![]() | ![]() |
|
News 21. 12.
2004 |
Historiker: Vatikan war über
NS-Verbrechen informiert
Der Vatikan war nach Angaben
des Historikers Gerhard Besier während der NS-Zeit über die Verbrechen der
Nationalsozialisten sehr gut informiert. Allerdings waren die Handlungsmöglichkeiten
des Vatikan begrenzt,
so der Historiker.
Der
Heilige Stuhl habe sehr gute Kenntnisse nicht nur über die
Konzentrationslager im NS-Regime gehabt, sondern auch über die totalitären
Systeme insgesamt in Europa, sagte der Direktor des Hannah-Arendt-Instituts
für Totalitarismusforschung an der Technischen Universität Dresden in
einem AP-Interview. Dazu habe auch die damalige Sowjetunion gehört. Besier
studierte ein Jahr lang die Geheimarchive des Vatikans und fasste seine
Recherchen in dem Buch "Der Heilige Stuhl und Hitler-Deutschland"
(Deutsche Verlags-Anstalt) zusammen. Allerdings habe der Vatikan nur die
Geheimunterlagen der Jahre 1922 bis 1939 in der Zeit von Papst Pius XI für
die Öffentlichkeit freigegeben, sagte der Professor für Geschichte. Die
Akten bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 seien immer noch unter
Verschluss und würden wahrscheinlich erst 2006 geöffnet. Begrenze Möglichkeiten…
Immer
wieder wird dem Vatikan vorgeworfen, nicht energisch genug gegen die
NS-Verbrechen vorgegangen zu sein. Nach dem Studium der Unterlagen stehe
jedoch fest, dass der Heilige Stuhl nur begrenzte Möglichkeiten gehabt
habe, betonte der Wissenschaftler. Der einzige Weg sei die Diplomatie
gewesen. Wie begrenzt die Mittel des Vatikans gewesen seien, werde daran
deutlich, dass die römische Kirche 1938 und 1939 vergeblich versucht habe,
die brasilianische Regierung dazu zu bewegen, 3.000 Katholiken jüdischer
Herkunft aus Deutschland aufzunehmen. Auch in den USA sei es dem Heiligen
Stuhl letztlich nicht gelungen, die scharfen Einwanderungsbestimmungen für
die Verfolgten entscheidend zu mildern, betonte der Historiker: "Überhaupt
war es damals in aller Welt schwierig, Staaten zu finden, die ihrerseits
Verfolgte aufnahmen." Alle Aktionen aus Rom hätten zwar einen gewissen
Erfolg gehabt, aber die Anstrengungen seien weit hinter den Notwendigkeiten
zurückgeblieben. … und Scheu vor großen Taten
Charakteristisch
für die Politik des Vatikans sei zudem gewesen, dass es zwar auf
diplomatischer Ebene zahlreiche Memoranden gegeben habe; doch zugleich habe
sich die Kirche gescheut, die diplomatischen Beziehungen zum Hitler-Regime
durch die Kündigung des Reichskonkordats aus dem Jahre 1934 abzubrechen.
Der Heilige Stuhl habe befürchtet, dass ein solcher Schritt die Gläubigen
in noch größere Schwierigkeiten bringen könnte.
Weitere News zum Thema: - 20. 12. 2004: Kardinal
von Galen und Charles de Foucauld demnächst selig - 14. 12. 2004: Vatikan:
Öffnung der Geheimarchive bis 1939 steht bevor - 17. 11. 2004: Zeuge
des kirchlichen Widerstands gegen NS-Regime verstorben - 28. 06. 2004: Vatikan veröffentlichte Archive seiner Kriegsgefangenenhilfe - 30.
04. 2004: Vatikan-Historiker:
Päpste über Nazi-Politik genauestens informiert - 03. 03. 2004: In
Hartheim wurden 520 Priester vergast -
15. 01. 2004: Vatikan
zögerte mit Protest gegen NS-Regime aus taktischen Gründen - 18. 02. 2003:Für Rolf Hochhuth ist die Öffnung der Vatikan-Archive "unzulänglich" - 20. 02. 2003: Deutscher Jesuit rief Vatikan 1934 zu klarem Wort gegen Hitler auf
|
![]() | Seitenanfang | ![]() | weitere News |