"Dialog für Österreich" zielstrebig weiterführen Helmut Obermayr neuer Religionschef im Radio atikan stellte neues Handbuch für Exorzisten vor 100-Jahr-Jubiläum der russisch-orthodoxen Kirche in Wien

News vom 15. Jänner 1999 - 20. Jänner 1999

 

100-Jahr-Jubiläum der russisch-orthodoxen Kirche in Wien

Die Wiener russisch-orthodoxe Kirche zum Heiligen Nikolaus feiert ihr 100-Jahr-Jubiläum. Aus diesem Anlaß veranstalten die ökumenische Stiftung "Pro Oriente" und das Russische Kulturinstitut Freitag und Samstag eine wissenschaftliche Tagung, bei der die Beziehungen zwischen den beiden Ländern seit dem 15. Jahrhundert behandelt werden. Für die teilnehmenden Historiker, Theologen und Diplomaten wird der russische Botschafter Wladimir Grinin einen Empfang geben.

Die 1962 vom Moskauer Patriarchat in den Rang einer Kathedrale erhobene Kirche wurde in den Jahren 1893 bis 1899 auf einem von der kaiserlich-russischen Botschaft erworbenen Grundstück zwischen Reisnerstraße, Bahngasse und der ehemaligen Richardgasse (heute Jauresgasse) im dritten Wiener Gemeindebezirk erbaut. Der Fünfkuppelbau wurde nach Plänen des berühmten Petersburger Architekten Grigorij Iwanowitsch Kotow gestaltet.

Mit Österreich verbindet die russische Orthodoxie eine dreihundertjährige Geschichte. Die Bemühungen um eine Niederlassung reichen bis in die Regierungszeit von Zar Peter dem Großen zurück. Der Sieg über die Türken nach der zweiten Belagerung Wiens 1683 wurde zum Wendepunkt der habsburgischen Politik gegenüber der Ostkirche. Kaiser Leopold I. sicherte zunächst den in die eroberten südlichen Donauländer eingewanderten Serben weitgehende kirchliche Autonomie zu, Karl VI. und Maria Theresia verliehen den Griechen der "orientalischen Religion" eine Reihe von Privilegien.

Schon Anfang des 18. Jahrhunderts gab es in Wien eine kleine russische Kolonie, deren geistliche Betreuung von griechischen und serbischen Priestern wahrgenommen wurde. Auf Initiative des ersten in Wien residierenden Botschafters, Graf Michael Bestuzew-Rjumin, wurde 1762 der russische Priester Simeon Matwejew mit dem Aufbau und der Leitung der Kirchengemeinde beauftragt.

Kurz vor dem Wiener Kongreß wurde in einem Privathaus in der Walfischgasse im Stadtzentrum eine russische Kirche eingerichtet, in der Zar Alexander I. am 23. Dezember 1814 einer feierlichen Zeremonie aus Anlaß seines Geburtstags beiwohnte. Diese Gottesdienststätte bestand bis 1899. Unter dem Erzpriester Michael Rajewskij, der 42 Jahre (1842-84) als Pfarrer in Wien wirkte, reifte der Plan für ein eigenes Kirchengebäude, der kurz vor der Jahrhundertwende realisiert werden konnte.

Der Erste Weltkrieg und die Oktoberrevolution unterbrachen die Entwicklung der russisch-orthodoxen Gemeinde in Österreich. In der Zwischenkriegszeit blieb die Nikolaus-Kirche, die sich nun auf dem Areal der (1924 eröffneten) sowjetischen Gesandtschaft befand, geschlossen. Stalins kirchenpolitischer Kurswechsel im Zweiten Weltkrieg ermöglichte nach der Befreiung Wiens im Frühjahr 1945 die feierliche Wiedereinweihung der Kirche. Seit 1946 ist die österreichische Bundeshauptstadt russisch-orthodoxer Bischofssitz. 1962 wurde die für Österreich und Süddeutschland zuständige Metropolie geschaffen, an deren Spitze seit vielen Jahren Erzbischof Irinej Susemihl steht. 1967 besuchte Patriarch Alexi I., 1997 Alexi II. Österreich.

Die russisch-orthodoxe Kirche in Österreich, die ihre Mitgliederzahl nicht bekannt gibt, hat den Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts. Das 1967 verabschiedete Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der orthodoxen Kirche brachte erstmals eine Abkehr von dem alten staatskirchenrechtlichen Prinzip, daß mit Ausnahme der römisch-katholischen Kirche kein oberster Jurisdiktionsträger seinen Sitz außerhalb Österreichs haben darf.

 

 

Vatikan stellte neues Handbuch für Exorzisten vor

Der Vatikan hat am Dienstag ein neues Handbuch für Teufelsaustreibungen vorgestellt. In dem 90seitigen Dokument werden als Exorzisten tätige Geistliche aufgefordert, mit "äußerster Vorsicht und Umsicht" zu agieren. Nur so könnten Fälle von Besessenheit von psychischen Krankheiten unterschieden werden. Grundlage für Teufelsaustreibungen waren bisher Vorgaben aus dem Jahre 1614.

Als "Zeichen" für Besessenheit gelten unter anderem das Sprechen fremder Sprachen, eine unnatürliche physische Kraft und eine irrationale Aversion gegen Gott. Dies reiche jedoch für einen sicheren Befund noch nicht aus.

Viele vermeintlich Besessene hätten vielmehr psychische Störungen, heißt es im Vorwort. Deshalb sollten sich Exorzisten im Zweifelsfall Rat bei Psychiatern holen. "Mit Sigmund Freud gegen den Beelzebub", kommentierten italienische Medien.

"Es gibt weltweit relativ wenige Menschen, die vom Satan besessen sind", sagte Kardinal Jorge Arturo Medina Estevez, Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst. Das 90seitige Dokument entstand in zehnjähriger Arbeit. Vorausgegangen war unter anderem eine Initiative der deutschen Bischofskonferenz.

Amerikanische Psycho-Schocker wie der Film "Der Exorzist" (1973) haben den Kampf mit dem Satan als tödlichen Horror dargestellt. Viele Menschen verbinden mit dem Wort Exorzismus spektakuläre Gruselszenen. "Im Namen Gottes, Satan geh zur Hölle", rief der schwarze Erzbischof Emmanuel Milingo vor Scharen von Einheimischen und Touristen in einer tristen Lagerhalle in Norditalien.

"Anzeichen" für Besessenheit können nach dem neuen Dokument das Sprechen fremder Sprachen, eine unnatürliche körperliche Kraft oder eine irrationale Aversion gegen Gott sein. Die Teufelsaustreibung selbst besteht aus Gesten wie dem Handauflegen, dem Besprengen mit Weihwasser und dem Sprechen von Gebeten. Am Ende schlägt der Priester ein Kreuz, um die Macht Christi über den Teufel zu zeigen. In Deutschland machte 1976 ein spektakulärer Todesfall Schlagzeilen: Eine 23jährige Studentin starb nach mehrmonatiger Teufelsaustreibung an Unterernährung. Zwei Priester und die Eltern des Mädchens mußten sich wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht verantworten. Schon damals wurde der Ruf der deutschen Bischofskonferenz nach einer schärferen Fassung der Exorzismus-Bestimmungen laut.

Die jetzt vorgelegten Regeln sehen neben der Zusammenarbeit von Priestern und Ärzten auch das Verbot jeglicher "Vermarktung" vor. Teufelsaustreibungen dürften nicht gefilmt oder von Journalisten beobachtet werden. Der Exorzist dürfe weder vor noch nach der Aktion diese bekanntgeben. Das Gebot der Stunde laute: Diskretion. Die Exorzismus-Lizenz könne nur vom örtlichen Bischof einem Priester gegeben werden, der über Wissen verfüge, barmherzig sei und einen einwandfreien Lebenswandel habe. In seinem Buch "Meine sechs Päpste" schreibt der frühere Präfekt des Päpstlichen Hauses, Kardinal Jacques Martin, daß auch Papst Johannes Paul II. einmal das "Gewand des Exorzisten" angelegt habe. So sei im Frühjahr 1982 der Bischof von Spoleto mit einer Frau zur Audienz des Papstes gekommen. Diese habe sich am Boden gewälzt und geschrien. Johannes Paul habe gebetet und Formeln gesprochen, zunächst vergeblich. Dann habe er gesagt: "Ich lese morgen für dich die Messe." Plötzlich sei Francesca F. wieder "völlig normal" gewesen. Ein Jahr später sei die Frau zusammen mit ihrem Ehemann wieder beim Papst erschienen und habe verkündet, sie werde Mutter.

 

 

 

Helmut Obermayr neuer Religionschef im Radio

Helmut Obermayr übernimmt am 1. Februar die Leitung der Religionsabteilung im ORF-Radio und folgt damit auf Hubert Gaisbauer, der nach 36 verdienstvollen Jahren im ORF in den Ruhestand tritt. Obermayr möchte auf die neuen Akzente des religiösen Geschehens verstärkt eingehen: In den christlichen Kirchen machten sich immer neue Strömungen bemerkbar. Die Auseinandersetzung mit sozialen Problemen gewinne stark an Bedeutung. Der Islam sei durch die Zuwanderung zu einer bedeutenden Religionsgemeinschaft geworden. Generell sei in den letzten Jahren das Interesse an anderen Weltreligionen gestiegen. Neben der aktuellen Berichterstattung über kirchenpolitische Entwicklungen möchte Obermayr weiterhin ein "offenes Forum" für die Auseinandersetzung mit religiösen Themen bieten. Dabei würden Fragen im Vordergrund stehen, auf die sich die Menschen Antworten von den Religionen erwarten. So laufen derzeit schon die Vorbereitungen für eine ökumenische Sommerakademie, die sich heuer mit dem Thema "Das Jahr 2000 - Der Mythos der Zeit" beschäftigen wird."

Helmut Obermayr wurde am 3. August 1949 in Kirchdorf an der Krems geboren. Nach seinem Jurastudium - Promotion: 1971 - begann er als Assistent am Institut für Verfassungs- und Verwaltungsrecht der Linzer Johannes-Kepler- Universität, wo er auch bis 1973 als Lehrbeauftragter tätig war. Nach zwei Jahren in der wirtschaftspolitischen Abteilung der Handelskammer Oberösterreich begann er 1975 beim ORF-Landesstudio Oberösterreich als Mitarbeiter im Aktuellen Dienst. Im Herbst 1985 wurde Obermayr Leiter der Unterhaltungsabteilung, seit 1985 war er zusätzlich für die Aktion "Licht ins Dunkel" im Landestudio Oberösterreich verantwortlich. Er initiierte die Aktion "Friedenslicht aus Betlehem" - zu diesem Thema hat er auch zwei Bücher publiziert - und wurde dafür 1997 mit einem Menschenrechtspreis des Landes Oberösterreich ausgezeichnet. Ab Mai 1988 war er auch Moderator von "Oberösterreich Heute" und seit 1994 für die Sparte Religion im ORF-Landestudio Oberösterreich zuständig.

 

 

Katholische Kirche appelliert: "Dialog für Österreich" zielstrebig weiterführen

Der "Dialog für Österreich" soll "mutig und zielstrebig" weitergeführt werden, betonte der Wiener Weihbischof Alois Schwarz in einem am Freitag veröffentlichten Rundbrief an die Teilnehmer der Salzburger Delegiertenversammlung. Schwarz hatte die bischöfliche Arbeitsgruppe zur Vorbereitung der Delegiertenversammlung geleitet.

Der Wiener Weihbischof verwies darauf, daß die österreichischen Bischöfe beim Ad-limina-Besuch insbesondere im Gespräch mit Papst Johannes Paul II. und den Kardinälen Joseph Ratzinger (Glaubenskongregation) und Lucas Moreira Neves (Bischofskongregation), aber auch mit anderen Kurienfunktionären wichtige Themen der Delegiertenversammlung behandelt hatten. Insbesondere sei es dabei um die Fragen verantwortete Elternschaft, Seelsorge für wiederverheiratete Geschiedene, Beschleunigung der Laisierungsverfahren von Priestern, Mitwirkungsrechte im Pfarrgemeinderat, Frauendiakonat, Priesterweihe von bewährten verheirateten Männern ("viri probati"), Verteidigung des Sonntags und Ost-Erweiterung der Europäischen Union gegangen.

In sechs Projektgruppen (Wiederverheiratete Geschiedene, geistliche Berufe, Frau in Kirche und Gesellschaft, Bischofsein heute, Sonn- und Feiertage, Jugend) würden jetzt "unter Berücksichtigung der Lebenskontexte, mit Bedachtnahme auf kirchliche Lehraussagen und im Blick auf die 'Prioritäten' der Delegiertenversammlung" pastorale Orientierungen erarbeitet, betonte Schwarz. Die sechs Projektgruppen werden jeweils von einem Bischof geleitet und setzen sich aus Mitgliedern der Pastoralkommission Österreichs und Experten zusammen.

Bei ihrer Frühjahrsvollversammlung im März wird die Bischofskonferenz mit dem Vorstand der Pastoralkommission Österreichs zusammentreffen. In einzelnen Diözesen ist die Weiterarbeit am "Dialog für Österreich" auf der Tagesordnung des Pastoralrates, kirchliche Einrichtungen bereiten in Weiterführung des "Dialogs" Fachtagungen vor, so am 19./20. März eine interdisziplinäre Tagung über "Leben. Sterben. Euthanasie

Kardinal Christoph Schönborn hat mit den Bischöfen vereinbart, Auseinandersetzungen innerhalb der Bischofskonferenz in Zukunft "wirklich offen und ehrlich, aber intern und in Liebe zu führen und nicht über die Medien". Auch die Gläubigen könnten "helfen, daß es gelingt" und "durchaus auch die Hirten ermahnen", sagte der Erzbischof im Magazin der Erzdiözese Wien "Dialog". Dies bedeute aber nicht, daß die Bischöfe in allen Punkten immer derselben Meinung sein müßten.

Die Kirche sei größer als die Bischöfe, betonte Schönborn. Das "Wir" der Kirche bestehe nicht nur aus Bischöfen und Pfarrern, sondern aus dem ganzen Volk Gottes. Die Kirche brauche das Bischofsamt, weil es von Jesus so gewollt ist; als Nachfolger der Apostel hätten die Bischöfe eine wunderbare und große Aufgabe. Bei der "Endabrechnung" des Jüngsten Gerichtes werde aber nicht nach der Wichtigkeit des Amtes gefragt werden, sondern: "Wie hast du es mit der Gottes- und Nächstenliebe gehalten?"

Im "Dialog für Österreich" gehe es jetzt um die Weiterarbeit "an den großen Themen". Eine "globale Antwort" aus dem Vatikan sei wohl nicht zu erwarten: "Wenn es gute Ideen sind, die aus Österreich kommen, werden sie ihren Weg gehen. Vielleicht wird sie jemand anderer aufgreifen und vergessen, daß sie aus Österreich gekommen sind", sagte der Kardinal.

Eine Absage erteilte Schönborn dem Slogan "Christus ja, Kirche nein". Menschen, die aus der Kirche austreten, sagten oft, sie würden ihren Glauben behalten, könnten aber mit der Kirche nichts mehr anfangen. Das könne als unmittelbare Reaktion verständlich sein. Viele Menschen, die zur Kirche zurückkehren oder sie neu entdecken, spürten aber, daß man einen Weg zu Gott letztlich nicht allein gehen könne, so Schönborn.