Papstbesuch 2007 / Hintergrund

Die „Kirche zu den Neun Chören der Engel“, „Kirche Am Hof“

Kaum ein sakrales Bauwerk in Wien, das Bauwerkselemente wie Gotik, Barock und Klassizismus so deutlich vereint, wie die „Kirche am Hof“ im ersten Wiener Gemeindebezirk. Die Karmeliterkirche wird auch „Kirche zu den neun Chören der Engel“ genannt und ist die erste Station von Papst Papst Benedikt XVI. in der Bundeshauptstadt.

Der Platz "Am Hof" ist einer der historisch bedeutendsten Plätze der Wiener Innenstadt. Er befindet sich im ältesten Kern der Stadt; er war bereits Teil der römischen Stadt. Von 1155 bis etwa 1280 lag hier der Hof der Babenberger, den sich Heinrich Jasomirgott als Residenz erbaut hatte. Dieser Hof bestand aus einem Häuserkomplex um einen freien Platz, mit dem Wohnhaus des Herzogs als Mittelpunkt. Zwischen 1177 und 1194 fanden auf dem Platz Minnesang-Wettbewerbe statt, bei denen u.a. Walther von der Vogelweide auftrat. Ab dem 14. Jahrhundert wurde der Platz als Markt genutzt, später auch als Richtplatz.

Kirche der Karmeliter

Die Habsburger übersiedelten um 1280 in den Schweizertrakt der damals noch viel kleineren Hofburg und überließen die Gebäude "Am Hof" der landesfürstlichen Münze. Im Jahr 1365 wurden dann die Karmeliter provisorisch in der Münzstätte einquartiert. 1386 kam es zur offiziellen Schenkung durch Albrecht III., wobei der Platz erstmals "Am Hof" genannt wurde. Die Karmeliter errichteten in den Jahren 1386 -1403  anstelle der romanischen Münzhofkapelle eine dreischiffige gotische Klosterkirche. Der Bau wurde um 1420 abgeschlossen. 1553 wurde die Kirche dem Jesuitenorden übertragen. Nach der Auflösung des Jesuitenordens (1773) wurde die "Kirche am Hof" zur Garnisonskirche.

Die "Neun Chöre der Engel“

Die "Kirche am Hof" ist den „Neun Chören der Engel“ geweiht. Dies geht auf das Bildnis zurück, welches sich auf dem Karmeliteraltar ("Albrechtsaltar") befindet. Es zeigt Maria und die neun Chöre der Engel, wobei die Gottesmutter von einem Engel den Erzherzogenhut entgegennimmt. Der Lehre von den "Neun Chören der Engel" zufolge werden die Engel hierarchisch in neun Chöre eingeteilt: In der ersten Hierarchie stehen die Seraphim (höchste Engel), Cherubim und die Throne. Ihnen allen kommt der Dienst am Thron Gottes zu. Der zweiten Hierarchie gehören die Herrschaften, Gewalten und Fürsten an, sie bauen die Herrschaft Gottes im Universum auf.

Und in die dritte Hierarchie schließlich fallen die Mächte, Erzengel und Engel. Ihre Aufgabe besteht im Dienst an den Menschen.

Unterschiedliche Baustile

Kaum eine Wiener Kirche vereint so viele Baustile wie die "Kirche am Hof". Sie gilt daher als Sinnbild der sich über die Jahrhunderte veränderten Formen des Kirchenbaus. So wurde beispielsweise das Haupthaus im gotischen Stiel mit hohen Spitzbogenfenstern, Strebewerk und einem spitzbogenförmigen Rippengewölbe gestaltet. Charakteristisch ist auch, dass sie als Konventskirche eines Bettelordens keinen Glockenturm erhalten durfte. Eine Glocke ist lediglich an der Rückseite des Gebäudes befestigt. Um 1610 wurde der Kirche ein barockes Kleid verabreicht. Vom Boden bis unter das gotische Rippengewölbe beherrscht Prunk und Stuck das Kircheninnere.

Das Ende des Heiligen Römischen Reiches

Historische Bedeutung erhielt die "Kirche am Hof" am 6. August 1806: Damals erklärte von der Loggia der Kirche aus ein kaiserlicher Herold, "dass Wir das Band, welches Uns bis itzt an den Staatskörper des deutschen Reichs gebunden hat, als gelöst ansehen". Das bedeutete das Ende des Heiligen Römischen Reiches, das mehr als 500 Jahre lang von den Habsburgern regiert worden war.

Heimat der kroatischen Gemeinde in Wien

Heute ist die Kirche am Hof das Zentrum der großen kroatisch-katholischen Gemeinde Wiens. Zu Ehren des Besuches von Benedikt XVI. wurde die Erneuerung des Altars zeitlich vorgezogen. Er besteht aus kroatischem Kalkstein und wird vom Erzbischof von Zagreb, Kardinal Josip Bozanic, am 2. September eingeweiht. Kardinal Bozanic wird auch eine Reliquie des selig gesprochenen Kardinals Alojizije Stepinac (1960 gestorben) für den Altar mitbringen.

Eine "papsterprobte" Kirche

Mit der „Kirche am Hof“ hat sich Benedikt XVI. bereits einen papsterprobten Ort als erste Station seines Österreich-Besuchs ausgewählt. 1782 erteilte hier bereits Papst Pius VI. von der Fassadenaltane aus den Ostersegen. Die Chroniken berichten, dass an jenem Ostersonntag 1782 der Platz Am Hof schon frühmorgens dicht besetzt gewesen sei. Nach zeitgenössischen Berichten drängten sich dann gegen 15 Uhr, als der Papst am Balkon erschien, zigtausende Menschen auf dem Platz und in den umliegenden Gassen. Als der Papst zu beten begann, soll es auf dem Platz so still geworden sein, "dass man nur mehr das Schluchzen und Weinen der ergriffenen Menschen gehört hat", so der Wiener Domarchivar Reinhard Gruber unter Verweis auf zeitgenössische Quellen.

Auch Papst Johannes Paul II. besuchte im Rahmen seines Österreich-Besuches 1983 die Kirche am Hof. Dabei traf der Papst mit österreichischen Arbeitnehmern und Gastarbeitern zusammen. Die Begegnung stand unter dem Zeichen der "tiefen Verbundenheit" des Papstes mit den arbeitenden Menschen. Für das Treffen war vor den Toren der Kirche eine Bühne aufgebaut worden, damit der Papst von allen Gläubigen gut gesehen werden konnte.

 
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