Ab dem 3. Juli (Fest des Apostels Thomas) dieses Jahres sollten die
Priester der Thomas-Christen im Süden Indiens die Messe wieder mit dem
Rücken zum Volk zelebrieren und die heiligen Handlungen hinter einem
Vorhang vollziehen. So lautete der unter dem Druck der römischen
"Kongregation für die orientalischen Kirchen" zustande
gekommene Spruch einer eigens eingesetzten, sogenannten "Weißen
Kommission". Ein Großteil der Bischöfe der südindischen Ortskirche
- von Papst Johannes Paul II. als "Pflanzbeet Indiens"
bezeichnet - verweigerten und verweigern den Gehorsam. Der Spaltpilz geht
um im blühendsten Teil der katholischen Kirche des indischen
Subkontinents.
Im Jahr 1992 wurde den Thomas-Christen - die sich auf den Apostel
Thomas, der in den Jahren 52 bis 72 n. Chr. in Südindien gewirkt haben
soll, zurückführen - vom Vatikan der Status einer "Kirche mit
eigenem Recht" zuerkannt. Gleichzeitig verstärkte sich allerdings
der Druck, sich dem chaldäischen Ritus aus dem 7. Jahrhundert zu
unterwerfen, der den stark gemeindeorientierten Thomas-Christen von
persischen Bischöfen oktroyiert worden war. "Wir sind keine
Orientalen, wir sind weder Chaldäer noch Perser, wir sind Inder" -
sagen die Menschen - "und wir haben als katholische, indische
Christen ein Recht auf eine eigene, liturgische Symbolsprache". In
der ohnehin bedrängten Situation einer Diasporakirche ist der Druck aus
dem fernen Rom für die meisten Bischöfe, Priester und Laien unannehmbar,
wie Dolores Bauer in zahlreichen Gesprächen feststellen konnte.