News 04. 08. 2008

Für eine "Theologie der Welt" - Johann Baptist Metz wird 80

Am 5. August wird der Theologe Johann Baptist Metz 80. Er ist einer der profiliertesten und einflussreichsten Theologen der Gegenwart. Metz gilt als Begründer der "Neuen Politischen Theologie", die unter anderem die lateinamerikanische Befreiungstheologie inspiriert hat.

"Es gibt kein Leid in der Welt, das uns nicht angeht". Dieser Satz aus der im vergangenen Jahr von Johann Baptist Metz gehaltenen Dankesrede für die Zuerkennung des "Theologischen Preises der Salzburger Hochschulwochen" könnte als Titel über dem Werk des Begründers der "Neuen Politischen Theologie" stehen.  

Empfindsamkeit für das Leid des anderen – das ist laut Metz das "Weltprogramm des Christentums". Das Christentum verweise auf die Autorität der "ungerecht und schuldlos Leidenden", betonte Metz etwa 2004 in der "Süddeutschen Zeitung".

"Compassion" – das Leid als Autorität

In seinen theologischen Arbeiten prägte Metz dafür den Begriff "Compassion" ("Mitleid"). Nicht zum vagen Mitgefühl oder folgenlosen Mitleid, sondern zur "teilnehmenden Wahrnehmung fremden Leides" sind die Christen aufgerufen, ist Metz überzeugt. Die "Compassion" gelte, so Metz, nicht nur für den privaten Lebensbereich, sondern auch für das öffentliche politische Leben, sie enthalte ein Friedensethos für die globalisierte Welt. Denn das schuldlose Leid  sei die innere Autorität einer Weltmoral, die "alle Menschen verpflichtet und die deshalb von keiner Kultur und keiner Religion, auch von der Kirche nicht, hintergangen oder relativiert werden kann".

Von Karl Rahner geprägt

Theologisch geprägt wurde Metz vor allem von seinem Lehrer, dem Konzilstheologen Karl Rahner. Ihm schreibt Metz die Entdeckung des modernen, mündigen Subjekts für die Gottesrede zu. Rahner habe die erstarrte neuscholastische Schultheologie aufgesprengt. In seinen theologischen Arbeiten knüpfte Metz daran an, versuchte aber zugleich auch Rahners geschichtslosen, "transzendental-idealistischen" Denkrahmen zu sprengen. Denn dieser habe allzu lange einen erinnernden Blick auf das grauenvolle Geschehen von Auschwitz verhindert, ist Metz überzeugt.

Religion "nach Auschwitz"

Immer wieder warnt Metz die christliche Theologie vor einem Vergessen und Verdrängen des Holocaust. Auschwitz sei ein Attentat auf alles gewesen, "was auch uns Christen hätte heilig sein müssen", so Metz etwa im Jahr 2000 bei einer Tagung in Jerusalem. Auschwitz sei ein "Schrecken", für den er "keine Sprache in der Theologie gefunden habe". Im Angesicht der Katastrophe von Auschwitz darf sich die christliche Theologie laut Metz nicht primär um die Frage nach der Schuld und um die Vergebung für die Täter kümmern. Angesichts der "himmelschreienden Leidensgeschichte der Menschen" bleibe der Theologie nur die "apokalyptische Unruhe der Rückfrage an Gott". Daher ist für Metz Religion "nach Auschwitz" nur mehr denkbar im Widerspruch, im Widerspruch auch gegen jene, die im Angesicht der leidenden Anderen weiterlebten wie zuvor.

"Theologie der Welt"

Aus der Erinnerung an das Leiden und Sterben von Millionen Menschen entwickelte Johann Baptist Metz seine kirchenkritische "Neue Politische Theologie". Das theologische Programm, dass Metz seit Anfang der sechziger Jahre in einem fruchtbaren Dialog mit den Vordenkern der "Frankfurter Schule" - Theodor W. Adorno, Max Horkheimer und Jürgen Habermas - entwickelte, bezeichnete er selbst zunächst als "Theologie der Welt". Darunter verstand er eine Theologie mit dem Gesicht zur Welt.

Die "Neue politische Theologie"...

Als Grundformel seiner "Neuen Politischen Theologie" formulierte Metz bereits damals: "In ihr wird Welt primär als gesellschaftliche Mitwelt und Geschichtswelt, Geschichte primär als Endgeschichte, Glaube primär als Hoffnung, Theologie primär als eschatologisch-gesellschaftskritische Theologie sichtbar". Der Begriff "politisch" bedeutet laut Metz "öffentlich-belangvoll". Damit wehrt er sich nach eigener Auskunft "gegen die Selbstprivatisierungssymptome in der Theologie und im Christentum", d.h. gegen den Reflex der Einigelung der Theologie in überkommener Heilsrhetorik - und auch gegen den innerkirchlich lauter werdenden Ruf nach einer aktiven Teilhabe am Trend der "Respiritualisierung".

... und ihre Gegnerschaft zur "Politischen Theologie"

Außerdem wehrt sich Metz mit dem Terminus der "Neuen Politischen Theologie" gegen die alte "Politische Theologie" Carl Schmitts (1888-1985). Hatte dieser in seiner "Politischen Theologie" ein Konzept der religiösen Legitimation staatlicher Hegemonie und totalitärer Gewalt formuliert, so geht es der "Neuen Politischen Theologie" stets um das Gegenteil: die politische und gesellschaftliche Emanzipation des einzelnen Individuums - auch in seiner Haltung gegenüber Gott.

Religion ohne Gott?

Zu den zentralen Schlagworten der Theologie von Johann Baptist Metz gehört neben der Betonung der Leidenserinnerung die Diagnose einer kulturell-gesellschaftlichen "Gotteskrise". Der Gedanke einer über die gegenwärtige "Kirchenkrise" hinausgehenden "Gotteskrise", den Metz erstmals im Rahmen seiner Abschiedsvorlesung an der Universität Münster 1993 vortrug und schließlich im Rahmen einer Gastprofessur an der Universität Wien vertiefte, entzündete sich an der Diagnose einer "mythenfreundlichen Gesellschaft". Diese Gesellschaft wendet sich in ihrer spätmodernen Annäherung an "Religion" zugleich vom biblischen Gott ab. Für diese Bewegung fand Metz die Kurzformel "Religion ja - Gott nein". Das Christentum drohe der Gefahr seiner eigenen Banalisierung zu erliegen, so Metz, wo es die Stimmen der Opfer nicht mehr hörbar mache, ihre Leiden nicht mehr erinnere und "in seinen Kommentaren zum Leben nur verdopple, was ohnehin Konsens ist".

Philosoph und Theologe

Johann Baptist Metz wurde am 5. August 1928 in der Oberpfalz geboren. Nach der Matura studierte Metz in Bamberg, Innsbruck und München Theologie und Philosophie. 1952 erfolgte seine Promotion zum Dr. phil. und 1961 zum Dr. theol. 1954 wurde er zum Priester geweiht. 1963-1993 hatte er den Lehrstuhl für Fundamentaltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität in Münster (Westfalen) inne. 1968-1973 war Metz Berater des damals von Kardinal Franz König geleiteten römischen Sekretariats für die Nichtglaubenden. Metz ist Mitbegründer und -herausgeber der internationalen theologischen Zeitschrift "Concilium". Von 1993 bis 1997 hatte Johann Baptist Metz eine Gastprofessur am philosophischen Institut der Universität Wien inne.

Wichtige Publikationen

Zu den bekanntesten Publikationen von Johann Baptist Metz gehören seine Bücher "Zur Theologie der Welt" (1968), "Zeit der Orden? Zur Mystik und Politik der Nachfolge" (1977), "Glaube in Geschichte und Gesellschaft. Studien zu einer praktischen Fundamentaltheologie" (1977), "Jenseits bürgerlicher Religion. Reden über die Zukunft des Christentums" (1980), "Zum Begriff der neuen Politischen Theologie 1967–1997" (1997) und "Memoria Passionis. Ein provozierendes Gedächtnis in pluraler Gesellschaft" (2006).

 

 

News zum Thema:

- 05. 08. 2008: Metz warnt vor "Bologna-Theologie"

 

Webcast:

- Johann Baptist Metz über Politk und Moral, die "Compassion" und das Christentum

 
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