Motive - Aus dem Evangelischen Leben
Sonntag, 15. 4. 2001
19.00 Uhr bis 19.30 Uhr, Radio Österreich 1

 "Ihr Menschen, kommt ins Helle!" –
Die evangelische Kirche 
zwischen Kreuz und Auferstehung

"Das Blut Christi macht dich frei", sagt Martin Luther. Frei von der eigenen ursprünglich sündhaften Existenz. Das Blut Christi fließt am Karfreitag, daher rührt die zentrale Bedeutung dieses Tages im evangelischen Festkalender, - wichtiger oft als der Tag der Auferstehung, der Ostersonntag.

Besonders die Strömung des evangelischen Pietismus hat in Gebeten und Liedern buchstäblich im Blut Christi gebadet und den Schwerpunkt des Osterfestkreises auf den Karfreitag gelegt. Welche theologische Haltung steckt dahinter? Gibt es Anzeichen dafür, dass der Ostersonntag auch im evangelischen Verständnis mehr Gewicht erhält?

Gestaltung: Martin Gross

 

Das neue Sein
Bei dem Wort Auferstehung haben viele Menschen
unter anderen phantastischen Vorstellungen auch die, dass tote Leiber ihre Gräber verlassen.
In Wirklichkeit meint Auferstehung den
Sieg der Neuen Wirklichkeit, das Neue Sein, das aus dem Sterben des Alten Seins geboren wird.
Auferstehung ist nicht ein Ereignis, das in der
fernen Zukunft vielleicht geschehen kann, nein, es ist die Macht des Neuen Seins, Leben aus Tod zu schaffen, hier und jetzt heute und morgen.
Wo ein Neues Sein vorhanden ist, da ist
Auferstehung, da wird jeder Augenblick dieser Zeit in Ewigkeit verwandelt. Das Alte Sein ist durch Unvollkommenheit und Tod gekennzeichnet. Das Neue Sein trägt ein neues Kennzeichen, das über das Alte hinausweist. Aus Unvollkommenheit und Tod wurde etwas von ewiger Bedeutung geboren. Was in Auflösung untergegangen war, taucht als Neue Schöpfung wieder auf.
Auferstehung wird heute Ereignis oder überhaupt
nicht. Das Christentum verkündet nicht das Christentum, sondern eine neue Wirklichkeit.
Eine Neue Schöpfung ist erschienen, sie erscheint
immer wieder. Sie ist zugleich verborgen und offenbar, zugleich dort und hier.
Paul Tillich

Unter dem Kreuz ist Frieden
Unter dem Kreuz ist Frieden. Hier ist Ergebung
in Gottes Willen, hier ist Ende unseres eigenen Willens, hier ist Ruhe und Stille in Gott, hier ist Friede des Gewissens in der Vergebung aller unserer Sünden. Hier unter dem Kreuz ist der "Zugang zu der Gnade, in der wir stehen", ist der tägliche Zugang zum Frieden mit Gott.
Hier ist der einzige Weg, den es auf der Welt
gibt, um Frieden mit Gott zu finden. In Jesus Christus allein ist Gottes Zorn gestillt, sind wir überwunden in den Willen Gottes hinein. Darum ist das Kreuz Jesu Christi für seine Gemeinde ewiger Grund der Freude und Hoffnung der kommenden Herrlichkeit Gottes. "Wir rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit".
Hier im Kreuz ist Gottes Recht und Sieg
auf Erden angebrochen. Hier wird er einst aller Welt offenbar werden. Der Friede, den wir hier empfangen, wird ein ewiger herrlicher Friede im Reich Gottes werden.
Dietrich Bonhoefer

Das Leiden Gottes
Der Mensch wird aufgerufen, das Leiden Gottes
an der gottlosen Welt mitzuleiden. Er muss also wirklich in der gottlosen Welt leben und darf nicht den Versuch machen, ihre Gottlosigkeit irgendwie religiös zu verdecken, zu verklären; er muss "weltlich" leben und nimmt eben darin an dem Leiden Gottes teil; er darf "weltlich" leben, d.h. er ist befreit von allen falschen religiösen Bindungen und Hemmungen.
Christsein heißt nicht in einer bestimmten Weise
religiös sein, auf Grund irgendeiner Methodik etwas aus sich machen (einen Sünder, Büßer oder einen Heiligen), sondern es heißt Menschsein, nicht einen Menschentypus, sondern den Menschen schafft Christus in uns. Nicht der religiöse Akt macht den Christen, sondern das Teilnehmen am Leiden Gottes im weltlichen Leben.
Dietrich Bonhoefer

Verwandlung
Die Auferstehung folgt nicht dem Tode dessen,
der der Christus ist, sondern sie gehört zu seinem Tod, das sagt uns der Bericht über die Auferstehung der Heiligen vor der Auferstehung Christi. Das Weltall ist nicht mehr dem Gesetz des Todes unterworfen, der schon im Augenblick der Geburt beginnt. Es ist einem höheren Gesetz unterworfen, dem Gesetz des Lebens, das hervorgegangen ist aus dem Tode dessen, der das ewige Leben verkörpert. Die Gräber taten sich auf, und die Leiber der Heiligen standen auf, als ein Mensch, in dem Gott gegenwärtig war, seinen Geist bedingungslos in seines Vaters Hände befahl. Seitdem ist das Weltall nicht mehr das, was es war. Die Natur hat einen neuen Sinn bekommen, die Geschichte ist verwandelt und wir sind nicht mehr, was wir zuvor waren.
Paul Tillich

Ich glaube
Ich glaube,
dass es für diese Welt
noch eine Hoffnung gibt.
Ich glaube,
dass die Schreie der Gequälten
nicht vergessen werden,
und dass die Taten der Liebe
nicht umsonst sind.
Ich glaube,
dass der Hass das letzte Wort
verloren hat, und dass der Tod
kein Ende mehr ist.
Ich glaube,
dass die Leidenden getröstet werden
und dass die Traurigen
sich wieder freuen sollen.
Ich glaube,
dass uns Christus nicht aus seinen
Händen gibt und dass er unseren Weg
mitgeht – überall hin.
Karl-Heinz Ronecker

 

Pfeil zum Seitenanfang  Startseite "Motive"   Pfeil zum Seitenanfang Seitenanfang  Pfeil zum Seitenanfang Startseite ORF Religion

 

Letztes Update dieser Seite am  02.07.2003 um 12:36