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20. Aug 99von Marcus Marschalek aktualisiert
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Pressespiegel
Montag 22. Juni 1998
Kurier / 22.6.1998
Klarer Auftrag für den Weg der Mitte
Als "klaren Auftrag für den Weg der Mitte" wertet der "Kurier" die
Worte des Papstes zu den heimischen Bischöfen über den von ihnen begonnenen
Reform-Dialog. Damit seien auch jene Bischöfe bestärkt worden, "welche die klarsten
Worte zur Affäre Groer gefunden hatten - man denke nur an Schönborns formelle
Entschuldigung für Verfehlungen seines Vorgängers.
Zugleich ließ der Papst auch eine Erklärung verlesen, die als harsche Zurechtweisung des
autoritären Stils von Kurt Krenn zu deuten ist." Dennoch erwartet der
"Kurier", daß "kaum, daß der Papst zurück in Rom ist, hierzulande die
Debatte darüber beginnen wird, welche kirchliche Fraktion der Heilige Vater mit welchen
Botschaften bestärken bzw. zurechtstutzen wollte.
So gesehen wird es wohl auch der Pontifex Maximus nicht geschafft haben, Brücken zwischen
den Streitparteien zu bauen."
Salzburger Nachrichten / 22.6.1998
Alles bleibt, wie es war
"Der Papst war da. Und alles bleibt, wie es war", ziehen die "Salzburger
Nachrichten" mit Worten von Pater Udo Fischer Bilanz. Als Erfolg zählten die
"ungeschminkten Worte" zur EU-Erweiterung.
Der zweite Erfolg gehe auf das Konto von Kurt Krenn, diese Runde gehe mit Tausenden
Gläubigen, die mit Fähnchen "In Treue zum Papst. In Treue zu Bischof Krenn"
dem Papst zugewinkt hätten, an Krenn. "Der umstrittenste österreichische Bischof
spannte den Papst ungeniert vor seinen Karren." Hätte der Papst die Krenn-Gegner
wenigstens verurteilt, hätte er ihnen zumindest "die Ehre angetan, sie zur Kenntnis
zu nehmen."
Die dritte Papstvisite war in den Augen der "SN" "die Stunde anderer
kirchlicher Gruppen, die im Alltag der katholischen Pfarrgemeinden in Österreich keine
tragende Rolle spielen". Die Gefahr sei, "daß manche dieser Gruppen sich jetzt
sehr gestärkt fühlen und meinen, sie hätten einen Exklusivanspruch auf
Kirchesein". Wenn das die Folge des Pastbesuches für die katholische Kirche in
Österreich wäre, "dann wäre der Schaden größer als der Nutzen." Das müsse
allerdings nicht so sein. "Der Papst hat nicht aktiv in die innerkirchlichen
Konflikte eingegriffen. Österreichs Bischöfe sind mit ihren Problemen wieder auf sich
selbst verwiesen. Sollte wirklich, wie man hört, Hans Hermann Groer schon in Kürze aus
seinem Exil zurückkehren, wäre die Optik verheerend. Dann müßte man tatsächlich
sagen: Der Papst war da, und deshalb wurde der frühere Wiener Erzbischof aus dem
Rampenlicht der Öffentlichkeit genommen. Aber jetzt? Jetzt ist wieder alles, wie es
war."
Die Presse / 22.6.1998
Ein starkes Vermächtnis
Von einem "starken Vermächtnis" des Papstbesuches schreibt die
"Presse". Die Gläubigen hätten einen Papst bejubelt, "der zwar
körperlich schwach ist, der aber keinen Millimeter von seinem Führungsanspruch
weicht." Gerade jener Teil der Jugend, der in der Kirche geblieben ist, scheine keine
Probleme mit dem Führungsanspruch zu haben. "Junge Menschen akzeptieren, ja wollen,
ja bejubeln Führungspersönlichkeiten wie Johannes Paul II. Sie tun das, auch wenn der
Papst Unangenehmes sagt und keineswegs das ansteuert, wovon die Vätergeneration geträumt
hat: eine demokratische Kirche."
Daß der Papst zum Abschluß seiner Visite den Bischöfen den Auftrag erteilt hatte, das
vertikale Prinzip nicht ganz dem horizontalen Dialog zu opfern, führt die
"Presse" auf Erfahrungen aus 2.000 Jahren Kirchengeschichte, viel mehr aber auf
"ein gewisses Gespür für das in der Zukunft Nötige" zurück. Es gebe nur
"wenig Beispiele, daß Kirchen auf Dauer als Demokratie überleben können." Die
österreichische Kirchenkrise beruhe vor allem auf der "Verunsicherung, was nach der
konziliaren Veränderung römisch-katholische Identität geblieben ist. Sie ist ebenso
Konsequenz einer bequem und hartherzig gewordenen Wohlstandsgesellschaft."
Verantwortlich sei aber auch das "vertikale Prinzip": Wenn Stellung der
Bischöfe - aus gutem Grund - so betont werde, "dann wiegt es umso schwerer, wenn
einer dieser Bischöfe so schwer vor den Gesetzen der Kirche wie der Republik fehlt, daß
ihn vor Strafe nur die Verjährungsfrist schützt. Wenn die Bischöfe so wichtig sind,
dann muß der Papst bei schlechten Bischöfen umso rascher die Konsequenzen ziehen."
Mit schuld sei auch Kurt Krenn, wenn er den Namen Hans Hermann Groer ohne Grund nenne und
damit ein Ärgernis setze, "dann hat auch er den Glanz eines sonst so harmonisch und
ergreifend verlaufenden Papstbesuches getrübt".
Der Papst habe den Katholiken des Landes mit dem Wort, daß man den Christen vieles nehmen
könne, nur nicht das Kreuz, auch einen "Kampfauftrag" gegeben, den sie
ernstnehmen müßten, um zu bestehen. Die Gläubigen des Landes müßten erkennen,
"daß in Österreich nicht mehr alles automatisch katholisch ist, daß sie erstmals
in einer Diaspora-Situation leben."
Neues Volksblatt / 22.6.1998
Dienen statt Herrschen
Aus Sicht der Linzer Tageszeitung "Neues Volksblatt" hat der Heilige Vater
"die Erwartungen, die Österreichs Katholiken in ihn gesetzt hatten, erfüllt - wenn
man davon ausgeht, daß in Richtung Kirchenkrise diese Erwartungen nie sehr hoch sein
konnten". "Johannes Paul II. war in Österreich der politische Papst mit
Weltsicht, der maßgeblich zum Fall des Eisernen Vorhangs beigetragen hat." Vermieden
habe der Papst jedoch "das direkte Gespräch, den Dialog mit den Gläubigen":
"Er hat aber immerhin den Bischöfen, seinen Stellvertretern, diesen Dialog dringend
empfohlen und sie erinnert, daß die Vollmacht der Bischöfe nicht auf das Herrschen,
sondern auf das Dienen ausgerichtet ist. Und er warnt beide Seiten, daß ein Dialog an
'Machtansprüchen, Drohungen und Diktaten' scheitern muß. Der Papst hat damit immerhin
die Kirchenkrise angesprochen und den Weg vorgegeben. Zum auslösenden Fall dieser Krise,
dem von ihm ernannten Kardinal Groer, wollte er schweigen. Bischof Krenn blieb es
vorbehalten, in St. Pölten den hohen Gast aus Rom peinlicherweise an diesen 'Fall' zu
erinnern. Er schloß den Altkardinal namentlich ins Gebet ein. Auf das Gebet für die
Opfer hat er leider vergessen."
Der Standard / 22.6.1998
Der Politische Papst
"Der politische Papst und die vertane Chance, innerkirchlich etwas zu bewegen",
resümiert der "Standard" den Papstbesuch. "Der Papst habe "die
Stärken und Schwächen seines Pontifikats demonstriert: Politisch außergewöhnlich,
theologisch sehr konservativ, innerkirchlich konventionell und dürftig." Die
Europarede habe vor allem durch die Kritik an der Wirtschaftsentwicklung aufhorchen
lassen.
Die positive Haltung zur Osterweiterung, zur "Europäisierung", sei "klar
formuliert" gewesen. "Von den Gegnern Johannes Pauls II. werden die
ökonomischen Positionen meistens nicht besonders betont, weil sie sonst eine 'linke'
Verwandtschaft zugeben müßten. Seinen Fans auf der Rechten sind Ansichten des Papstes zu
den Beschäftigungsfragen nicht recht, weil sie den Wirtschaftsflügel vergrämen. Es
zeigt sich: Die Kirche ist, vor allem auch im Kontext ihrer Ausländer-Freundlichkeit,
eine oppositionelle Kraft. Das ist sie nicht, wenn es um ihre eigene Macht geht. Da werden
die Worte des Papstes schwammig." Profilieren können habe sich Kardinal Christoph
Schönborn.
"Sein Auftakt auf dem Heldenplatz, daß der in Österreich aufgebrochene Konflikt
nicht nur das Vertrauen in die Bischöfe, sondern auch in den Papst selbst 'erschüttert'
habe, war ziemlich frontal angesichts der römischen Linie, sich hinter Floskeln und
Andeutungen zu verschanzen."
Angesichts des Gebetsaufrufs von Kurt Krenn für Hans Hermann Groer müsse Schönborn
darauf dringen, "daß die vatikanischen Heckenschützen ruhiggestellt werden. Denn
letztlich tragen solche Aktionen ja zur Einschätzung eines Papstes bei, dem
klammheimliche Sympathien für den St.Pöltener Diözesanbischof nicht so ferne sind wie
anderen 'Brüdern im Herrn'." In Summe bleibe ein "diffuses Bild". "Es
ist einerseits geprägt vom Respekt für eine Persönlichkeit, die ihre missionarische
Sendung einem kaum noch manövrierbaren Körper aufzwingt. Andererseits wird von einer
vertanen Chance die Rede sein, weil neben den politischen Aussagen nur das Lob für den
'Dialog für Österreich' positiv zu werten ist."
Die Kritik an Sterbehilfe und der Fristenlösung "war in dieser Landschaft eine
Marginalie. Denn die andere Tatsache, daß sich der Vatikan nach wie vor weigert, die
Bevölkerungsexplosion zu steuern, wäre auch eine Diskussion. Die über eine 'Abtreibung
von Geborenen'."
Die Krone / 22.6.1998
Störenfriede
In der "Krone" bezieht "Cato" Position für den St. Pöltener Bischof
Kurt Krenn. Der Papst habe Krenn gegenüber eine "großartige Geste, die weit über
Worte hinausgeht", gezeigt. "Nach einer glänzenden Rede des St. Pöltener
Oberhirten zog der Papst Krenn zu sich und küßte ihn brüderlich. Starker Applaus.
Irgendwo, weit im Hintergrund, gab es ein paar Typen mit schwarzen Luftballons. Als ein
Photograph sie aufnehmen wollte, unterbanden sie dies mit Gewalt. Offenbar wollte man
verhindern, die geringe Zahl der Störenfriede durch Photos zu dokumentieren..." Es
stimme auch nicht, daß die Sorgen und Forderungen engagierter Krise und die Kirchenkrise
unbeantwortet geblieben seien. "Immerhin sagte Johannes Paul II.: 'Priester können
durch Laien nicht ersetzt werden.'"
Associated Press
Die amerikanische Nachrichtenagentur "Associated Press" (AP) berichtet vom
Papstbesuch in Österreich unter den Titel "Papst kritisiert öffentliche Diskussion
der Bischöfe um Groer". Zum Abschluß seines dreitägigen Österreich-Besuchs habe
"sich Papst Johannes Paul II. überraschend zur Krise der katholischen Kirche in dem
Land geäußert, jedoch klare Aussagen zu den Vorwürfen gegen Kardinal Hans Hermann Groer
wegen sexueller Mißhandlungen vermieden. Der Papst kritisierte die öffentliche
Diskussion der Bischöfe um Groer. Auch in der Kirche müsse Raum für private Gespräche
sein, hieß es in einer am Sonntag vom Vatikan veröffentlichen Erklärung."
Deutsche Nachrichtenagentur
Die Deutsche Nachrichtenagentur (dpa) titelt: "Papst Johannes Paul II. nimmt indirekt
Bezug auf Affäre Groer". Zum Abschluß seines Besuchs in Österreich habe Papst
Johannes Paul II. "indirekt auch Bezug auf die Affäre Groer genommen. Bei einem
Treffen mit den österreichischen Bischöfen erinnerte er an die Worte des Heiligen
Petrus, wonach niemand seine Autorität über die ihm anvertrauten Menschen mißbrauchen
dürfe. Der frühere Wiener Erzbischof Hans Hermann Groer soll sich an Seminaristen
vergangen haben."
In einem weiterern Bericht titelt die dpa: "Papst stärkt den konservativen Klerus in
Österreich". Der Papst habe "zwar eine offizielle Bewertung der tiefen
Kirchenkrise in diesem Land abgelehnt. Und doch hat er mit vielen Äußerungen sich
ausdrücklich hinter den konservativen Klerus gestellt." Und weiter: "Allen
Ansprüchen der Laien, Teilaufgaben der Priester zu übernehmen oder sogar Frauen zu
Diakonen zu weihen, erteilte das Kirchenoberhaupt wiederholt eine klare Absage. Die auch
von wichtigen österreichischen Bischöfen erhofften klaren Worte zur Affäre um den wegen
sexueller Verfehlungen umstrittenen Kardinal Hans-Hermann Groer sprach er nicht."
"Wie oft paart sich Weitsicht in großen Horizonten mit Schwäche im konkreten Umgang
mit der Wirklichkeit?", fragt die "Süddeutsche Zeitung" nach dem
Papst-Besuch in Österreich. Die Visite von Papst Johannes Paul II. in Österreich habe
solche Widersprüche in der katholischen Kirche offenbart: "Hier die rücksichtslos
ehrliche Deutung der sozialen Bedürfnisse Mitteleuropas, dort die feige Flucht vor den
Sorgen der österreichischen Kirche. Johannes Paul II. selbst beweist als politischer
Visionär ein weiteres Mal beispiellose soziale Kompetenz, als 'Hirte' versagt er, indem
er die um Glauben und Identität ringenden Christen des Gastlandes noch ratloser
zurückläßt, als sie ihn empfangen haben."
Süddeutsche Zeitung / 22.6.1998
Die Europarede des Papstes bezeichnete die "Süddeutsche" als "ein
klassisches Ablenkungsmanöver": "Österreichs heillos zerstrittene Katholiken
hatten sich, wenn schon keinen Schiedsrichter, so doch einen Arzt erhofft, einen, der
besänftigt und heilt, ohne jemanden ins Unrecht zu setzen. Aber Johannes Paul hat sich
sogar geweigert, nur eine Diagnose zu stellen. Johannes Paul II. gab uralte Antworten auf
brennend neue Fragen, und den Theologen blieben deuterische Spitzfindigkeiten
überlassen."
Die Welt / 22.6.1998
"Ist dies ein konservativer oder - wie seine Kritiker sagen - sogar
rückschrittlicher, 'reaktionärer' Papst?", fragt "Die Welt" in ihrer
"Montag-Ausgabe". "Manche seiner Botschaften, die er vor den Österreichern
verkündete (...) klingen geradezu revolutionär: der Globalisierung des Profits auf der
einen und des Elends auf der anderen Seite, müßten die Christen eine Globalisierung der
Solidarität entgegensetzen. Für Karol Wojtyla, den Oberhirten aus Polen, heißt dies:
Der reichere Westen muß mit dem ärmeren Osten teilen - also verzichten. Materielle Opfer
seien unvermeidlich. Kein linker Sozialdemokrat unserer Tage geißelt das kapitalistische
System so radikal und scharf wie dieser Papst."
Zur innerkirchlichen Krise in Österreich heißt es in der "Welt":
"Interessant war jedenfalls, daß der Papst sich auch nicht vom 'umstrittenen'
Bischof von St. Pölten, Kurt Krenn, distanzierte, sondern ihn im Gegenteil noch zitierte
und hervorhob. Krenn wiederum bezog während der Papstmesse und in Anwesenheit des
Heiligen Vaters in St. Pölten den umstrittenen, zur Unperson, wenn nicht gar zum
'Sex-Unhold' erklärten Groer in sein Gebet mit ein. Es ist anzunehmen, daß dies nicht
ohne Zustimmung des vatikanischen Gastes geschehen ist."
Sonntag 21. Juni 98
Der Pastoralbesuch des Papstes in Österreich findet in den inländischen Medien einen
breiten Niederschlag. Zu der mit Spannung erwarteten Europarede von Johannes Paul II.
heißt es im Kurier:
"Der Papst las Österreich in dieser Rede die politischen und moralischen Leviten.
Die Trennungslinie zu den östlichen Nachbarn sei weder wirtschaftlich noch im Denken
gewichen. Im inneren Zusammenleben im 'gesellschaftlich wohlgeordneten und wirtschaftlich
blühenden Land' hätten sich gefährliche Risse eingeschlichen. ... Es war eine deutliche
und klare, streckenweise unangenehm konkrete Sprache, in der sich der Politiker Johannes
Paul vor den Spitzen der Republik äußerte. Wer sich in Politik und Medien bei anderen
Fragen papsttreu geriert, wird sich künftig an diesen Papstworten müssen messen lassen.
Was dieser Papstbesuch für die österreichische Kirche langfristig bedeuten wird, läßt
sich zur Halbzeit noch nicht wirklich einschätzen. Unübersehbar ist, daß die
persönliche Ausstrahlung und die Attraktivität des Besuchers Johannes Paul im Vergleich
zu den früheren Besuchen deutlich zurückgegangen ist. Aber das ist diesem historisch und
mystisch denkenden Papst nicht mehr wichtig."
In den übrigen inländischen Kommentaren steht die aktuelle Krise der Kirche in
Österreich im Mittelpunkt. So schreibt Der Standard in seiner Samstag-Ausgabe: "Im
ursprünglichen Text der Papstpredigt im Salzburger Dom hieß es, das Bischofsamt sei
'nicht menschliche Erfindung, um in der Seelsorge Herrschaft auszuüben'. Darin kann man
mit einiger Anstrengung einen Hinweis darauf erblicken, daß niemand wie Erzbischof (und
später Kardinal) Groer anmaßen darf, junge Mitgeistliche und Gläubige in ein
cliquenartiges System hineinzuziehen; und dort mit psychischer Belohnung und Bestrafung
abhängig zu machen. Oder, wie Bischof Krenn, in seiner Diözese, ein unduldsames Regime
zu führen. Wenn Johannes Paul II. den verstörten österreichischen Gläubigen mit dieser
Passage etwas sagen wollte, dann war es allerdings zuwenig deutlich." Im Linzer
Volksblatt heißt es dazu. "... nicht ganz zufällig warnt der Papst, das Amt in der
Kirche sei nicht dazu da, um 'in der Seelsorge Herrschaft auszuüben'. Der gebrechliche
Mann an der Spitze der Weltkirche weiß, wovon er spricht, wenn er Österreich besucht.
Man wird sich darauf berufen können, wenn der Dialog für Österreich ins Stocken gerät
oder Christen sich befetzen." Die Presse schreibt, "es ist sicher nicht leicht,
ihm zuzuhören. Was er sagt, überschreitet den medial längst abgezirkelten, fast
ausschließlich um innerkirchliche Querelen konzentrierten Kreis der Erwartungen. Der
Papst spricht nicht die Sprache der Journalisten, nicht die der Politiker, auch nicht jene
der kirchlichen Eiferer der einen oder der anderen Richtung." In den Salzburger
Nachrichten wird die Frage gestellt: "Sind Österreichs Katholiken undankbar? Da
plagt sich ein 78jähriger die Gangway hinauf und hinunter, nur um zum dritten Mal die
Menschen nördlich der Alpen zu besuchen. ... Doch das undankbare Volk Gottes hängt
ungeduldig bis hoffend, frustriert bis zornig an den Lippen des Karol Wojtyla. Es wartet
auf diese erlösende kleine Phrase, die so schwer über die Lippen kommt: Es tut mir leid,
daß ich euch manchen Bischof geschickt habe, ohne auf eure Wünsche und Bedürfnisse zu
hören." Der Papstbesuch eröffnet nach Ansicht der vatikanischen Tageszeitung
L'Osservatore Romano eine neue Ära der Kirche in Österreich. "Das Alte ist vorbei.
Die schwierigen und traurigen Zeiten dürfen nicht über den Glauben siegen. Johannes Paul
II. hat mit seinem Besuch eine neu Ära der Kirche in Österreich eröffnet. Dies ist
durch seine Anwesenheit, seinem Herzen und seine Worte möglich geworden", betonte
Chefredakteur Mario Anges in einem Kommentar am Samstag. "Der Papst ist wie ein guter
Hirte nach Österreich gefahren ... mit der Kraft, die ihm durch die Geschichte dieses
Volkes und dieser Kirche zufließt", schrieb der "Osservatore". Die
Präsenz der Jugend sei ein "Kapital" der Kirche in Österreich und vor allem
ein Zeichen der "Anwesenheit Christi in der heutigen Gesellschaft". Der Papst
habe das "Feuer der Missionierung" neu angezündet. Er habe den Gläubigen neue
Hoffnung gegeben, die mit Mut in die Zukunft blicken. Den "flehentlichen Appell"
an die österreichischen Katholiken, der Kirche nicht den Rücken zu kehren, stellt am
Samstag die italienische Tageszeitung Corriere della Sera in den Mittelpunkt ihrer
Berichterstattung über den ersten Tag des Besuches von Papst Johannes Paul II. in
Österreich. Das Blatt spricht von einer "bitteren Reise" des Papstes und
verweist verweist darauf, daß Jahr für Jahr rund 40.000 Österreicher aus der Kirche
austreten. Als bezeichnend für die Krise "im Schatten des wegen Pädophilie aus dem
Amt gejagten Kardinals Groer" empfindet der "Corriere" auch, daß bei der
Fahrt des katholischen Oberhirten durch Salzburg der gewohnte Massenandrang auf den
Straßen gefehlt habe. In dem Bericht des "Corriere" heißt es: "'Tretet
nicht aus der Kirche aus!'. Mit diesen Worten wendet sich der Papst im Salzburger Dom an
die österreichischen Katholiken. Er bittet sie, er fleht sie an, der Versuchung, die
Kirche zu verlassen, nicht zu erliegen. Er spricht mit Mühe, bekümmert, und fast möchte
man sagen, den Tränen nahe, wenn man diesen Mann nicht so gut kennen würde. Mit dem
Appell, der Kirche treu zu bleiben, spricht Johannes Paul II. die dramatische Lage an, in
der sich katholische Gemeinschaft in Österreich befindet: seit einem Jahrzehnt verlassen
Jahr für Jahr rund 40.000 die Kirche und lassen sich aus dem Kirchenbeitragsregister
streichen. Aus mancherlei Gründen: weil die Abgabe als zu hoch empfunden wird (1,5
Prozent des steuerbaren Einkommens), weil die Säkularisierung mit Riesenschritten
fortschreitet, weil die engagierteren Katholiken gegen den "'römischen"
Zentralismus aufbegehren und die laueren durch den vom Fall Groer ausgelösten Skandal
verunsichert sind". "Kaum Begeisterung, wenig Andrang und viele Proteste gegen
das Schweigen des Vatikans zum Fall Groer" kennzeichnen nach Meinung der
linksliberalen römischen La Repubblica" den Verlauf des Besuches von Papst Johannes
Paul II. in Österreich. Der Papst sei in einer kritischen Zeit für die katholische
Kirche Österreichs nach Salzburg und Wien gekommen. In einer Zeit, die durch Empörung
über die Affäre um Kardinal Groer und das Aufbegehren hundertausender Katholiken
geprägt sei, die mit dem Volksbegehren "Wir sind die Kirche" Reformen gefordert
hätten. Wörtlich heißt es in dem Bericht der Repubblica: "Es ist ein Besuch in
Moll. Es fehlt der festliche Jubel. Die Stimmung ist gedämpft. Nur ein paar tausend
säumen die Straßen, durch die der Papst aus Rom seinen Weg nimmt. Auch vor der
Fernseh-Leinwand auf dem Salzburger Domplatz, auf der man die Messe verfolgen kann,
herrscht kein Gedränge. Auf der Fahrt in die Stadt passierte das pästliche Gefolge zwei
Spruchbänder, die wie eine Ohrfeige wirken mußten. "Papa go home" stand in
englisch auf dem einen und eher grotesk "Wir wollen den Dali Lama" auf dem
anderen. Der Papst habe Österreich als ein Land gewürdigt, dessen Geschichte in
exemplarischer Weise gezeigt habe, wie viele Völker "auf begrenztem Raum
spannungsreich zusammenleben und mit schöpferischer Gestaltungskraft in der Vielfalt
Einheit schaffen" könnten, betonte am Samstag die Neue Zürcher Zeitung. In
Österreich hätten sich "die Wesenszüge von Kelten und Romanen, Germanen, Ungarn
und Slawen eingeprägt und lebendig erhalten"; Österreich sei somit Spiegel und
Modell eines vereinten Europa, das nicht ausgrenze, sondern Platz für alle biete.
"Am Ende seiner Rede sagte der Papst, während dreier Tage gehöre er nun
Österreich; spontan fügte er hinzu, man könne auch sagen: "Ich stehe auf eurer
Seite." Er antwortete damit auf die Sprechchöre junger Katholiken, die riefen:
"Johannes Paul der Zweite, wir steh'n auf deiner Seite!" Die Zahl jener
Österreicher, die in einen solchen Ruf einstimmen würden, hat in den letzten Jahren
rapide abgenommen. Die katholische Kirche Österreichs ist tief gespalten, sowohl die
Hirten untereinander wie die Schäfchen. Der Skandal um einen pädophilen Kardinal, Hans
Hermann Groer, und der größere Skandal, wie die Kirche damit umging, sind längst nicht
bewältigt. Sie zeigten, daß die Kirche in eine Abwehrhaltung verstrickt ist, die sie
mitunter den Blick für die Wahrheit - oder die Wirklichkeit - verlieren läßt. Dadurch
machte sie sich im Fall Groer schuldig, wofür sich Groers Nachfolger als Wiener
Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, entschuldigt hat." "Offensiv sind in
der hiesigen Kirche jene Kräfte, die behaupten, der Zeitgeist habe irgendwo die falsche
Richtung eingeschlagen, und man müsse - und könne - zu jener Wegscheide zurückkehren.
Der Papst besucht am Samstag St. Pölten, jene Diözese, deren Vorsteher, Kurt Krenn, für
manche österreichische Katholiken, die sich für fortschrittlich halten, geradezu als der
Leibhaftige im Bischofsornat gilt. Es war der gegenwärtige Papst, der Krenn wie Groer ins
Amt einsetzte. Viele österreichische Katholikinnen und Katholiken erwarten vom Papst
anläßlich seines Besuches ein "mea culpa", weil sie Groer und Krenn für die
Krise ihrer Kirche verantwortlich machen. Wahrscheinlicher ist aber, daß an Groer und
Krenn lediglich besonders deutlich sichtbar wird, daß sich Kräfte in den Vordergrund zu
drängen versuchen, die so tun, als wären Wahrheit und Wandel notwendigerweise
unverträglich." Abschließend heißt es in dem NZZ-Bericht, der Zustrom des
Publikums am ersten Tag des Papst-Besuches in Österreich sei "mäßig" gewesen.
"Der Papst schlug aber viele im Publikum in seinen Bann, mit Energie aus einer
Verinnerlichung, die körperliche Schwäche immer noch in Schach hält."
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