Kirchenbeitrag: "Schikane" der Nazis wurde Dauereinrichtung

Am 1. Mai 1939 wurde von den Nazis in Österreich der Kirchenbeitrag eingeführt. Was als "Vernichtungsschlag" gegen die römisch-katholische Kirche geplant war, verfehlte allerdings seine Wirkung – und hat sich bis heute gehalten.

Mit der Einführung des Kirchenbeitrags am 1. Mai 1939 wollten die Nazis der Kirche in Österreich einen entscheidenden Vernichtungsschlag zufügen. Scharenweise sollten die Katholiken ihre Kirchen verlassen. Die Rechnung ist nicht aufgegangen. Im Gegenteil: Viele leisteten demonstrativ ihren Beitrag und setzten damit ein Zeichen des Widerstandes.

Rechung verspätet doch noch aufgegangen ?

Die Nazis waren von den Austrittsziffern enttäuscht. Manche Beobachter meinen allerdings, die Rechnung der Nazis sei mit Verzögerung doch noch aufgegangen. Bei den massiven Austrittswellen aus der römisch-katholischen Kirche in den achtziger und neunziger Jahren – mit Spitzen von mehr als 40.000 Austritten pro Jahr – war der Kirchenbeitrag nach Expertenmeinung mit ein Motiv für den Schritt aus der Kirche. 

Vor 1939 Finanzierung aus "Religionsfonds" Josephs II.

Bis 1939 war die römisch-katholische Kirche aus den sogenannten "Religionsfonds" finanziert worden. Das heißt: Die Katholiken mussten bis 1939 nichts bezahlen. Joseph II. hatte die Fonds angelegt worden – mit den Erlösen aus der Klösteraufhebungen. In der Inflationszeit der Ersten Republik reichten diese Mittel aber bei weitem nicht mehr aus. Der Staat musste kräftig zuschießen. Die römisch-katholische Kirche war damit faktisch staatlich finanziert.

Finanzielle Unabhängigkeit vom Staat

Politisch waren die Bischöfe daher mit der Einführung des Kirchenbeitrag gar nicht so unglücklich. Auch wenn sie 1939 noch schriftlich protestierten, erhoben sie 1945 gegen die Beibehaltung keinen Protest mehr. Immerhin sind die Kirchen finanziell vom Staat unabhängig geworden.

Keine österreichweit gültigen Regelungen

Das staatliche Kirchenbeitragsgesetz ist ein Rahmengesetz. Die einzelnen Diözesen erlassen dann die Beitragsordnungen. Es gibt also keinerlei österreichweit gültigen Regelungen. Die Einhebung besorgen diözesane Finanzkammern. In allen Diözesen wird aber rund ein Prozent des steuerpflichtigen Einkommens also Kirchenbeitrag vorgeschrieben.

Zweckwidmung und Frühzahlerbonus

In manchen Diözesen gibt es die Möglichkeit, einen Teil des Kirchenbeitrags für bestimmte Vorhaben – etwa für die Caritas – zweckzuwidmen. Als Anreiz bieten die meisten Diözesen eine Frühzahlerbonus – wer möglichst früh im Jahr bezahlt, muss weniger zahlen.

Für kleine Kirchen brachte der Kirchenbeitrag keine Änderungen

Für die kleinen Kirchen – wie die evangelische oder altkatholische – brachte die Einführung des Kirchenbeitrags eigentlich keine Änderungen. Sie mussten sich schon immer aus den "Mitgliedsbeiträgen" – meist "Kultussteuer" genannt – selbst finanzieren.

Hohe finanzielle Belastungen

Nach dem Toleranzpatent von 1783 wurde den Mitgliedern der kleinen Kirchen – wie etwa den Evangelischen – besondere Opferbereitschaft abverlangt. Sie mussten nicht nur die eigene Gemeinde selbst finanzieren. Sie mussten für jede kirchliche Handlung auch noch "Stolgebühren" an den katholischen Pfarrer zahlen – denn der sollte keine Verluste erleiden, nur weil es plötzlich auch evangelische Christen geben durfte.

"Kultursteuer" statt Kirchenbeitrag ?

In den vergangenen Jahren war immer wieder über die Einführung einer "Kultursteuer" als Ersatz für den Kirchenbeitrag diskutiert worden. Diese Steuer würde nicht mehr autonom von den Religionsgemeinschaften eingehoben, sondern – ähnlich wie die "Kirchensteuer" in Deutschland – von den Finanzämtern. Das Geld müsste dann nach einem bestimmten Schlüssel auf die Religionsgemeinschaften verteilt werden. Von offizieller kirchlicher Seite hat dieser Idee aber noch niemand etwas abgewinnen können.

Kritik an Pfändungen

Innerhalb der römisch-katholischen Kirche wird vor allem eine Facette des Kirchenbeitrags heftig kritisiert: Die Praxis der meisten Finanzkammern, den Kirchenbeitrag einzuklagen und im äußersten Fall auch Pfändungen durchführen zu lassen. Die katholische Bischofskonferenz hat bereits 1998  das Ende derartiger Exekutionen beschlossen. Die Entscheidung liegt allerdings bei den Direktoren der diözesanen Finanzkammern.

 

LINKS:

Kirchenbeitrag berechnen
Kirchenbeitrag

 

Pfeil zum Seitenanfang Seitenanfang  Pfeil zum Seitenanfang weitere News

 

Letztes Update dieser Seite am  11.07.2006 um 09:49