt ins Helle!" –
Die evangelische Kirche
zwischen Kreuz und Auferstehung
"Das Blut Christi macht dich frei", sagt Martin Luther. Frei
von der eigenen ursprünglich sündhaften Existenz. Das Blut Christi
fließt am Karfreitag, daher rührt die zentrale Bedeutung dieses Tages im
evangelischen Festkalender, - wichtiger oft als der Tag der Auferstehung,
der Ostersonntag.
Besonders die Strömung des evangelischen Pietismus hat in Gebeten und
Liedern buchstäblich im Blut Christi gebadet und den Schwerpunkt des
Osterfestkreises auf den Karfreitag gelegt. Welche theologische Haltung
steckt dahinter? Gibt es Anzeichen dafür, dass der Ostersonntag auch im
evangelischen Verständnis mehr Gewicht erhält?
Gestaltung: Martin Gross
Das neue Sein
Bei dem Wort Auferstehung haben viele Menschen
unter anderen phantastischen Vorstellungen
auch die, dass tote Leiber ihre Gräber verlassen.
In Wirklichkeit meint Auferstehung den
Sieg der Neuen Wirklichkeit, das Neue Sein, das
aus dem Sterben des Alten Seins geboren wird.
Auferstehung ist nicht ein Ereignis, das in der
fernen Zukunft vielleicht geschehen kann, nein,
es ist die Macht des Neuen Seins, Leben aus Tod
zu schaffen, hier und jetzt heute und morgen.
Wo ein Neues Sein vorhanden ist, da ist
Auferstehung, da wird jeder Augenblick dieser Zeit in
Ewigkeit verwandelt. Das Alte Sein ist durch
Unvollkommenheit und Tod gekennzeichnet.
Das Neue Sein trägt ein neues Kennzeichen, das
über das Alte hinausweist. Aus Unvollkommenheit
und Tod wurde etwas von ewiger Bedeutung
geboren. Was in Auflösung untergegangen
war, taucht als Neue Schöpfung wieder auf.
Auferstehung wird heute Ereignis oder überhaupt
nicht. Das Christentum verkündet nicht das
Christentum, sondern eine neue Wirklichkeit.
Eine Neue Schöpfung ist erschienen, sie erscheint
immer wieder. Sie ist zugleich verborgen
und offenbar, zugleich dort und hier.
Paul Tillich
Unter dem Kreuz ist Frieden
Unter dem Kreuz ist Frieden. Hier ist Ergebung
in Gottes Willen, hier ist Ende unseres eigenen
Willens, hier ist Ruhe und Stille in Gott, hier ist
Friede des Gewissens in der Vergebung aller unserer
Sünden. Hier unter dem Kreuz ist der
"Zugang zu der Gnade, in der wir stehen", ist
der tägliche Zugang zum Frieden mit Gott.
Hier ist der einzige Weg, den es auf der Welt
gibt, um Frieden mit Gott zu finden. In Jesus
Christus allein ist Gottes Zorn gestillt, sind wir
überwunden in den Willen Gottes hinein. Darum
ist das Kreuz Jesu Christi für seine Gemeinde
ewiger Grund der Freude und Hoffnung der
kommenden Herrlichkeit Gottes. "Wir rühmen
uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit".
Hier im Kreuz ist Gottes Recht und Sieg
auf Erden angebrochen. Hier wird er einst aller
Welt offenbar werden. Der Friede, den wir hier
empfangen, wird ein ewiger herrlicher Friede
im Reich Gottes werden.
Dietrich Bonhoefer
Das Leiden Gottes
Der Mensch wird aufgerufen, das Leiden Gottes
an der gottlosen Welt mitzuleiden. Er muss
also wirklich in der gottlosen Welt leben und
darf nicht den Versuch machen, ihre Gottlosigkeit
irgendwie religiös zu verdecken, zu verklären;
er muss "weltlich" leben und nimmt eben
darin an dem Leiden Gottes teil; er darf "weltlich"
leben, d.h. er ist befreit von allen falschen
religiösen Bindungen und Hemmungen.
Christsein heißt nicht in einer bestimmten Weise
religiös sein, auf Grund irgendeiner Methodik
etwas aus sich machen (einen Sünder, Büßer
oder einen Heiligen), sondern es heißt Menschsein,
nicht einen Menschentypus, sondern den
Menschen schafft Christus in uns. Nicht der
religiöse Akt macht den Christen, sondern das
Teilnehmen am Leiden Gottes im weltlichen
Leben.
Dietrich Bonhoefer
Verwandlung
Die Auferstehung folgt nicht dem Tode dessen,
der der Christus ist, sondern sie gehört zu seinem
Tod, das sagt uns der Bericht über die Auferstehung
der Heiligen vor der Auferstehung
Christi. Das Weltall ist nicht mehr dem Gesetz
des Todes unterworfen, der schon im Augenblick
der Geburt beginnt. Es ist einem höheren
Gesetz unterworfen, dem Gesetz des Lebens,
das hervorgegangen ist aus dem Tode dessen,
der das ewige Leben verkörpert. Die Gräber taten
sich auf, und die Leiber der Heiligen standen
auf, als ein Mensch, in dem Gott gegenwärtig
war, seinen Geist bedingungslos in seines
Vaters Hände befahl. Seitdem ist das Weltall
nicht mehr das, was es war. Die Natur hat einen
neuen Sinn bekommen, die Geschichte ist
verwandelt und wir sind nicht mehr, was wir
zuvor waren.
Paul Tillich
Ich glaube
Ich glaube,
dass es für diese Welt
noch eine Hoffnung gibt.
Ich glaube,
dass die Schreie der Gequälten
nicht vergessen werden,
und dass die Taten der Liebe
nicht umsonst sind.
Ich glaube,
dass der Hass das letzte Wort
verloren hat, und dass der Tod
kein Ende mehr ist.
Ich glaube,
dass die Leidenden getröstet werden
und dass die Traurigen
sich wieder freuen sollen.
Ich glaube,
dass uns Christus nicht aus seinen
Händen gibt und dass er unseren Weg
mitgeht – überall hin.
Karl-Heinz Ronecker
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