News 05. 11. 2008

Vor 100 Jahren begann die "Christoffel-Blindenmission"

Der deutsche evangelische Pastor begann in Kleinasien sein Hilfswerk für blinde, gehörlose oder auf andere Art behinderte Menschen. In Österreich führt die Organisation "Licht für die Welt" heute Christoffels Arbeit weiter.

Die "Christoffel-Blindenmission" (heute in Österreich: "Licht für die Welt") ist 100 Jahre alt. Am 27. November 1908 brach der evangelische Pastor Ernst Jakob Christoffel (1876-1955) nach Kleinasien auf, um dort blinden, gehörlosen oder auf andere Art behinderten und in Armut lebenden Menschen zu helfen. Schon wenige Jahre später wurde sein großes Werk der Nächstenliebe in den Strudel der Ausrottungspolitik der jungtürkischen Bewegung für "Einheit und Fortschritt" (Ittihad ve Terakki) gegen die Christen im Osmanischen Reich gerissen. Heute wird dieser Aspekt der Geschichte der "Christoffel-Blindenmission" weitgehend ausgeblendet.

Sohn einer Handwerkerfamilie

Ernst Jakob Christoffel wurde als Sohn einer Handwerkerfamilie in Rheydt am Niederrhein geboren. Nach seinem Theologiestudium in Basel ging er 1904 zum ersten Mal nach Kleinasien. Im anatolischen Sivas (damals eine noch weitgehend armenische Stadt) übernahm er mit seiner Schwester Hedwig die Leitung zweier Waisenhäuser des "Schweizer Hilfskomitees für Armenien". Drei Jahre lang leiteten die Geschwister diese Einrichtungen für Opfer der Massaker von 1894/1896, die von Sultan Abdulhamid II. zumindest geduldet worden waren.

 

Christoffel war bereits bei diesem ersten Aufenthalt zutiefst vom Elend der Blinden in Kleinasien betroffen: "Die materielle, moralische und religiöse Lage der Blinden ist furchtbar. Der größte Prozentsatz bettelt. Blinde Mädchen und Frauen verfallen vielfach der Prostitution".

 

Am 27. Novenber 1908 wurde er in Basel zum Pastor ordiniert. Unmittelbar danach reiste Christoffel mit seiner Schwester nach Kleinasien; rechtzeitig zu Weihnachten war er im Kinderheim in Sivas, wo das Fest mit den Waisenkindern gefeiert wurde. Im Jänner 1909 gründete er in Malatya ein neues Heim; die Heimfamilie zählte nach wenigen Wochen bereits fast 60 Personen, darunter viele blinde und körperbehinderte Menschen und Waisenkinder.

Rassistische Verfolgung

Bei Kriegsausbruch 1914 war Christoffel in Deutschland. Als er von den Untaten der ittihadistischen Funktionäre Kenntnis erhielt, setzte der Pastor alle Hebel in Bewegung, um nach Kleinasien zurückkehren zu können. Im Februar 1916 gelang es ihm, alle Hindernisse zu überwinden und wieder nach Malatya zu kommen. Das Haus stand noch, aber mehr als die Hälfte der Bewohner war durch die bürokratisch durchgeplanten Verfolgungen ums Leben gekommen; immer wieder waren die "Jandarma" im Haus erschienen, um Menschen "abzuholen", die nicht den pervers-rassistischen Vorstellungen der Ittihadisten entsprachen. In den folgenden Monaten gelang es Christoffel, das Leben hunderter Verfolgter zu retten. Unerschrocken trat er den Ittihadisten und deren deutschen und österreichichen "Verbündeten" entgegen. Mit der Ausweisung aller deutschen Staatsbürger im Jahr 1919 fand Christoffels Arbeit in Malatya ein Ende.

Interniert im Iran 

Aber Christoffel konnte Kleinasien nicht vergessen. 1924 kehrte er in die Türkei zurück. Doch die neue kemalistische Regierung erlaubte ihm nicht, wieder für die Behinderten zu arbeiten. So scheiterte sein Versuch, in Konstantinopel ein Blindenheim einzurichten. Christoffel wich daher nach Persien aus und errichtete 1925 in Täbris und 1928 in Isfahan Heime für Blinde, Taubstumme, Menschen mit anderen Behinderungen und für Waisenkinder. Diese Arbeit wurde durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochen.

 

1943 wurde er im von Briten und Sowjets besetzten Iran interniert; nahezu drei Jahre musste er in verschiedenen Lagern zubringen. Im Juni 1946 wurde er in Hamburg-Neuengamme entlassen. Seine Einrichtung in Täbris wurde in der Zwischenzeit geschlossen, die Einrichtung in Isfahan übernahmen die Briten als Schule für blinde Mädchen.

Rückkehr in den Orient

Christoffel blieb vorerst in Deutschland und richtete 1949 ein Heim für Kriegsblinde in Nümbrecht bei Köln ein. Er setzte jedoch alles daran, in den Orient zurück zu kehren. 1951 fuhr er wieder in den Iran und rief in Isfahan mit finanzieller Hilfe seiner schwedischen Freunde eine neue Schule für blinde und andere schwerstbehinderte Männer ins Leben. Als über 70-Jähriger setzte er die Arbeit fort, die er zurückgelassen hatte. Christoffel starb am 23. April 1955 in Isfahan. Seine von uneigennütziger Nächstenliebe getragene Einrichtung wurde 1979 nach der Machtübernahme der Islamisten im Iran geschlossen.

 

Auf seinem Grabstein auf dem armenischen Friedhof von Isfahan-Djulfa steht auf deutsch, armenisch und persisch: "Hier ruht im Frieden Gottes Pastor Ernst J. Christoffel, der Vater der Blinden, der Niemandskinder, der Krüppel und Taubstummen nach über fünfzigjähriger Pionierarbeit".

Licht für die Welt

Mit seinen Projekten der Schul- und Berufsausbildung von Behinderten widerlegte Christoffel das Vorurteil, dass solche Menschen nicht bildungsfähig seien. Die nach ihm benannte Christoffel-Blindenmission (CBM) setzt sich heute für Schwerstbehinderte in Entwicklungsländern ein. In Österreich führt die Organisation "Licht für die Welt" Christoffels Arbeit weiter.

 

 

Link:

Licht für die Welt

 
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