News 04. 08. 2008

Metz warnt vor "Bologna-Theologie"

Kritik an der heutigen universitären Theologie übt der Münsteraner Theologe Johann Baptist Metz. Wie Metz in einem Interview mit der Schweizer theologischen Fachzeitschrift "Orientierung" (Ausgabe vom 31. Juli) aus Anlass seines 80. Geburtstags betont, drohe der Theologie unter dem Druck der Bologna-Reformen eine "kadettenschulartige Nivellierung" und Zurechtstutzung zu einer reinen "Bologna-Theologie".

"Profilierte" Theologie sei nur mehr selten anzutreffen, die straff geregelten Curricula überdeckten die für die Theologie notwendigen Frei- und Entfaltungsräume, so Metz. Neben der Herausbildung eines gemeinsamen europäischen Hochschulraums bis 2010 sieht die 1999 verabschiedete "Bologna-Erklärung" vor allem die Umstellung der Studiensysteme auf international vergleichbare Bachelor- und Masterstudiengänge vor.

Warnung vor der "biografischen Welle" in der Theologie

Zugleich sieht Metz die Gefahr einer "biografischen Welle" in der universitären Theologie. Zwar sei Theologie "nicht ohne Biografie", was sie "von Religionswissenschaften und Religionsphilosophie" unterscheide, doch dürfe die Tendenz zu konkreten lebensgeschichtlichen Rückbindungen der Theologie nicht in eine "fabulierfreudige Ausbreitung von privaten Lebensgeschichten" münden, sondern müsse sich auf einer abstrakteren Ebene dem Problem des "klaffenden Risses zwischen Glaubenswelt und Lebenswelt" zuwenden, so Metz.

Mensch ist "mehr als sein eigenes Experiment"

Im dem Interview erneuert Metz seine Kritik an einer Verkürzung des Rationalitätsbegriffs in der gegenwärtigen Bioethikdebatte. Wo sich die naturwissenschaftlich-instrumentelle Vernunft auch der Frage nach dem Stellenwert des Menschen bemächtigt, drohe eine "kulturelle Amnesie" und der Mensch drohe nur mehr "zu seinem eigenen Experiment" zu werden. Dagegen verweist Metz auf die Bedeutung der Erinnerung für das menschliche Selbstverständnis. Metz wörtlich: "'Der Mensch'", wie er uns bisher bekannt und anvertraut ist, ist mehr als sein eigenes Experiment, er bleibt auch - und zwar fundamental - sein eigenes Gedächtnis. Er verdankt sich nicht nur seinen Genen, sondern auch seinen Geschichten." Nur wenn in den Bioethikdebatten vom Menschen auch über seine genetische Konstitution hinaus erzählt werden dürfe, könne eine Anthropologie entstehen, in der der Mensch mehr ist, "als das letzte noch nicht völlig - biotechnisch oder neurotechnisch - durchexperimentierte Stück Natur".

"Dem Kirchenrecht zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet"

Metz zieht in dem Interview außerdem eine kritische Bilanz seines eigenen theologischen Schaffens. So räumt er ein, "der Frage des Kirchenrechts bzw. der Verfassung der Kirche zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet" zu haben. Er habe sich häufig gefragt, so Metz, "warum die Kirche sich eigentlich mit unschuldigen Opfern immer schwerer tut als mit schuldigen Tätern". Diese Frage hätte er stärker im Blick auf das konkrete Kirchenrecht und das diesem zu Grunde liegende Kirchenverständnis bearbeiten müssen, so Metz. Ein Ansatzpunkt wäre es dabei, die "strukturelle Überzeichnung des Kirchenrechts ... durch das antike römische Recht" aufzuweisen und hier eine Korrektur anzustreben, so Metz.

"Zentrale theologische Prägung" durch Karl Rahner

Seinen "Freund und Lehrer", den 1984 in Innsbruck verstorbenen Theologen Karl Rahner, bezeichnet Metz als "'Klassiker' der modernen katholischen Theologie". Er selbst habe durch Rahner seine "zentrale theologische Prägung" erfahren - auch wenn er ihm bereits früh theologisch widersprochen habe, so Metz. Ein zentraler Reibepunkt sei die von Rahner angestoßene "anthropologische Wende", d.h. die Wende der Theologie hin zum konkreten Menschen, gewesen. Hier sei Rahner zu sehr der Transzendentalphilosophie verhaftet geblieben, wodurch der Mensch nicht in seiner Verstrickung in Geschichte in den Blick gekommen sei.

Die "säkulare Theodizee" des Marxismus

Karl Rahner sei es auch gewesen, der ihn in die "Internationale Paulus-Gesellschaft" und damit in Kontakt mit christlich-marxistischen Diskussionszirkeln, darunter etwa mit Ernst Bloch, Theodor W. Adorno aber auch Jürgen Habermas, gebracht habe. Fasziniert habe ihn am Marxismus vor allem die Annäherung an eine "säkulare Theodizee", an eine politische Umsetzung des Schreis nach Gerechtigkeit für die unschuldigen Opfer, so Metz: "Ich wollte der politischen Kultur diese Theodizeeperspektive nicht ersparen, wollte sie freilich auch noch anders als im Marxismus zur Sprache bringen, nämlich immer und unbedingt auch als Frage nach dem Leid der Anderen, dem Leid gar der bisherigen Feinde".

Die Atmosphäre der 68er Jahre

Es sei dabei gerade "die heute gern geschmähte Atmosphäre der 68er Jahre" gewesen, so Metz, die ihm in eine theologische Konfrontation mit der Geschichte gezwungen habe und die ihm "eine allzu geschmeidige theologische Rede von der Geschichtlichkeit menschlicher Existenz ausgetrieben" habe. "Immer wieder habe ich mich seitdem gefragt", so Metz, "warum man unserer Rede von Gott eine solche Katastrophe (die Katastrophe von Auschwitz), wie überhaupt die himmelschreienden Leidensgeschichten der Menschen so wenig ansieht und anhört."

 
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