Aktien: 
Kirchen wollen "sauber verdienen"

Kirchen und soziale Organisationen mussten immer wieder feststellen, dass mit ihren Unternehmensanteilen – sprich: Aktien - auch "unethische" Projekte finanziert wurden. Jüngst hat die schwedische lutherische Kirche aus diesem Anlass einen Ethik-Rat eingesetzt. Er wird künftig aufmerksam darüber wachen, welche Aktien die Kirche kauft. Die Erzdiözese Wien hingegen hat schon seit längerem strenge ethische Kriterien für den Ankauf von Aktien.

In den vergangenen Jahren haben viele Kirchen und soziale Organisationen damit begonnen, Rücklagen in Aktien anzulegen. Ein entscheidender Hintergrund: Die Gewinne aus Aktien sind in den vergangenen Jahrzehnten weit höher gewesen, als hätte man das Geld in Sparbüchern oder Anleihen angelegt. Da wollten auch die Finanzexperten von Glaubensgemeinschaften auf die "heilende Wirkung der freien Martkwirtschaft" vertrauen. Was da bisweilen übersehen wurde: Gewinnversprechende Anteile von Unternehmen waren bisweilen Aktien von Firmen, die ihr Geld – nach christlich-ethischen Vorstellungen – ganz und gar nicht "moralisch" verdienten. Um da Abhilfe zu schaffen, sollen nun Ethik-Kommissionen, die sich mit der genauen Analyse von Wirtschaftsbetrieben befassen, garantieren, dass auch wirklich nur "weisse Aktien" angekauft werden. Genau das hat jetzt auch die schwedisch-lutherische Kirche angekündigt.

Hat der Vatikan an Antibaby-Pille mitverdient?

Aufsehen erregte vor zehn Jahren ein Bericht des TV-Senders RTL Plus. Ein Vorwurf, der damals erhoben wurde: Der Vatikan sei über die IOR-Bank mehrheitlich am italienischen Pharmaunternehmen Serono beteiligt. So habe der Vatikan über Umwege am Verkauf der Antibaby-Pille verdient. Ein Sprecher des Vatikan erklärte damals zwar, dass die IOR-Bank nie Serono-Aktien besessen habe. Restlos wurden die vatikanischen "Pillengeschäfte" aber bis heute nicht aufgeklärt. Insider vermuten, dass sich "unethische" Aktien nach wie vor im Besitz des Vatikan befinden.

Aktienverkauf gegen Waffenhandel

Die katholische Erzdiözese Westminster stellte 1994 fest, dass sie Aktien an British Aerospace hält. Damals verdiente British Aerospace am Verkauf von "Hawk"-Flugzeugen an Indonesien. Mit Maschinen dieses Typs wurden Militäreinsätze gegen Ost-Timor geflogen. Sofort nach Bekanntwerden stieß die Diözese, unter großem medialem Interesse, ihre Unternehmensanteile ab und protestierte so gegen den Waffenhandel von British Aerospace.

Kirchen unterstützten Rüstungsindustrie

Zwei Jahre später recherchierte die Zeitung "The Mirror", dass 100 gemeinnützige und 102 religiöse Organisationen in England Aktienanteile von Rüstungsproduzenten besitzen. Allein die Anglikanische Kirche von England besaß damals nach Angaben von "The Mirror" Anteile im Wert von 380 Million Schilling am größten britischen Waffenhersteller GEC. Erst 1999 entschloss man sich - aus ethischen Gründen - das bereits auf 454 Million Schilling angewachsenen GEC-Aktienpaket zu verkaufen.

Strenge Kriterien in Erzdiözes Wien

Brigitta Klieber, die Chefin der Finanzkammer der Erzdiözese Wien verfolgt seit 1988 den Plan, mittelfristig etwa 25 Prozent der diözesanen Rücklagen in Aktien anzulegen. Parallel dazu entwickelte die Erzdiözese Wien einen sehr strengen Kriterienkatalog, dem die Aktien gerecht werden müssen. So werden keine Anteile von Firmen gekauft, die Waffen herstellen oder vertreiben. Auch Unternehmen, die in gesetzeswidriger Weise Genforschung betreiben und Gentechnik praktizieren, sind von Investitionen der Finanzkammer ausgeschlossen. Unternehmen, die aus "sonstigen Gründen" offenkundig dem Auftrag der Kirche in grober Weise widersprechen, etwa durch Unterstützung menschenunwürdiger Arbeitsbedingungen sind ebenfalls für diözesane Anlagestrategien tabu.

"Viel bleibt da nicht mehr über!" weiß ein Mitarbeiter der Finanzkammer der Erzdiözese Wien auf Anfrage von Religion On zu berichten. "Wir bleiben aber streng, unethische Unternehmen haben bei uns keine Chance. Aber zum Glück wächst der Bedarf an sogenannten "sauberen Aktien" und immer mehre Unternehmen bemühen sich um ethische Transparenz."

Aber wie können die verzweigten Geldflüsse in der Wirtschaft beobachtet und verfolgt werden?

Ethisches Rating als Forschungsprojekt

An der Theologischen Fakultät der Goethe-Universität in Frankfurt gibt es seit 1993 ein Forschungsprojekt, das sich zum Ziel gesetzt hat, durch ein ethisch-ökologisches Rating das Defizit an transparenten, glaubwürdigen und vollständigen Informationen über die ethisch-ökologische Bonität von Unternehmen zu mindern. Durch die regelmäßige Veröffentlichung des Ratings "sauberer" Unternehmen soll es für soziale Organisationen aber auch Privatanleger leichter werden, mit angelegtem Geld verantwortungsvoll und ethisch umzugehen.

Zum Thema "Kirchengeld und Ethik" wurde auch im September in Wien eine Tagung veranstaltet. Lesen Sie bitte  Informationen darüber bei den Tipps.

Links:
Forschungsprojekt "Ethisches Rating"
Forum Wirtschaftsethik 

 

 

 

 

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Letztes Update dieser Seite am  11.07.2006 um 10:38