News 22. 06. 2007 |
Ein heimlicher Katholik in der Downing StreetEin Kommentar von Thomas Burmeister, dpa.Alle haben es gewusst, schon lange. Doch die Briten sind Weltmeister im Pragmatismus. Und so konnte Tony Blair zehn Jahre lang genau das sein, was eigentlich als schwer vorstellbar gilt: Ein Katholik als Premierminister der Briten, wenn auch ein heimlicher. Ein echtes Problem war das nicht, solange er offiziell der Anglikanischen Kirche und damit der Staatskirche Englands angehörte. Nun verlässt Tony Blair die Downing Street und endlich kann er sich zum Glauben seiner Gattin Cherie bekennen, dem Katholizismus. Aus politischen Gründen in der "Church of England" geblieben?Dennoch hat Blairs angeblich kurz bevorstehender Religionswechsel für so manchen im Königreich einen schalen Beigeschmack. Ist das noch tolerierbarer Pragmatismus oder ist die Grenze zur Heuchelei schon überschritten, wenn jemand einer Kirche letztlich vor allem um seiner politischen Karriere Willen angehörte? Immerhin soll Blairs "spirituelles Erwachen" schon drei Jahrzehnte zurückliegen. Schon als Student sowie maßgeblich unter dem Einfluss seiner katholischen Frau soll er sich dem Katholizismus zugewandt haben. "Doch wegen politischer Erwägungen hat Tony Blair seinen Übertritt so lange hinausgezögert", schrieb am Freitag der "Guardian". Kein katholischer KönigRein verfassungstheoretisch wäre Blairs Offenbarungsbeichte schon früher in seiner politischen Laufbahn möglich gewesen. Heutzutage gibt es im anglikanisch geprägten Inselkönigreich nur noch zwei Positionen, die Katholiken verwehrt sind: Ehepartner eines Thronfolgers sowie König oder Königin. Doch kaum jemand bezweifelt, dass Blair 1997 im Rennen um das Amt des Regierungschefs gescheitert wäre, wenn er sich zum katholischen Glauben bekannt hätte. Kein katholischer Premier seit 1668Seit 1668 durch die Glorreiche Revolution der katholische König James II. gestürzt wurde und dessen protestantische Tochter Maria II. mit ihrem Ehemann Wilhelm III. von Oranien den englischen Thron bestiegen, war nie ein Katholik Premierminister. Zwar haben es Katholiken in den letzten Jahrzehnten in zahlreiche öffentliche Ämter geschafft. Aber wenn es um die Regierungsspitze geht, gibt es immer noch Misstrauen seitens der anglikanischen Wählermehrheit. Blair war nicht "vatikanhörig"Ähnlich wie in den USA müssen sich Politiker katholischen Glaubens des Verdachtes erwehren, religiös-ideologischen Vorgaben des Vatikans zu folgen. Dafür allerdings hat Blair nie einen Anlass gegeben. Unter seiner Regierung wurde vieles durchgesetzt oder aufrechterhalten, was von der katholische Kirche bekämpft wird: Die so genannte Homo-Ehe, das Recht auf Abtreibung und nicht zuletzt die Forschung mit embryonalen Stammzellen. Auch bei seiner am meisten umstrittenen politischen Entscheidung kann Blair unmöglich auf den Vatikan gehört haben: Vor dem Irak-Krieg hatte Papst Johannes Paul II. ausdrücklich gewarnt. Anders als US-Präsident George W. Bush, der sein religiöses Bekenntnis ständig mit "Gott segne"-Sprüchen offenbart, hat Blair sich zurückgehalten. Freilich besuchte er trotzdem immer wieder mit seiner Familie auch öffentliche katholische Messen. Regelmäßig betete er in der Westminister-Kathedrale und in der Kirche Heart of Mary, die seinem Wochenendsitz Chequers am nächsten liegt. Zu den "Stammgästen" Blairs in der Downing Street gehörte Pfarrer John Walsh. Vor allem dieser einstige Kaplan der britischen Luftstreitkräfte RAF soll es gewesen sein, der Blair auf den formellen Übertritt zu jener Religion vorbereitet hat, der er sowieso schon lange folgt.
Hintergrund: - Die anglikanische "Kirche von England"
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