News vom 11. Februar 1999 - 22. Februar 1999
Die Gründe für das ungewöhnliche Vorgehen des Wiener Erzbischofs, Kardinal Christoph
Schönborn, der Anfang der Woche seinem Generalvikar Helmut Schüller nächtens das
Kündigungsschreiben vor die Wohnungstür gelegt hatte, bleiben weiter im Dunkeln.
Klarheit brachte auch eine Pressekonferenz heute nachmittag nicht, in der Schönborn
erstmals öffentlich Stellung zu seiner umstrittenen Entscheidung nahm. Als Gründe für
die Schüller-Abberufung nannte er Differenzen in Fragen der Methode und des Inhalts.
"Befrieden" konnte Schönborn offensichtlich den Priesterrat, dem er in einer
ganztägigen Klausursitzung Rede und Antwort stehen mußte. Gestern übten Vertreter des
Priesterrates noch heftige Kritik an der Schüller-Abberufung. Heute habe es eine
Aussprache "in unverblümter, brüderlicher und kritischer Offenheit" gegeben,
heißt es in einer Erklärung des Priesterrates.
"Unbehagen über Entscheidungen Schüllers"
Der geschäftsführende Vorsitzende dieses Gremiums, der Mödlinger Pfarrer Wilhelm
Müller, meinte in der Pressekonferenz mit Schönborn, ihm sei die Motivation für die
Entscheidung des Erzbischofs jetzt klar: "Im Laufe der Zeit hat sich beim Kardinal
ein Unbehagen über manche Entscheidungen seines Generalvikars aufgestaut." Es sei
Aufgabe der Priester, "mit ihrem Bischof zu gehen und nicht gegen ihn".
Schönborn berichtete, daß es bereits im Herbst Spannungen mit Schüller gegeben habe.
Damals sei man übereingekommen, gemeinsam weiterzuarbeiten. "Jetzt bin ich zur
Überzeugung gekommen", so Schönborn, "auf die Eventualität vom Herbst
zurückzukommen und getrennte Wege zu gehen." Es sei dies nicht in Panik geschehen.
"Es war eine im Herzen erwogene Entscheidung, zu der ich stehe." Es habe keinen
Druck von außen gegeben. Nach seiner Meinung habe Schüller Strukturfragen zu großes
Gewicht beigemessen. Fragen der Spiritualität seien zu sehr im Hintergrund gestanden.
Es sei ein Fehler gewesen, räumte Schönborn ein, zuerst den Kündigungs-Brief deponiert
und erst dann das Gespräch mit dem Generalvikar gesucht zu haben. Der Kardinal
entschuldigte sich erneut bei Schüller für diese Vorgangsweise. Die Empörung unter den
Gläubigen könne er "voll und ganz verstehen". Die Dinge seien schneller als
erwartet öffentlich geworden. Schönborn weiter: "Ich würde es überaus bedauern,
wenn jetzt die Kirchenaustritte wieder steigen."
Zu dem in den letzten Tagen erhobenen Vorwurf der Führungsschwäche meinte Schönborn,
"wenn es wahr ist, ist es wahr". Er sei "direkt vom Lehrstuhl auf den
Bischofsstuhl" gekommen und habe nie eine Leitungsfunktion inne gehabt. Er befinde
sich in einer "Lernphase".
Der Generalvikar ist der ranghöchste Stellvertreter des Diözesanbischofs. Er soll seinen Oberhirten von den vielen, kleinen Aufgaben der Verwaltung entlasten und ist damit eine der wichtigsten Schlüsselpositionen. Seine genauen Kompetenzen sind nicht präzise normiert - sie liegen weitgehend im Ermessen des Bischofs. Er bestimmt weitgehend, welche Vollmachten er seinem Generalvikar tatsächlich ausüben läßt. Der Titel "Weihbischof" klingt nur ranghöher, ist aber tatsächlich nur ein perönlicher Ehrentitel, der an sich mit gar keinen Kompetenzen verbunden ist. Das Kirchenrecht spricht davon, daß "in der Regel" nur ein Generalvikar zu ernennen ist. Dieser sollte älter als 30 Jahre sein, über ausreichende Kenntnisse in Theologie und Kirchenrecht sowie über pastorale Erfahrung verfügen. Neben dem Generalvikar kann der Diözesanbischof nach eigenen Ermessen weitere Bischofsvikare (Stellvertreter) ernennen.
Kritiker Krenns
Generalvikar Schüller hatte sich zuletzt als heftiger Kritiker von Bischof Kurt Krenn
exponiert. Einer der Höhepunkte war eine Diskussion in der TV-Sendung "Zur
Sache" am 6. Dezember.
Schüller forderte Krenn damals in einem "Format"-Interview zum Einlenken auf:
"Es gibt nur zwei realistische Wege: Erstens Bischof Krenn erkennt, daß der Weg, den
er eingeschlagen hat, uns alle in Mitleidenschaft zieht. Dann muß er seine Strategie
radikal überdenken. Oder: Krenn bleibt auf seinem bisherigen Kurs und sagt weiter, er tut
nur das, was der Papst ihm aufträgt. Dann bleibt nichts anderes übrig, als die
Weltkirchenleitung zu bitten, sich des Problems anzunehmen." Am 23. Jänner, genau
einen Monat vor seiner Entlassung, hatte Schüller die Bischöfe Krenn und Laun in der
Abtreibungsfrage kritisiert. "Die Fristenlösung ist zu akzeptieren. Das gebieten die
Spielregeln der Demokratie. Die Kirche kann nicht versuchen, außerparlamentarisch
auszuhebeln, was nun einmal demokratisch zustande gekommen ist", meint Schüller in
einem "profil"-Interview. Auf die Frage, ob er Krenns und Launs Forderungen nach
Strafen und einer Änderung der Gesetze für nützlich erachte, sagte der Generalvikar:
"Diese Dinge sind in der Bischofskonferenz höchst abstimmungsbedürftig. In so
gravierenden Fragen schwächt sich die Kirche nur selbst, wenn sich einzelne Vertreter
nicht abgesprochen haben. Wir haben in dieser Frage den Staat als Gegenüber, der sich
erwarten darf, daß sich zuerst der Vorsitzende der Bischofskonferenz Kardinal Schönborn
oder der zuständige Referatsbischof Küng zu Wort melden." Im innerkirchlichen
Streit um Krenn bekräftigte Schüller damals seine mahnende Haltung gegenüber dem St.
Pöltner Bischof. Schüller in Richtung Krenn: "Es ist klar, daß wir überflüssige
Belastungen der Kirche durch öffentliches Agieren von Kirchenvertretern nicht brauchen
können. Ich werde mich pünktlich zu Wort melden, wenn ich den Eindruck habe, daß das
wieder so ist." Schüller hatte stets zu verstehen gegeben, im Einvernehmen mit
seinem Bischof zu handeln. Das ist nun vorbei Der 46jährige Priester Helmut
Schüller ist in seinen bisherigen Funktionen immer als unbequemer und kritischer
Zeitgenosse in der Öffentlichkeit aufgetreten. Als Direktor der Caritas war er einer der
heftigsten Kritiker der Ausländergesetze. Im Dezember 1993 war Schüller nicht zuletzt
wegen seines Engagements für Randgruppen Adressat einer Briefbombe, die aber rechtzeitig
abgefangen werden konnte. Als Generalvikar der Erzdiözese Wien hat sich Schüller in den
letzten Monaten als Kritiker des umstrittenen St. Pöltner Diözesanbischofs Kurt Krenn
exponiert. Im Konflikt innerhalb der Bischofskonferenz nach dem Streit um den
Österreich-Bericht an Rom forderte Schüller eine Abberufung Krenns durch den Vatikan
(siehe auch Bericht "Konflikt mit Krenn"). Zuletzt hat Schüller den St.
Pöltner Bischof ebenso wie den Salzburger Weihbischof Andreas Laun wegen deren Forderung
nach Rückkehr zur Strafe bei Abtreibungen heftig kritisiert. Vorerst kann darüber nur
spekuliert werden, ob diese Kritik an Bischöfen der Grund für die nunmehrige Abberufung
Schüllers als Generalvikar ist.
Am Heiligen Abend geboren
Schüller wurde am Heiligen Abend 1952 in Wien geboren. Die Volksschule besuchte er in Orth an der Donau und in Wien. Später wurde er Zögling des Erzbischöflichen Seminars in Hollabrunn und damit ein Schüler von Groer. Theologie studierte Schüller in Wien und in Freiburg im Breisgau (BRD). 1977 erfolgte die Sponsion. 1971 bis 1977 besuchte der gebürtige Wiener das Priesterseminar der Erzdiözese seiner Heimatstadt, die Priesterweihe fand 1977 statt. Nach seiner Tätigkeit als Kaplan und Religionslehrer wurde er 1981 Diözesanjugendseelsorger in Wien.
Caritas: Nachfolger von Leopold Ungar
Vom legendären Caritas-Präsidenten Leopold Ungar wurde Schüller zum Nachfolger aufgebaut. Fast sieben Jahre lang stand Schüller an der Spitze der Wiener und mehr als vier Jahre der österreichischen Caritas. Er hat das Amt des Wiener Direktors am 1. Dezember 1988 und jenes des Präsidenten der Österreichischen Caritas am 16. Mai 1991 von Ungar übernomen. 1993 wurde Schüller von der Wirtschaftsuniversität zum "Manager des Jahres" gewählt.
Generalvikar seit September 1995
Bei der Übernahme der Erzdiözese Wien durch Erzbischof Christoph Schönborn - am Höhepunkt der Turbulenzen um Kardinal Hans Hermann Groer - wurde Schüller im September 1995 zum Generalvikar ernannt. Der Generalvikar ist die rechte Hand des Diözesanbischofs. Schüller "regierte" nun dreieinhalb Jahre über eine der größten Diözesen Europas, ein Mammut-"Unternehmen" mit rund 600 Pfarren, 1.600 kirchlichen Gebäuden und 900 Priestern.
"Harte Hand"
Schüller handelte sich den Ruf als "harte Hand" des Erzbischofs ein. Die finanzielle Situation der Erzdiözese machte einen Sparkurs notwendig. Vor allem mit der Gehaltskürzung für die Priester hat sich Schüller nicht viele Freunde gemacht. Interessant ist, daß Schüller als Generalvikar nicht - wie im Kirchenrecht ausdrücklich vorgesehen - zum Weihbischof befördert wurde.
Österreichs Jugend "ist besser als ihr Ruf", konstatierte kürzlich der zuständige Minister "seinen" Schützlingen. Was die Buben und Mädels im Alter zwischen 14 und 24 Jahren wirklich interessiert und glücklich macht, gibt eine neue Studie des Meinungsforschungsinstituts Fessel-GfK preis, die nun vorgestellt wurde.
"Ohne Musik geht gar nichts", ist eine der gravierendsten Erkenntnisse der Studienautorin Cordula Oeltze. Nicht weniger als 95 Prozent der insgesamt 1.000 Befragten gab Musikhören als wichtigstes Freizeitvergnügen an. Knapp dahinter liegen die Partner und Freunde mit jeweils 93 Prozent sowie - man lese und staune - die Körperpflege mit 92 Prozent. Weit abgeschlagen am Ende der Skala finden sich kulturelle Unternehmungen wie Theater-, Opern- oder Ausstellungs- und Museenbesuche.
Das "Shoppen" hat - trotz stark verminderter Kaufkraft, die laut Oeltze auf die Sparpakete zurückzuführen sein könnte - ebenfalls einen hohen Stellenwert: 61 Prozent gaben an, sich in der Freizeit häufig damit zu erfreuen. Für diesen hohen Wert zeichnet vor allem das weibliche Geschlecht (77 Prozent gegenüber 46 Prozent bei den Burschen) verantwortlich.
Zum Lebensglück brauchen Österreichs Kids vor allem Freunde (82 Prozent). An zweiter Stelle steht ein "Beruf, der Spaß macht" (77 Prozent), vor dem sicheren Arbeitsplatz mit 76 Prozent. Obwohl also "Partner und Freunde die Eltern als primäre Bezugspersonen ablösen", brauchen die Jugendlichen diese zu immerhin zwei Dritteln zum Glücklichsein. Dieses "überraschend positive Verhältnis" zu den Eltern führt Oeltze auf die liberalen Erziehungsstile der vergangenen Jahrzehnte zurück.
Der wichtigste Lebensbereich ist für die junge Generation die Entspannung (65 Prozent). Auf den Plätzen zwei und drei folgen die Ausbildung (63 Prozent) und die Arbeit (53 Prozent).
Bereiche wie Religion, Kultur, Kunst, Politik und Esoterik stehen am Ende der Liste. "Die Jugendlichen ziehen sich aus dem gesellschaftlichen Leben zurück und konzentrieren sich auf ihr eigenes Ego", schließt Oeltze aus diesen Zahlen.
US-Forscher bezweifeln gesundheitsfördernde Wirkung von Religion
Der Glaube hat einer Studie zufolge keine nachweislich gesundheitsfördernde Wirkung. Zu diesem Schluß kamen US-Forscher in einer Untersuchung, die die britische Fachzeitschrift "Lancet" in ihrer jüngsten Ausgabe vorab veröffentlichte.
Argumente, wonach der religiöse Glaube die Gesundheit von Patienten verbessern könne, würden oft von denen ins Feld geführt, die ohnehin an die Macht der Religion glaubten, führte Richard Sloan von der Coloumbia University (US-Bundesstaat New York) darin an. Diese Studien, wonach es einen Zusammenhang zwischen Religion, Spiritualität und Gesundheit gebe, seien jedoch nicht überzeugend. Sie vernachlässigten oft andere Faktoren.
So würden oft angeführt, daß Priester und Nonnen länger und gesünder lebten als Normalbürger; dabei werde jedoch nicht berücksichtigt, daß sie aufgrund der strengen Regeln ihrer Orden seltener rauchten oder Alkohol konsumierten. Andere Studien zeigten etwa, daß Kirchgänger gesünder seien - ohne zu berücksichtigen, daß die Kranken vielleicht nicht in die Kirche gehen könnten.
Unter solchen Umständen sei es sehr schwer festzustellen, welche Auswirkungen - wenn überhaupt - der Glaube auf die Gesundheit habe. "Wir glauben, daß es verfrüht ist, die Religion als ergänzende medizinische Behandlung zu betrachten", schloß Sloan.
Die Zahl der Katholiken auf der Welt hat die Milliardengrenze überschritten. Nach jüngsten Angaben gibt es derzeit eine Milliarde und fünf Millionen Katholiken, was 17,3 Prozent der gesamten Weltbevölkerung entspricht. Diese Zahl wurde im vatikanischen Jahrbuch 1999 veröffentlicht, in dem alle aktuelle Informationen über die Kirche in der Welt gesammelt sind. Die neueste Ausgabe wurde am (heutigen) Samstag dem Papst vorgestellt.
Die Katholiken stellen nur auf dem amerikanischen Kontinent die Mehrheit, wo sie 62,9 Prozent der Bevölkerung ausmachen. In Europa bekennen sich 41,4 Prozent der Menschen zum katholischen Glauben, in Australien 27,5, in Afrika 14,9 Prozent und in Asien drei Prozent.
Weltweit gibt es 220.000 katholische Pfarreien. 3,3 Millionen Personen, sowohl Geistliche als auch Nicht-Geistliche, sind in der Seelsorge oder anderen religiösen Berufen tätig. 1998 ernannte der Papst 137 neue Bischöfe und stimmte der Aufnahme offizieller Beziehungen zu zwei weiteren Staaten - Palau und Jemen - zu. Die Zahl der Länder, zu denen der Heilige Stuhl diplomatische Beziehungen unterhält, erhöhte sich damit auf 168.