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News 18. 09. 2006 |
Pressestimmen zum Streit um die Papst-RedeZahlreiche europäische Tageszeitung beschäftigen sich in Kommentaren mit der Debatte um die Aussagen von Papst Benedikt XVI. zum Thema Islam. Im Folgenden einige Pressestimmen zum Nachlesen.
"Guardian" (Großbritannien): Papst muss mehr auf politische Zusammenhänge achten"Es ist nicht wirklich eine Überraschung, dass Benedikt das Christentum für besser hält als andere Religionen - andernfalls wäre er nicht Papst. Aber das macht ihn nicht zu einem militanten Anti-Muslim. Letztlich hatte seine umstrittene Rede nur zum Ziel herauszustellen, dass die Bekehrung durch das Schwert falsch ist, unabhängig davon, ob durch Muslime oder, wie zu Zeiten der Kreuzzüge, durch Christen. (...) Der Papst sollte jedoch ein Interesse daran haben, mehr Aufmerksamkeit darauf zu lenken, in welchem politischen Zusammenhang er seine Äußerungen über andere Religionen macht." "La Repubblica" (Italien) : Benedikt bricht mit der Strategie seines Vorgängers"Das Debakel, in das der Heilige Stuhl nach Regensburg gestürzt ist - ein echtes Waterloo, das den Papst dazu gezwungen hat, sich persönlich und öffentlich zu entschuldigen - ist viel mehr als nur ein Kommunikationsfehler. Das unglückliche Anti-Mohammed-Zitat, das heftige Reaktionen in der islamischen Welt und bittere Empörung bei den gemäßigten europäischen Moslems ausgelöst hat, hat auch auf drastische Weise den Bruch ans Licht gebracht, den Ratzinger gegenüber der zwei Jahrzehnte lang erfolgreich von Johannes Paul II. verfolgten Strategie begangen hat." "Il Messaggero" (Italien): Prinzipien und politische Flexibilität"Es waren Worte würdevollen Bedauerns, mit denen Benedikt XVI. vor den Gläubigen in Castel Gandolfo versucht hat, den politisch-theoretischen Streit, den seine Rede in Regensburg vor wenigen Tagen hervorgerufen hat, zu beenden. Die Worte waren eine Bestätigung des großen diplomatischen Geschicks des römischen Papsttums und auch seiner bereits erprobten Fähigkeit, die Standhaftigkeit seiner Prinzipien mit politischer Flexibilität zu vereinen. Auch war dies eine Bestätigung für den unveränderten Willen, den Dialog zwischen den verschiedenen Konfessionen offen zu halten. Der Dialog wird also weitergehen. Und wenn es zum offenen Streit kommt, dann wird dieser sicherlich nicht von einer katholischen Kirche angezettelt, die heute hauptsächlich damit beschäftigt ist, gegen die Religionslosigkeit der säkularisierten Gesellschaft zu kämpfen." "Le Figaro" (Frankreich): Die Gedankenfreiheit muss verteidigt werden"Ziehen wir es vor, aus Feigheit betreten zu schweigen, auf die Gefahr hin, zu Komplizen von Manövern in der arabisch-muslimischen Welt zu werden, die heimlich unsere eigenen Werte bedrohen? Lassen wir den Papst allein das Augenmerk auf die Gefahren des Fanatismus richten, vor allem des Islamismus, so wie sein Vorgänger mutig die Verheerungen des Kommunismus bekämpft hatte? Immerhin nimmt Religion heute einen immer wichtigeren Platz in der Debatte ein, und deshalb ist es dringlich, unablässig eines der Fundamente unserer modernen Gesellschaften zu verteidigen - die Gedankenfreiheit, so wie die Glaubensfreiheit." "La Croix" (Frankreich): Ein Missverständnis"Es war ein Missverständnis, das vielleicht mit Ungeschicklichkeit zu tun hatte. Es hat die Wut ausgelöst, die wie ein Lauffeuer um den Planten geht, und eine Entschuldigung fordert. Werden die Präzisierungen, die am Wochenende aus Rom kamen, die Empörung schnell beruhigen? Zweifelsohne nicht sofort, um so mehr als die islamische Öffentlichkeit sensibel ist und oft unter dem Einfluss politischer Spiele steht. (...) Man muss die Ernsthaftigkeit zur Kenntnis nehmen, mit der der Papst sich betrübt gezeigt hat. Aber auch seinen Willen, einen Dialog zu führen mit einer Forderung, die er immer wieder wiederholt hat: Dass ein solcher Austausch voraussetzt, dass jeder klar seine Identität ausdrückt und die des anderen akzeptiert. Man kann Benedikt XVI. nicht vorwerfen, dass er von der Wahrheit des Christentums überzeugt ist (...)." "Libération" (Frankreich): Papst soll die Koexistenz der Religionen predigen"Der Chef der Kurie verfügt nicht über Divisionen, wohl aber über das Gewicht seines Wortes. Er ist nicht ein einfacher Karikaturist, sondern eine politische Macht. Man erwartet vom Papst nicht, dass er die Neokonservativen des amerikanischen Präsidenten George W. Bush noch überbietet, indem er den Krieg der Zivilisationen nach der Art der Kreuzzüge fördert. Er soll vielmehr die Koexistenz der Religionen predigen. Der Islam ist nicht Tabu und muss Kritik ertragen und die Debatte akzeptieren. Diese wird aber nicht die Oberhand gewinnen, wenn dabei Islam und Gewalt, Muslim und Terrorist vermengt werden." "Salzburger Nachrichten" (Österreich): Politische Klugheit ist nötig"Der Westen darf sich nicht vor dem Hintergrund islamistischen Terrors dazu hinreißen lassen, abendländische Werte wie Demokratie oder Meinungs- und Pressefreiheit zur Disposition zu stellen. Doch das Einstehen für seine Überzeugungen, das Verteidigen liberaler Werte ist das Eine - politische Klugheit und verantwortungsvolles Handeln setzen indes voraus, dass man seine Worte abwägt und die möglichen Folgen heikler politischer Äußerungen bedenkt. Dazu ist Verständnis für das Gegenüber erforderlich, und dies setzt das Wissen um die Verfasstheit muslimischer Gesellschaften voraus. Genau daran aber mangelt es in beklagenswerter Weise. Wer über den Islam urteilt, sollte bedenken, dass die Worte des Propheten nicht nur missbraucht werden, um Selbstmordattentäter auf westliche Ziele zu hetzen. (...) Die rasche Reaktion des Vatikans lässt hoffen, dass der Westen, ohne die eigenen Werte zu verraten, seine Lektion gelernt hat." "Tiroler Tageszeitung" (Österreich): "Religiöse Fronten""Fanatiker drohen mit Terror. Große Teile der moslemischen Welt haben das Bedauern des Papstes positiv aufgenommen. Doch die Hürden für den Dialog zwischen Christen und Moslems auf der Höhe des dritten Jahrtausends sind nicht kleiner geworden. Geschichte wirkt belastend fort - in Vorurteilen und Aggressionen mit der Wucht überwunden geglaubter Zeiten. Der Bayer im Papstamt ist durchdrungen von der globalen Sendung und der Überlegenheit des Christentums. In dieser Sicht bleibt wenig Platz für Gleichwertiges. Die Unterschiede des christlichen Denkens zu betonen, ist völlig legitim. Dies bedarf aber nicht der Zuspitzung durch ein wahrlich mittelalterliches Zitat. "Mit Hochachtung betrachtet die Kirche die Moslems", heißt es im dritten Kapitel der Erklärung des zweiten Vatikanischen Konzils über die nicht christlichen Religionen. Ein wesentlicher Appell darin ist darauf gerichtet, "sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemühen, Vergangenes beiseite zu lassen". "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Deutschland): Die Muslime haben Besseres verdient als die Islamisten"Zu einem Kampf der Kulturen gehören zwei. Schon aus diesem Grund ist es barer Unsinn zu sagen: Jetzt haben wir ihn, den Kampf der Kulturen. Was wir jetzt haben, ist etwas anderes: Wir haben eine Seite, die in undiplomatischer Weise eine historische Quelle ohne quellenkritische Einordnung zitiert und diesen Fehler postwendend mit einer Klarstellung korrigiert. Und wir haben eine andere Seite, die einen Zitatschnipsel hört und auf diesen Schnipsel hin postwendend brandschatzt, Menschenpuppen verbrennt, Bombendrohungen ins Internet stellt. Verdient eine derart asymmetrische Auseinandersetzung den Namen „Kampf der Kulturen“? Das hätten die Fanatiker nur allzu gerne. Die Muslime haben Besseres verdient als die Islamisten, heißt es zu Recht. (...) Wer dem Schlagwort vom Kampf der Kulturen etwas Aussagekräftiges entgegensetzen will, wer den Islam von seinen Verformungen unterscheiden will, der muss dem Islamismus seine Masken herunterreißen, muss sich mit all seinen Formen öffentlich auseinandersetzen dürfen. Das wird freilich so lange nicht gelingen, wie Islamisten die Spielregeln festlegen, nach denen über den Islam gesprochen werden darf. Und frech den Kampf der Kulturen ausrufen, sobald sich einer mit einem falschen Wort nicht an diese Spielregeln hält. "taz" (Deutschland): Zum Glück kein Kotau"Nun war der Papsttext keine Enzyklika, erst recht kein Dogma. Insofern konnte der Papst leichter sein Bedauern über die angeblichen Fehlinterpretationen seiner Rede äußern. Es ist im Christentum keine Schande, Fehler einzugestehen, im Gegenteil. Auch dies ist nun von Vorteil, zumal der Papst als Mann des Glaubens in der muslimischen Welt grundsätzlich gewisse Sympathien genießt. Wenn nun nicht wieder Fundamentalisten in Moscheen oder Madrassen Öl ins Feuer gießen, könnte deshalb alles noch glimpflich ausgehen. Selbst die geplante Papstreise in die Türkei dürfte noch klappen. Ein Kotau vor radikalen Muslimen war sein Bedauern jedenfalls nicht, Gott sei Dank!" "Süddeutsche Zeitung" (Deutschland): Nun ist die andere Seite am Zug" (...) Die rasche und klare Reaktion des Vatikans auf die Proteste war aus zwei Gründen geboten. Zum einen war das Zitat des Kaisers mit seiner pauschalen und daher ungerechten Islamkritik in der Tat ungeschickt gewählt. Zum anderen trägt ein Papst immense Verantwortung für den Weltfrieden. Auch wenn er sich böswillig missverstanden und von islamistischen Hasspredigern missbraucht fühlen kann, muss er versuchen, den Sturm zu besänftigen, damit die politische und militärische Konfrontation zwischen Teilen der islamischen Welt und des Westens nicht auch noch in einen Religionskrieg umschlägt. Der Papst hat das sofort erkannt und danach gehandelt. Nun ist die andere Seite am Zug. Es ist zu hoffen, dass sie ähnliche Größe zeigt. Allzu viele Muslime haben sich bei ihren maßlosen Protesten in den vergangenen Tagen verhalten, als ob sie bestätigen wollten, was der Papst gar nicht gesagt hat: Sie benahmen sich, als sei der Islam eine aggressive, gewalttätige Religion." "Die Welt" (Deutschland): Ausgerechnet dieser Papst..."Es wirkt wie ein Treppenwitz der Geschichte. Ausgerechnet diesem Papst, der den Dialog der Kulturen fördern wollte, schlägt nun der geballte Hass des Islams entgegen. Ausgerechnet dieser Papst, der auf seiner bayerischen Reise immer wieder um Verständnis für die Ängste der Muslime warb, der dem Westen Arroganz gegenüber den Völkern des Ostens und Taubheit gegenüber Gott vorwarf, muss nun zu Kreuze kriechen vor fanatisierten Mullahs und selbst ernannten Verteidigern des Islam, die seine Rede nicht einmal gelesen haben und die taub sind für jede Erklärung - und wahrscheinlich auch für jede Entschuldigung. Ausgerechnet dieser Papst, der im Streit um die Mohammed-Karikaturen den Westen kritisierte, weil er die Freiheit der Religionskritik über die Achtung vor dem Heiligen stelle, muss sich nun vorwerfen lassen, hinter der damaligen Beleidigung des Propheten stehe niemand anders als der Vatikan. (...) Ausgerechnet dieser Papst, der den Vorrang der Vernunft in Religionsdingen forderte, beugt sich der Unvernunft." "de Volkskrant" (Niederlande): Benedikt XVI. erweist sich als Stubengelehrter"Es ist unbegreiflich, dass der Vatikan - im Allgemeinen die Behutsamkeit in Person - nicht erkannt hat, welchen Effekt die Äußerungen des Papstes haben konnten. Hier rächt sich auch, dass Benedikt XVI. seinen Kurs selbst absteckt und keinen Menschen in seiner Nähe hat, der gewagt haben könnte, ihn zu warnen. Sein Vorgänger Johannes Paul II. ging auch völlig seinen eigenen Weg, aber er war in erster Linie ein ausgefuchster Politiker. Ratzinger erweist sich jetzt vor allem als Stubengelehrter. Der Vatikan muss lernen, wie diese Rolle mit der des Führers einer Weltkirche in Einklang gebracht werden kann."
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