News 03. 07. 2006

"Welttreffen religiöser Führer" in Moskau

Auf Einladung des russisch-orthodoxen Patriarchen Alexi II. diskutieren ab Montag in Moskau 150 führende Vertreter von Christentum, Islam, Judentum und Buddhismus über zentrale Religionsfragen. Ein wichtiges Thema wird bei den Beratungen auch das Verhältnis von Religion und Politik sein.

Das in seiner Form bis dato einmalige "Welttreffen religiöser Führer" hat für die dreitägige Konferenz die Weltprobleme und die Rolle der Religionen in den Mittelpunkt gestellt. Als Ergebnis wollen die Religionsführer eine Deklaration für das Gipfeltreffen der G8-Staaten von 15. bis 17. Juli in Sankt Petersburg verabschieden.

Patriarch: Russland als Vorbild der religiösen Harmonie

Der Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche, Alexi II., rief alle Verantwortlichen dazu aufgerufen, sich gemeinsam entschieden gegen Fremdenhass und Terrorismus einzusetzen. Russland bezeichnete Alexi bei der Konferenz als ein Vorbild der religiösen Harmonie, das niemals unter Glaubenskriegen gelitten habe. "Im Gegenteil, es hat sich die Erfahrung einer harmonischen Koexistenz von Religion und Kultur gebildet", sagte der Patriarch.

Putin für interreligiösen Dialog

Der russische Präsident Wladimir Putin rief die in Moskau versammelten Religionsvertreter am Beginn des Treffens zu mehr Einigkeit auf. Jeder Versuch, die Welt durch religiöse oder ethnische Unterschiede zu spalten, müsse verhindert werden, sagte der Kremlchef zum Auftakt der dreitägigen Konferenz. Es dürfe nicht zu dem oft beschworenen Zusammenprall der Kulturen kommen, betonte Putin. Christen und Muslime sollten sich nicht gegeneinander abgrenzen. Putin rief zu einem "breitest möglichen" interreligiösen Dialog auf. Nach Ansicht einiger Beobachter möchte sich Putin vor Beginn des Gipfeltreffen der G8-Staats- und Regierungschefs von 15. bis 17 Juli in St. Petersburg der Unterstützung der religiösen Führer versichern. Zum Abschluss des Treffens sollen die Religionsführer eine Deklaration für das G8-Treffen verabschieden.

Kasper: "Säkulare Gesellschaft ist ein Irrweg"

Kurienkardinal Walter Kasper, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, sagte in Moskau, das Treffen zeige auch, dass Religion wesentlich zum Menschen gehöre. "Eine rein säkulare Gesellschaft ist ein Irrweg", hob er hervor.

Huber warnt vor falscher Toleranz

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, rief in Moskau die religiösen Führer zu mehr Engagement für den Frieden auf. Trotz aller Differenzen müssten die Religionen nach Wegen suchen, um besser zusammenzuarbeiten, betonte der Berliner Bischof am Dienstag. Vor allem der Nahost-Konflikt zeige, wie nötig ein gemeinsamer Aufruf der Religionen für den Frieden sei. Huber warnte zugleich vor einer falsch verstandenen religiösen Toleranz. Diese dürfe nicht zu einem Relativismus der Anschauungen führen. Wer sich über seine eigenen Überzeugungen im Klaren sei, könne auch andere Überzeugungen gelten lassen. Das bedeute auch: "Es gibt keine Toleranz für Intoleranz." Religionen müssten in ihrem Umgang miteinander ein Vorbild sein, so Huber. Daran könne sich auch die Frage entscheiden, ob die Welt ihre Probleme friedlich in den Griff bekommt oder im Chaos endet.

Keine theologischen Beratungen

Bei ihrem Treffen wollen sich die Religionsführer nicht theologischen Fragen widmen, sondern  das Verhältnis von Religion und Politik besprechen und Fragen beantworten, die "gläubige Menschen bewegen", wie der russisch-orthodoxe Metropolit Kirill im Vorfeld des Gipfels betonte. "In der modernen Welt ist der Faktor Religion wichtig", unterstrich der für die Außenbeziehungen der russischen Kirche zuständige Metropolit. Bei dem Treffen soll es daher unter anderem um die Möglichkeiten der Religionen im Kampf gegen den Terrorismus und bei der Entschärfung von Konflikten zwischen den Zivilisationen gehen. "Es gibt gegenwärtig keinen Dialog-Mechanismus zwischen den Religionen und der politischen Macht auf globaler Ebene", sagte der Metropolit.

Suche nach einer friedlichen Weltordnung

Das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche, Papst Benedikt XVI., wünschte dem "Weltgipfel der Religionsführer" am Sonntag beim Angelusgebet in Rom guten Erfolg. Das Treffen möge den Dialog zwischen den Kulturen und die Suche nach einer gerechteren und friedlicheren Weltordnung fördern, sagte der Papst. Er hoffe, "dass man in Moskau Möglichkeiten für eine effiziente Zusammenarbeit in Respekt und gegenseitigem Verständnis findet, um die aktuellen Herausforderungen anzugehen", erklärte Benedikt XVI.

Vatikan entsendet prominente Kardinäle

Der Vatikan schickt die größte Kardinalsdelegation, die jemals das orthodoxe Moskau besucht hat, zu dem Treffen. Unter vertreten die Kardinäle Roger Etchegaray, Paul Poupard und Walter Kasper die katholische Kirche in Moskau. Auch zahlreiche islamische Geistliche nehmen an dem Treffen teil. Das Judentum wird unter anderem von Israels Oberrabbiner Jona Mezger vertreten. Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirchen Deutschlands, Bischof Wolfgang Huber, und der anglikanische Primas und Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams nehmen an dem Treffen teil.

Dalai Lama und Bartholomaios I. sind nicht in Moskau

Auf die ursprünglich geplante Einladung des Dalai Lama nach Moskau wurde aus Rücksicht auf die politische Führung Chinas hingegen verzichtet. Stattdessen kamen ausschließlich staatstreue chinesische Buddhisten und ein Funktionär der Religionsbehörde nach Moskau. Boykottiert wird das Treffen von einigen prominenten Führern der orthodoxen Kirche. So nehmen der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, und die Patriarchen von Alexandrien, Antiochien und Jerusalem nicht an dem Gipfel teil.

Moskau und Rom gegen den Säkularismus

Das Treffen in Moskau könnte nach Ansicht einiger Beobachter auch ein weiterer Schritt auf dem Weg zu verbesserten Beziehungen zwischen Moskau und dem Vatikan sein. Dabei sollen die theologischen Unterschiede laut Metropolit Kyrill nur am Rande behandelt werden. Die diesbezüglichen Unterschiede seien "weit weg vom heutigen Bewusstsein der Menschen", so Kyrill. Stattdessen hofft der Metropolit auf eine west-östliche Kirchenallianz in Fragen von Moral, Familienbild und Bioethik. Anfang Mai hatten sich prominente katholische und russisch-orthodoxe Kirchenvertreter in Wien getroffen und darüber beraten, wie die Position des Christentums in einem verweltlichten Europa gestärkt werden kann. Gemeinsam traten die Kirchenvertreter dabei gegen Säkularismus, Relativismus und Postmoderne auf.
 

 

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Audio-on-Demand:

- Ö1-Morgenjournal, 04.07.2006: Bericht vom Religionsgipfel in Moskau

 

 

 

 

 
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