Kirche und Politik:
Biedermann oder Brandmelder?

"Kirche und Demokratie", so lautete das Thema eines ersten Treffens von Vertretern der Parteien mit Vertretern der Kirchen im Parlament. Diskutiert wurde vor allem über Erwartungshaltungen die Parteien und Kirchen aneinander haben. Die Diskussionsveranstaltung wurde schließlich zu einer Standort- und Identitätsbestimmung der Kirchen selbst, so die Einschätzung einiger Kirchenvertreter.

 

"Wer sind wir für die Politik und was wollen wir sein? Was dürfen und können sich die Kirchen von den Parteien erwarten, was umgekehrt politische Parteien von Kirchen? Pflegeleichter Partner oder kritischer Widerspruchsgeist, angepasster Erfüllungsgehilfe von sich christlich gerierenden Politikern, Biedermann oder" – wie Caritas Direktor Michael Landau es kritisch ausdrückte – "sozialer Brandmelder mit Mut zum Widerspruch".

"Strapaziöse Freundschaften"

"Strapaziöse Freundschaften könnten sehr gute Freundschaften werden", so positiv-programmatisch formulierte der Grazer Bischof Johann Weber in seinem Abschlussstatement seine Beziehung zu den Parteien. Gleichzeitig deponierte er vier "kategorische Imperative" der katholischen Kirche, die in der Auseinandersetzung mit der Politik gelten sollten: Erstens - Die Armut mit aller Kraft bekämpfen. Zweitens: Mehr Mut zur Wahrheit.Drittens unverrückbare Grundsätze bei gewissen Themen: Besonders im Engagement für die Gestrandeten, "die auch Kinder Gottes sind".An letzter Stelle sprach Weber eine Warnung an seine Kirche aus: "Hütet euch davor zu brav zu sein. Die pflegeleichte, störungsfreie Kirche, das ist nicht die Kirche, wie wir sie in der heiligen Schrift vorfinden."

"Soziale Brandmelder"

Die Politiker nahmen diesen "Aufgabenkatalog" wohlwollend auf. Die anwesenden Diskussionsteilnehmer: ÖVP-Klubobmann Andreas Khol, Madelaine Petrovic von den "Grünen", Günter Kiermaier von der SPÖ und Leopold Schöggl von den Freiheitlichen mussten sich auch vom evangelische Bischof Herwig Sturm und der griechisch-orthodoxe Metropolit Michael Staikos anhören, dass Kirchen ihre kritische Rollen in der Gesellschaft wahrnehmen wollen. Besonders der Wiener Caritas Direktor Michael Landau bekannte sich zur "Gratwanderung" zwischen Zusammenarbeit und Widerstand, wollte die Kirchen in der Rolle "als soziale Brandmelder" verstanden wissen.

Keinen verbindlichen Ethikkatalog

Die Politiker ihrerseits formulierten ihre "Kirchenpolitik": ÖVP Klubchef Khol meinte – in Anspielung auf Michael Landau - "Feuervergleiche" seien mit Vorsicht zu genießen, in der Demokratie regiere die Mehrheit; einen durch einen Vertreter der Altkatholiken eingeforderten verbindlichen Ethikkodex lehnte er ab, da sogar die Kirchen sich untereinander auf keinen verbindlichen Ethikkatalog einigen könnten. Eine Äquidistanz der Kirchen zu den Parteien sei unmöglich, die Parteien würden selbst ihr Verhältnis zu den Kirchen bestimmen. Madelaine Petrovic äußerte die Hoffnung, die Kirchen würden weiter ihre Stimme erheben, wenn Flüchtlinge in Not seien und ungerechtfertigt vor der Abschiebung stünden.

SPÖ-Vertreter Kiermaier wandte sich gegen Andreas Khols Ansicht, die Gesellschaft werde zusehends säkular, Religion spiele nicht immer weniger, sondern eine immer größere Rolle, meinte der Sozialdemokrat. Als Vertreter der Arbeitsgemeinschaft "Christentum und Sozialismus" wandte sich Kiermaier gegen ein Selbstverständnis von Kirche, das den Rückzug in die Sakristeien antrete, Kirche müsse vielmehr – wie im II. Vatikanischem Konzil gefordert – engagierte Kirche sein und ihre gesellschaftspolitische Verantwortung wahrnehmen. Gleichzeitig sollte die Kirche ihre Ansprüche an die Gesellschaft im eigenen Bereich modellhaft vorleben, wolle sie glaubwürdig bleiben.

Kritik an Sparpolitik der Bundesregierung

Der freiheitliche Vertreter Leopold Schöggl sprach sich dagegen aus, dass Kirchenvertreter politische Ämter bekleiden. Er selbst hatte sich in der evangelischen Kirche immer wieder gegen die Kandidatur von Gertraud Knoll für das Amt der Bundespräsidenten ausgesprochen.

Die Sparpolitik der Bundesregierung wurde während der Diskussionsveranstaltung kritisiert, während Stiftungsinhaber ungeschoren davonkämen, würde gleichzeitig eine Debatte über "soziale Treffsicherheit" geführt, die den Ärmsten Sozialleistungen streitig mache.

 

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Letztes Update dieser Seite am  11.07.2006 um 09:45