News 15. 02. 2008 |
Vatikan: Karfreitagsgebet bezweckt keine JudenmissionDas neugestaltete Fürbittgebet für die Juden in der Karfreitagsliturgie des "alten Usus" von 1962 drückt nach den Worten von Kurienbischof Gianfranco Ravasi keine Missionsstrategie aus. Zahlreiche jüdische Organisationen hatten in den vergangenen Tagen die neugestaltete Fürbitte kritisiert. Die italienische Rabbinerversammlung kündigte an, den Dialog mit der katholischen Kirche zu unterbrechen.Laut Kurienbischof Ravasi drückt die geänderte Fürbitte eine Haltung aus, "mit der man Personen, die man für nah, teuer und bedeutsam erachtet, etwas wünscht, was man selbst für kostbar und heilbringend hält". In einem Leitartikel der Vatikan-Zeitung "L'Osservatore Romano" betonte der Präsident des Päpstlichen Kultur-Rates die Fürbitte könne und müsse das Band und den Dialog der katholischen Kirche mit dem Volk des Alten Bundes festigen. Israel bleibe die nährende "Wurzel des guten Ölbaums", in den die Heiden als wilde Schösslinge eingepfropft seien. "Große eschatologische Hoffnung"Es sei die gemeinsame und letzte Hoffnung, dass die Juden als zuerst erwähltes Bundesvolk Gottes "zur Fülle der Erlösung" gelangen, schrieb Ravasi mit Bezug auf das Karfreitagsgebet in der üblichen Karfreitagsliturgie von 1970. Wenn die Kirche darum bete, "neben sich in der einen Gemeinschaft der an Christus Glaubenden auch das gläubige Israel zu haben", handle es sich um eine "große eschatologische Hoffnung" als letztes Ziel der Geschichte, so Ravasi im "Osservatore". Rückschritt im katholisch-jüdischen Dialog befürchtetDie Neufassung der Fürbitte "Pro Iudaeis" im (vorkonziliaren) Messbuch von 1962 hatte die Kritik verschiedener jüdischer Repräsentanten wachgerufen. Sie befürchteten einen Rückschritt im katholisch-jüdischen Dialog. Der deutsche jüdische Publizist Günther B. Ginzel nannte die Auseinandersetzung um das Fürbittgebet ein "Lehrstück dafür, was passiert, wenn die Partner im Dialog sich der Illusion hingeben, der gute Wille alleine reiche aus". "Fehleinschätzung" des PapstesErstaunlicherweise sei der Vatikan der Ansicht, dass Juden mit der neuen Formulierung als einer "endzeitlichen" Bitte einverstanden sein würden, schrieb Ginzel in einem Leitartikel der Berliner Wochenzeitung "Jüdische Allgemeine". Diese "Fehleinschätzung" ist nach Ansicht des Publizisten im Judentumsbild des Papstes verwurzelt. Benedikt XVI. spreche zwar voller Hochachtung über Juden. Allerdings begreife er aus seiner Position heraus bei allem Bemühen letztlich "jüdisches Denken nicht". Kasper: Bibel ist ein normativer TextKurienkardinal Walter Kasper hatte zu der Kontroverse gemeint, die Bibel sei für die Christen ein normativer Text; niemand könne es als Beleidigung auffassen, wenn sich die Christen an ihre Heilige Schrift hielten, sofern sie sie nicht aggressiv auslegten. Für die Christen sei Jesus der Messias und der Sohn Gottes, für die Juden nicht; dieser Unterschied sei grundlegend zwischen Juden und Christen und werde auch im Dialog zwischen den beiden Religionen akzeptiert. Italienische Rabbiner: Dialog ist "absolut nutzlos"Die Italienische Rabbinerversammlung kündigte nach Bekanntwerden des neuen Gebetstextes an, das Gespräch mit der katholischen Kirche auf Eis zu legen. Es sei eine "Denkpause im Dialog" nötig, erklärte der Rabbiner-Präsident Giuseppe Laras laut einem Bericht des "Corriere". Ohne eine Klärung sei es "absolut nutzlos", die Gespräche fortzuführen. Die Voraussetzungen für einen Dialog seien hinfällig, weil mit der erneuerten Fürbitte für Gottesdienste im "Alten Usus" das Ziel legitimiert werde, die Juden zum Katholizismus zu bekehren, hieß es in einer Stellungnahme der Rabbinerversammlung. Auch in der neuen Fassung würden Juden als verblendet gegenüber der Wahrheit hingestellt, wobei dies auf eine "nur scheinbar weniger deutliche Art" geschehe. Deutsche Rabbiner: Katholischer Gebetstext ist legitimPositiv reagierte hingegen die deutsche Rabbinerkonferenz auf den geänderten Gebetstext. Laut dem Vorsitzenden der Konferenz, Henry Brandt, handelt es sich um eine "bedeutende Verbesserung" gegenüber den früheren Formulierungen. Der Vatikan hätte allerdings gut daran getan, dieses Problem schon vor der Wiederzulassung des "Alten Usus" von 1962 als "außerordentliche Form" im vergangenen September zu lösen. Dann wäre "viel böses Blut vermieden" worden. Brandt äußerte Verständnis dafür, dass die katholische Kirche in der Fürbitte darum betet, dass auch die Juden Jesus Christus erkennen mögen. Das sei aus christlicher Sicht und in einem liturgischen Text legitim, sagte er. Auch die Juden beteten darum, dass alle Menschen den einzigen Gott erkennen mögen. Ursprünglich beteten die Katholiken "für die treulosen Juden"Mit der neuen Fassung des lateinischen Textes durch den Papst wurde die bereits 1962 von Johannes XXIII. entschärfte Fürbitte nochmals theologisch angepasst. Im alten Formular von 1962 war immer noch von einer "Verblendung jenes Volkes" die Rede, das aus seiner "Finsternis entrissen" werden sollte. Gegen diese Formulierung, die seit dem Papsterlass "Summorum pontificum" von 7. Juli 2007 wieder in mehr Gottesdiensten als zuvor hätte gebetet werden können, war Widerstand von jüdischer, aber auch von christlicher Seite laut geworden. Maßgebliche Promotoren des christlich-jüdischen Dialogs sahen darin eine antijüdische Haltung im Geist einer noch älteren Formulierung der Karfreitagsbitte, die bis zum Pontifikat von Johannes XXIII. (1958-63) gültig war. Nach dieser Formel beteten die katholischen Gemeinden "für die treulosen (ungläubigen) Juden" (pro perfidis Judaeis). Neue Version des "alten Usus": "Damit sie Jesus Christus erkennen"Die neue Fürbitte für den "alten Usus" lautet nun in deutscher Übersetzung: "Lasst uns auch beten für die Juden, auf dass Gott unser Herr ihre Herzen erleuchte, damit sie Jesus Christus erkennen, den Retter aller Menschen. Lasset uns beten. Beuget die Knie. Erhebet euch. Allmächtiger ewiger Gott, der Du willst, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Gewähre gnädig, dass beim Eintritt der Gesamtheit der Völker in Deine Kirche ganz Israel gerettet wird. Durch Christus unseren Herrn. Amen". Nachkonziliare Liturgie: "Er bewahre sie in der Treue zu seinem Bund"Allerdings weist dieser Text eine andere Akzentsetzung und Diktion auf als jener der nachkonziliaren Liturgie von 1970. Mehrere Bischofskonferenzen hatten den Papst gebeten, nur mehr diese Version zuzulassen. Sie lautet: "Lasst uns auch beten für die Juden, zu denen Gott, unser Herr, zuerst gesprochen hat: Er bewahre sie in der Treue zu seinem Bund und in der Liebe zu seinem Namen, damit sie das Ziel erreichen, zu dem sein Ratschluss sie führen will. (...) Allmächtiger, ewiger Gott, Du hast Abraham und seinen Kindern Deine Verheißung gegeben. Erhöre das Gebet Deiner Kirche für das Volk, das Du als Erstes zu deinem Eigentum erwählt hast: Gib, dass es zur Fülle der Erlösung gelangt."
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