News 15. 09. 2006

Islamexperte Khoury: Papst-Vortrag hätte Differenzierungen bedurft 

Die Äußerungen Papst Benedikts XVI. zum Thema Islam und Gewalt hätten nach Meinung des Islamexperten Adel Theodor Khoury einer genaueren Einordnung bedurft. Die von Muslimen kritisierten Passagen der Papst-Rede sind Zitate aus einem von Khoury herausgegebenen Dialog eines byzantinischen Kaisers des 14. Jahrhunderts mit einem Perser.

"Ich hätte mir ein paar Worte der Differenzierung gewünscht. Zwei, drei Zeilen hätten viel bewirkt", sagte Khoury am Freitag der dpa in Münster angesichts der zum Teil heftigen Kritik am Vortrag des Papstes. Dazu hätte aus Sicht des Religionswissenschaftlers auch gehört, auf die Entstehungszeit der Zitate im Mittelalter und die damals übliche Gesprächspolemik hinzuweisen.

"Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat…"

Papst Benedikt XVI. hatte bei der Vorlesung an der Universität Regensburg am Dienstag aus einem von Khoury herausgegebenen Dialog von 1391 zitiert, den der gelehrte byzantinische Kaiser Manuel II. Palaeologos mit einem gebildeten Perser über Christentum und Islam und beider Wahrheit geführt haben soll. In dem vom Papst zitierten Satz des Anstoßes sagt der Kaiser: "Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den der predigte, durch das Schwert zu verbreiten."

Ein wissenschaftlicher Vortrag

Gegen die aktuelle Kritik aus der muslimischen Welt nahm Khoury den Papst aber in Schutz - auch wenn nach Ansicht Khourys die Menschen in der islamischen Welt angesichts der aktuellen Weltlage "sehr, sehr empfindlich" seien: "Es handelte sich um einen wissenschaftlichen Vortrag und hätte auch von der Presse wissenschaftlich analysiert werden müssen", kritisierte der 76- Jährige die Medienberichte der vergangenen Tage. "Ein unkluges oder gar fahrlässiges Verhalten des Papstes kann ich nicht erkennen", betonte der Gelehrte. Khoury sagte zur Kritik aus islamischen Ländern, wenn eine aktuelle Lesart der Äußerungen überhaupt denkbar sei, dann die, dass der Papst den "radikalen Islam abgekanzelt" habe.

"Worte der Neutralisierung" wären sinnvoll gewesen

Zum Kontext der von Benedikt XVI. wiedergegebenen, mehr als 600 Jahre alten Zitate von Kaiser Manuel II. sagte der Islamexperte: "Er redet so, wie alle Menschem im Mittelalter geredet haben." Allerdings seien gerade deshalb "einige Worte der Neutralisierung" wünschenswert gewesen. "Ich selbst sagte zu dem Dialog auch, "die Texte sind nicht meine Meinung"", betonte Herausgeber Khoury. Der im Libanon geborene Khoury lehrte bis zu seiner Pensionierung 1993 an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster und leitete dort das Seminar für Religionswissenschaften.

Steinbach: Der Papst muss sich nicht entschuldigen 

Auch der Leiter des Hamburger Orient-Instituts, Udo Steinbach, ist nicht der Meinung, dass sich der Papst im aktuellen Streit um dessen Äußerungen über den Propheten Mohammed entschuldigen muss. Der Papst fordere "explizit einen Dialog zwischen den Kulturen und liefert dazu wichtige Positionen aus christlicher Sicht, durchaus auch selbstkritisch. Aber eigentlich war die Vorlesung auch eine Steilvorlage an islamische Theologen, ihrerseits zum Verhältnis von Gewalt und Religion Stellung zu nehmen und die Friedfertigkeit des Islam zu untermauern", sagte Steinbach in einem Interview mit den "Lübecker Nachrichten" (Sonnabend-Ausgabe).

Aussagen werden falsch interpretiert

Er könne in diesem Fall die Empörung vieler Muslime nicht verstehen. "Diejenigen, die sich da empören, können nicht die ganze Rede des Papstes gelesen haben. Es geht da um das Verhältnis von Religion und Frieden, und der Papst gibt dazu wichtige Anmerkungen aus christlicher Sicht." Andere Interpretationen würden "von Leuten benutzt, die die Missstimmungen, die es seit dem Karikaturenstreit gibt, noch verstärken wollen".

 

 

 

 

 

Link:

- Wortlaut der Vorlesung von Benedikt XVI. an der Universität Regensburg

 

Video-on-Demand:

- ORF.at-IPTV: Der Papst zitiert

 

 

 

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